Re: Befreiung der Haushalte , der Behörden, ... von Microsoft-Software

2020-05-12 Diskussionsfäden Kristian Rink

Am 13.05.20 um 00:22 schrieb JokerGermany:

Totgesagte Leben länger und sie sind ja nicht dumm.
Sie wollen bei SaaS ihre EIGENEN Kosten drücken, aber doch nicht beim
Kunden ihre eigenen Lizenzgelder überflüssig machen.



Ich erlebe das anders: MS geht mit Azure und den Online-Diensten in 
einen Markt, in dem sie eher kleineren und mittleren RZ-Providern und 
Systemhäusern das Wasser abgraben. Wenn ich Azure nutze, mit AD, 
Exchange-Server, virtualisierten Windows- Arbeitsplätzen und 
virtualisierten Linux-Servern in der Cloud, dann brauche ich noch 
weniger eigenes Blech oder Menschen im eigenen Zugriff, die dieses Blech 
betreiben - und bekomme das zwar sehr sicher etwas teurer, dafür aber 
"dynamischer" im Blick auf die Kosten (sprich ich kann nach oben *und* 
nach unten skalieren).


Das *ist* ein Problem, auch weil es für Unternehmen rein wirtschaftlich 
sehr wenig wirkliche Argumente gegen dieses Modell gibt. Insofern wäre 
es *noch* wichtiger, vergleichbare Offerten von lokalen (DE, EU), 
unabhängigen Dienstleistern zu bekommen, aber in derselben Qualität und 
derselben einfachen Zugänglichkeit (Account registrieren, Firma anlegen, 
Kreditkartendaten hinterlegen und los - die halbe Stunde, die im 
Corona-Lockdown etliche Firmen in meinem Umfeld "in die Cloud gebracht" 
hat). Deswegen hat man derzeit auch, wenn man Datenschutz, digitale 
Unabhängigkeit, ... propagiert, einen eher schlechten Stand.





Habe die Frage letztens in einer Behörde gestellt, da wurde mir gesagt:
"Dann nenn mir doch mal ein Programm mit dem man unter Linux vernünftig
die Clients managen kann."
Gut Frage, aber nicht mein Gebiet...



Ja. Genau das.

Und dort bin ich ehrlich gesagt extrem resigniert. Diese Diskussion ist 
so alt wie die Nacht, die habe ich mit unseren Kunden schon zu Windows 
NT - Zeiten diskutiert: Gruppenrichtlinien. Wir wollen einmal zentral 
für alle Nutzer konfigurieren, wie die Clients aussehen, was sie auf 
ihren Desktops (nicht) dürfen, wann der Rechner bei Inaktivität gesperrt 
wird, welche Netzlaufwerke verfügbar sind, ... . Das geht in aktuellen 
Windows-Umgebungen recht gut und integriert (wenig überraschend 
natürlich umso besser, je mehr der Stapel "rein Microsoft" ist - einen 
Firefox etwa kannst Du auch unter Windows auf diese Weise schlecht 
administrieren, weswegen er in vielen Microsoft-Umgebungen schlicht 
nicht verfügbar ist). Auf Linux geht es "auch irgendwie", aber bislang 
habe ich noch keine Umgebung gesehen, die es annähernd mit der 
Integration und dem Tooling einer "Microsoft-only" - Welt aufnehmen kann. :|



Um das Problem zu lösen, bräuchte es wohl sehr viel mehr Commitment zu 
"public money, public code" - bis hin zu Client- und Server-Systemen für 
die öffentliche Hand. Aber es bräuchte auch in der FLOSS-Community 
endlich mal ein Commitment, solche (wie gesagt seit langem immer wieder 
vorgetragenen) Argumente wegzubekommen. Das wäre bedeutend wichtiger, 
als zwei Dutzend marginal verschiedene Linux-Distributionen, ein halbes 
Dutzend mehr oder weniger gute Linux-Desktop-Umgebungen, ... zu haben.


