Hallo Emmanuel,

das sehe ich auch so wie Du. Im Kern ist das 
heutige Urheberrecht ein unhaltbares Konstrukt.

Leider sind mit diesem Konstrukt viele finanziellen 
Interessen verbunden und Existenzen sind davon abhängig.

Am Freitag werden wir an einer Veranstaltung teilnehmen, welche
nur Pro Forma offen ist für Diskussionen. Im Kern geht es darum, 
den Politikern Dampf zu machen, für eine Verschärfung des 
Urheberrechtes, der Kontrollmechanismen und der Strafen.

Wir werden also auf eine rege Lobby treffen, denen das Internet 
gerade mal gut genug ist, als Basis für ihr (im Wesentlichen auf
Pauschalabgaben abgestütztes) Geschäftsmodell. 

Das das Internet gerade durch die Andersartigkeit einen 
grossen Entwicklungsschub gebracht hat, interessiert diese 
Kreise wenig. 

Ich erlaube mir hier einen Vergleich: als das Telefonsystem 
eingeführt wurde, war jedem klar, dass der Anrufende die 
Kosten zu tragen hat. Die Kosten für sein Gerät (welches 
Senden und Empfangen kann) und den Netz-Anschluss. 
Man konnte anrufen und wenn jemand antwortete, war das
gelieferte Wort frei. Dann haben sich Bezahldienste etabliert,
man wusste nicht mehr, ob bei Annahme des Anrufes von der 
Gegenseite Geldforderungen (welche mit der Telefonrechnung 
erhoben wurden) fällig wurden. 
Mit diesen Forderungen wurde in der Folge Missbrauch getrieben,
bis der Staat sich berufen fühlte, den Adressierraum zu trennen,
so dass anhand der Telefonnummer 0900 ersichtlich ist, ob
mit Annahme des Gespräches Forderungen fällig werden. 

Aus meiner Sicht wäre es sinnvoll, wenn der Staat nun Massnahmen 
zum Schutz des Internet ergreifen würde. Denn die immer lauter 
werdenden Ansprüche beginnen das freie Internet zu zerstören.
Bemerkenswert ist dabei, dass diese Forderungen mit grösster
Selbstverständlichkeit Huckepack auf dem nach wie vor von freien 
Inhalten geprägten Netzwerk erhoben werden. Das schlimmste, was 
diesem fragwürdigen Geschäftsmodell passieren könnte, ist eine
Trennung von freien und Kommerziellen Inhalten. 

Viel eher ist diese Lobby bereit, Infrastruktur zur lückenlosen Überwachung
einzuführen. Dass sie dabei letztendlich mit fragwürdigen Geheimdiensten 
zusammenspannen ist ihnen nicht bewusst oder interessiert sie
angesichts ihrer finanziellen Interessen kaum.

Am Freitag wird es darum gehen, dass unsere Stimme auch gehört wird.
Es geht leider heut viel eher um die Verteidigung des Internet, wie wir es
kennen, als um das Anbringen von Vorschlägen zum weiteren Ausbau 
in unserem Sinne. 

Aus diesem Grunde tendieren die aufgeführten Punkte in Richtung
"in die Verantwortung nehmen" der Verwertungsgesellschaften. 

Diese behaupten zum Beispiel, ihre Berechnungen zum Erheben der
Pauschalabgaben beruhten auf wissenschaftlich erhobenem Zahlenmaterial.
Auf Nachfrage ist dann zu erfahren, dass dieses Material nicht publiziert 
wird, da sie es selbst bezahlt haben...
Eine bemerkenswerte Interpretation von Wissenschaftlichkeit!

Kurzum: kein Externer hat Einsicht in die Zahlen. Dabei ist es von Interesse
ob und ggf. in welchem Umfang auch für freie Inhalte wie Wikipedia und 
Commons Abgaben eingefordert werden. 

Das sind unhaltbare Zustände, welche nur durch Einfordern von Transparenz
geändert werden können. Ich hoffe, dass dabei auch einigen Politikerinnen 
und Politiken bewusst wird, dass da einiges im Argen liegt und dringender 
Handlungsbedarf geboten ist. 

Ich bin der Überzeugung, dass wir auf zwei Ebenen vorgehen sollten:
- Bewusstseinsarbeit über das grundlegende Problem mit geistigem Eigentum
- konstruktive Vorschläge zur schrittweisen Verbesserung

Herzlicher Gruss,
Bruno

PS: Von Amerikanischer Seite wird zur Zeit massiv Druck auf die 
Schweiz aufgebaut, unser im Vergleich zu EU und USA liberale Urheberrecht
zu verschärfen und neue Strafnormen einzuführen. 

b.je...@bjinstitute.org / www.bjinstitute.org

Am 10.04.2013 um 19:56 schrieb Emmanuel Engelhart 
<emmanuel.engelh...@wikimedia.ch>:

> Hallo Bruno
> 
> Danke für dieses Email, ich unterstütze alle Punkte. Meiner Ergenzung:
> globaler und radikaler...
> 
> Urheberrechte sind ziemlich in-adaptiert zu der heutigen Situation. Man
> kann nicht weiter Etwas wie kopieren, direkt verbieten/versteuern dass
> so einfach wie atmen ist.
> 
> Nicht-kommerziell austauschen müssen erlaubt werden (mit allen
> Inhalten). Alle, auch du und ich, sollten auch eine Chance haben für
> ihre Kreationen Geld zu bekommen - auf den einfachsten Weg.
> 
> Ein von den Challenges der Verwertungsgesellschaften ist Systemen für so
> eine Zukunft zu nachdenken. Modellen wie https://flattr.com/ sollen
> diskutiert und inspirierend sein.
> 
> Ich bin überzeugt dass ohne eine Reform der Urheberrechte können die
> Verwertungsgesellschaften einfach nicht ihre Arbeit richtig leisten -
> auch mit der besten Willen.
> 
> Bis Freitag
> 
> Gruß
> Emmanuel
> 
> Le 07/04/2013 13:27, boje a écrit :
>> 
>> Hallo,
>> 
>> am kommenden Freitag findet die Veranstaltung der Verwertungsgesellschaften 
>> mit dem merkwürdigen Titel:
>> "Copyright vs. Internet" statt. Ein Stelldichein all derjenigen, welche an 
>> einer Ausweitung und Verschärfung der Urheberrechte und weiterer 
>> Schutzrechte interessiert sind. Solche Forderungen werden wesentliche 
>> Auswirkungen auf die Gesetzgebung und das Internet haben.
>> 
>> http://www.swisscopyright.ch/fileadmin/user_upload/news/Publikationen/copyright_vs._internet/COPYRIGHT_VS_INTERNET-GERMAN-FINAL-FOR-PRINT.pdf
>> 
>> Von Wikimedia Schweiz und der digitalen Allmend sind gemäss Teilnehmerliste 
>> bisher Emmanuel Engelhart und Bruno Jehle angemeldet. 
>> Um Euch bei den zu erwartenden und in diesem Umfeld wohl schwierigen 
>> Diskussionen im Rücken zu wissen, bitte ich um Input in Bezug auf unsere 
>> gemeinsamen Anliegen.
>> 
>> Verdankenswerterweise hat Daniel Boos einen Anfang gemacht und seine 
>> Anliegen formuliert:
>> ____
>> 
>> 1.) Transparenz im Sinne von Open Data/ Open Government- Wir wollen mehr 
>> Wissen. Gerade auch über die Finanzströme, Verteilungsreglemente, 
>> Tariferstellung
>> 
>> 2.) Einfachheit und Zugänglichkeit. In einer Gesellschaft bei der jeder mit 
>> URG und VWG konfrontiert ist, muss auch jeder das System schnell und einfach 
>> verstehen können. Man muss die komplizierten Systeme (mit 100 von Tarifen) 
>> vereinfachen und für jeden zugänglich machen. Es dürfen keine künstlichen 
>> Eintrittsbarrieren erstellt werden. 
>> 
>> 3.) Evidenzbasierte, effizente und effektive Verwertungsgesellschaften - 
>> Zielerreichung soll von unabhängiger Stelle und wissenschaftlich analysiert 
>> werden (eg. wird das Ziel von Bezahlung von Urhebern und Förderung von 
>> Kultur erreicht oder profitieren nur wenige Industrien).
>> 
>> 4.) Alternative Lizenzen müssen möglich sein. Mehr Rechte für die Urheber 
>> (unsere CC Debatte)
>> 
>> 5.) Freie Werke sollen nicht geschützte Werke quersubventionieren 
>> 
>> 6.) Internet ist nicht nur Urheberrecht sondern mehr. Das Urheberrecht darf 
>> nicht die Chancen des Internets zerstören. (Siehe Chancen von smart cities, 
>> m2m,  ehealth,  ganze persönliche oder social media Kommunikation. Sorry die 
>> URG relevanten Materialien die zum VERKAUF angeboten werden sind nur ein 
>> Bruchteil...)
>> 
>> 7.) Trennung Geldverteilung und soziale Aspekte der Verwertungsgesellschaft 
>> - Sie spielen alle mit dem Doppelmandat, dass sie den Künstler helfen und 
>> dass sie Verwertungsgesellschaften sind. Ich finde dazu braucht es zwei 
>> getrennte Organisationen. Die Leute schätzen SUISA nicht wegen dem Geld (das 
>> die meisten nicht bekommen), sondern wegen der anderen Unterstützung. Das 
>> ist aber nicht ihre Aufgabe.
>> ___
>> 
>> Nun möchte ich Euch bitten, mir mitzuteilen, welche Positionen ich Eurer 
>> Meinung nach im Sinne unserer gemeinsamen Anliegen vertreten soll. Ich könnt 
>> mich auch gerne per Telefon anrufen.
>> 
>> Herzliche Grüsse
>> Bruno
> 

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