Viele Grüße,
Kristian
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OT Vertrauen, Strukturen, Technologie (Re: Befreiung der Haushalte , der Behörden, ... von Microsoft-Software)

2020-05-12 Diskussionsfäden Kristian Rink

Hallo Roland;

Am 12.05.20 um 23:03 schrieb Roland Hummel:


"Erstaunt" deswegen, weil Sicherheit immer relativ und völlig sinnlos
ohne ein klares Bedrohungsmodell ist. Wer ist denn "der Feind"? Wen will
ich vor was genau schützen? Was brauche ich *genau*, um diese
Bedrohungen zu unterbinden und den Schutz zu erreichen, den ich will?


ich bin auch nach dem dritten Mal Lesen noch verwirrt: War das nicht
genau der Fragehorizont, den ich vorher schon bereits mit der Frage, vor
wem genau ich wirklich/besser/eigentlich Angst haben sollte, aufgeworfen
hatte?



Meine Frage zielte darauf ab, das etwas rationaler anzugehen, wie ich 
geschrieben hatte. Also:



- Welche Daten von mir liegen bei wem?

- Welche "dritte Partei" bekommt schlimmstenfalls Zugriff auf diese Daten?

- Was wären im schlimmsten Fall die Konsequenzen für mich, wenn das 
passiert?


- Wie wahrscheinlich ist, dass das passiert?


Einer der aus meiner Sicht negativen Aspekte aus den 
Snowden-Enthüllungen ist, dass es in weiten Teilen der Bevölkerung eine 
vergleichsweise pauschale, schlecht greifbare Angst vor einem 
"böswilligen Dritten" gibt, die nie wirklich hinterfragt wird. In meinem 
näheren Umfeld erlebe ich das gerade als ein "Element", das recht 
obskuren Verschwörungstheorien Auftrieb verschafft. Deswegen fände ich 
es gut, diese Themen durchaus mal im Detail zu betrachten.




Ja, alles schön ung gut, das "happy-path"-Argument lässt sich aber
genauso gut umdrehen: Ich soll also im Zweifel besser dem Angebot von
IT-Monopolist X vertrauen, weil der ja eine Rechtsabteilung hat, bei der
ich mich notfalls beschweren kann? 


Ich sagte auch nicht, dass es *leicht* ist. Aber ich sagte, dass es 
*geht. Siehe etwa Datenschutz und Twitter vs. "Mastodon/Fediverse": In 
ersterem Fall gibt es *eine* Firma, *eine* Organisation, die man im 
Zweifelsfall greifen und vor den Kadi zerren kann. In zweiterem Fal ist 
das ein Zusammenschluss von lose organisierten Individuen, die Dinge 
tun; unter Umständen erreichst Du nicht einmal alle Leute, die Du im 
Falle eines Missbrauches belangen müsstest, weil Du nicht weißt, wer 
hinter den Systemen steht.


Das Thema "Struktur/Rechtsabteilung" hat aber noch einen anderen Aspekt: 
Was glaubst Du, wer für Übergriffe durch "unerwünschte Dritte" ein 
leichteres Ziel ist - ein großer Konzern mit Strukturen und idealerweise 
transparenten Prozessen, in die in der Regel > 1 Mensch involviert sind? 
Oder ein Individuum, das allein und eigenverantwortlich einen Dienst pro 
bono betreibt?





Fernab solcher Reflexionen habe ich in praktischer Weise die Grenze in
der "Post-Vertrauens-Gesellschaft" durch die Frage gezogen, wo ich
sinnvoll etwas zu zivilgesellschaftlich kontrollierbaren IT-Systemen
beitragen kann: Bei Hardware gewiss nicht (weil wir Jahre davon entfernt
sind, eigene, offene Hardware produzieren zu können), bei Software
durchaus (weil es Freie Software in ausreichender Menge und Qualität
gibt - jedenfalls für meine Anforderungen). 


Wenn Du aber das und das mit der "Post-Vertrauens-Gesellschaft" wirklich 
so ernst und schwarz/weiß meinst, wie es ankommt, dann darfst Du getrost 
aufhören, IT zu nutzen. Was nützt zivilgesellschaftlich kontrollierbare 
Software, wenn die Hardware, die Netzwerk-Ausrüstung, ..., auf der diese 
Software läuft, fest proprietäre und intransparent sind? Über den 
Umstand, dass FLOSS nur allzu oft Sponsoring und Beiträge von 
Herstellern proprietärer Software und Dienste beinhaltet, reden wir hier 
gar nicht erst.


Das Minimum, was man in einer "Post-Vertrauens-Gesellschaft" will, ist 
strenge Verschlüsselung aller Daten, die auf Hardware sind, die in 
irgendeiner Form mit Netzen in Berührung kommt, und vermutlich reicht 
dann nicht mal das - weil es erfordern würde, dass man der Qualität und 
Unbrechbarkeit der Verschlüsselung vertraut (wovon dann nicht auszugehen 
ist).



Ich seh das im Moment anders: Vertrauen ist immer relativ. Ich muss 
abwägen, wem ich wie weit vertraue, und mich auf dieser Basis 
entscheiden, wie viel über mich ich demjenigen offenlege. Im Analogen 
wie im Digitalen.





Was nun Dienste im Netz betrifft halte ich es persönlich wie mit der
Wahl zwischen einem Apfel, den mir ein Kleingärtner beim Spaziergang
durchs Dorf anbietet und dem, was ich im Supermarkt geboten bekomme: Die
Angebote im Supermarkt mögen Güte-Siegel in vielfacher Form haben. Wenn
ich die Wahl habe gebe ich immer dem Kleingärtner den Vorzug, weil er
für die Welt, in der ich leben möchte, auf jeden Fall etwas richtiger
gemacht hat als die, die die Füllstoffe produzieren, die ich im
Supermarkt bekomme.



Ich kauf' mein Gemüse und auch meine Kartoffeln auch gern auf dem Dorf 
beim Bauer nebenan, weil ich den lieber unterstützen möchte als 
Agrar-Konzerne und industrielle Landwirtschaft. Und ich *weiß*, dass der 
kein Bio-Bauer ist, dass er mit Düngemittel und Pestiziden arbeiten 
muss, weil er sonst nicht ansatzweise so viel Ertrag haben könnte, um 
auch nur mit einer schwarzen Null aus 

Re: Befreiung der Haushalte , der Behörden, ... von Microsoft-Software

2020-05-12 Diskussionsfäden JokerGermany
Totgesagte Leben länger und sie sind ja nicht dumm.
Sie wollen bei SaaS ihre EIGENEN Kosten drücken, aber doch nicht beim
Kunden ihre eigenen Lizenzgelder überflüssig machen.

Windows wird
solange rennen, wie es geht.
Die Programmhersteller tun ihr übriges...

Ich gehe sogar einen Schritt weiter:
Sollte alle propritäre Software
abgeschafft werden, wäre Windows die letzte die abgeschafft wird...
=> Wenn man nicht nachtritt wird das Windows nicht sterben!

Habe die Frage letztens in einer Behörde gestellt, da wurde mir gesagt:
"Dann nenn mir doch mal ein Programm mit dem man unter Linux vernünftig
die Clients managen kann."
Gut Frage, aber nicht mein Gebiet...

Evtl. wird man immer experienteller mit Kundengängelung und
Datenaquise. Windows 10 macht das ja schon für Privatkunden sehr
schlau. Die Erstellung eines offline Kontos ist ja mittlerweile zu
einem "Findet Waldo" Spiel ausgeartet. Ich rechne damit, dass in
kürzester Zeit fest alle einen Microsoft Account haben. Das wird
wiederum dazu führen, dass der Besitz desselben wie bei WhatsApp als
Selbstverständlichkeit angesehen wird und das wird wiederum Microsoft
Online Dienste pushen, weil ja sowieso jeder einen Account besitzt.

Die kaputte Windows Suche hat letztens in einer Behörde vermutlich
einen ganzen produktiven Arbeitstag gekostet.
https://www.heise.de/newsticker/meldung/Windows-10-Suchfunktion-derzeit-fuer-viele-Nutzer-kaputt-Workaround-verfuegbar-4653892.html
Aber das ist ja normal...

Jedes Windows10 Update ist zu einer zitterpartie für Privatanwender
verkommen.
Wird alles als Gottgegeben angesehen...

Was z.B. in einer Behörde letztens aufkam:
"Wieso sind eigentlich die
Windows Server so gesprächig zu Microsoft, ich dachte wir hätten das
geblockt?"
"Ja bei den Windows 10 Pro Rechner haben wir die relevanten nti-
Tracking regeln eingestellt, das gilt aber nicht für Server"

Und was würde wohl tatsächlich bei einer Windows abküdnigung passieren?
Man kennt es von jedem Windows Wechsel: Es wird richtig Geld in die
Hand genommen für einen extendend support.
=> Rettungspaket für das arme Microsoft bei Abkündigung von Windows. 
 

Am Montag, den 11.05.2020, 17:32 +0200 schrieb Ilu:
> Im übrigen scheint auch Microsoft seine unternehmerische Zukunft in 
> freier Software (als SaaS) zu sehen. Ich gebe dem Betriebssystem
> Windows 
> noch 5 Jahre. Auch unter diesem Aspekt lohnt sich ein Agieren GEGEN 
> Windows nicht, Totkranke soll man nicht treten.

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Re: Befreiung der Haushalte , der Behörden, ... von Microsoft-Software

2020-05-12 Diskussionsfäden Roland Hummel
Hallo Kristian und Michael,

On 5/11/20 1:33 PM, Kristian Rink wrote:
>> Wieso erstaunt? Ich gehöre auch zu "denen", denn ich sage mir:
>> Mit FLOSS-Lösungen von "irgendjemandem" *könnte* ich verlieren, mit
>> Google *habe* ich verloren - jedenfalls unter einer
>> Sicherheitsperspektive, die "post Snowden" darüber reflektiert, vor wem
>> ich wirklich Angst haben sollte.
>>
> 
> "Erstaunt" deswegen, weil Sicherheit immer relativ und völlig sinnlos
> ohne ein klares Bedrohungsmodell ist. Wer ist denn "der Feind"? Wen will
> ich vor was genau schützen? Was brauche ich *genau*, um diese
> Bedrohungen zu unterbinden und den Schutz zu erreichen, den ich will?

ich bin auch nach dem dritten Mal Lesen noch verwirrt: War das nicht
genau der Fragehorizont, den ich vorher schon bereits mit der Frage, vor
wem genau ich wirklich/besser/eigentlich Angst haben sollte, aufgeworfen
hatte?

> Beispiel: XMPP, siehe [1]. Wir lernen: Auch dort fallen in relevantem
> und durchaus nicht unerheblichem Inhalt Metadaten an auf den Servern -
> der durchaus auch administrativ zu missbrauchen wäre und bei dem an
> vielen Stellen augenscheinlich eher "happy-path" angenommen wird, dass
> dort schon niemand Unsinn machen wird.
> 
> Eine Perspektive dort etwa: Google, Microsoft, ... sind zumindest klare
> Einheiten mit Rechtsabteilungen, an denen ich mich juristisch abarbeiten
> kann und die Prozesse und Verantwortlichkeiten haben. Die haben vor
> allem auch Prozesse und Möglichkeiten, sich ggfs. gegen Übergriffe durch
> unerwünschte Dritte zu wehren. Was ist mit (nicht negativ gemeint) einem
> Feld/Wald/Wiesen-Dienstleister, der von drei, vier Individualisten
> getragen wird? Hat der Prozesse und Transparenz, um ihm begründet zu
> vertrauen? Wie robust ist der etwa, sich gegen "Befindlichkeiten" auf
> Zugriff auf die Systeme, Herausgabe von Daten, ... notfalls zu
> verteidigen? Wie robust hat der seine IT im Griff, um "Durchgriff" gegen
> seinen Willen zu unterbinden? Wie "idealistisch" ist der wirklich, um
> nicht im Zweifelsfall doch einzuknicken, wenn ihn "jemand Externes" mit
> Geld zuschütten will für gewisse Gegenleistungen in einer Situation, in
> der gerade wirtschaftliche Unebenheiten zu überwinden sind?

Ja, alles schön ung gut, das "happy-path"-Argument lässt sich aber
genauso gut umdrehen: Ich soll also im Zweifel besser dem Angebot von
IT-Monopolist X vertrauen, weil der ja eine Rechtsabteilung hat, bei der
ich mich notfalls beschweren kann? Ein solches Vertrauen in unser
Rechtssystem habe ich verloren, tut mir leid. Nach mehrfachen
"Rechtsweg-Erfahrungen" als jemand, der sich keine
Rechtschutzversicherung leisten kann (was wohl der Mehrheit unserer
Gesellschaft so geht), sind juristische Rechte für mich "Eliten-Rechte".
Auf dem Papier sieht unser Rechtssystem wunderbar aus - in der Praxis,
nunja, ich will nicht zu ausschweifend werden aber meine letzte
Beschwerde bei einem größeren Unternehmen zog sich 4 Jahre hin. Danach
war mir klar, dass juristische Auseinandersetzungen nur insofern ein
evolutionärer Fortschritt sind als das Recht der körperlich Stärkeren
dem der materiell und/oder intellektuell Stärkeren gewichen ist. Das
Leben ist dadurch vielleicht unblutiger, aber nicht weniger "ernüchternd".
> Viele, die zu diesem Thema kommunizieren, argumentieren (zu Recht) mit
> Snowden und allem Verwandten, aber die Schlussfolgerungen sind mir
> teilweise zu fragwürdig. Nach wie vor etwa haben wir viel zu wenig
> Systeme, die wirklich konsequent (Meta)Daten, Nutzernamen,
> Kommunikation... verschlüsseln. Wir haben viel zu wenig Systeme, die
> schnelle und verlässliche Kollaboration und Datenhaltung erlauben, ohne
> Server zu benötigen. Wir haben viel zu wenig echt *vertrauenswürdige*
> Endgeräte-Systeme (auch bei Linux ist für Jane Doe das Vertrauen
> letztlich nur "Glauben", nicht "Wissen" oder gar einfache
> "Verifizierbarkeit" - spätestens "root" darf alles, und eigentlich
> reicht ein kompromittiertes Paket im Repository, das mit root-Rechten
> installiert und vielleicht betrieben wird, um verloren zu haben).

Da gehe ich mit, wobei auch die serverlosen Systeme nichts an der
Vertrauensfrage ändern, die für mich die wichtigste der gesamten Debatte
ist, allerdings nicht in der Form "Wem kann ich noch vertrauen?",
sondern: "Wann, weswegen und warum haben wir verlernt, das Vertrauen
ineinander derart zu missbrauchen?"

Fernab solcher Reflexionen habe ich in praktischer Weise die Grenze in
der "Post-Vertrauens-Gesellschaft" durch die Frage gezogen, wo ich
sinnvoll etwas zu zivilgesellschaftlich kontrollierbaren IT-Systemen
beitragen kann: Bei Hardware gewiss nicht (weil wir Jahre davon entfernt
sind, eigene, offene Hardware produzieren zu können), bei Software
durchaus (weil es Freie Software in ausreichender Menge und Qualität
gibt - jedenfalls für meine Anforderungen). Ich hoffe, dass die
Standards, die wir heute durch FLOSS für Software einfordern, in 20
Jahren auch für Hardware gelten. FLOSS ist für mich der erste Schritt in

Re: Befreiung der Haushalte , der Behörden, ... von Microsoft-Software

2020-05-12 Diskussionsfäden Florian Weimer
* Theo Schmidt:

> Sorry, das war etwas OT und selbst eine Speicherverschwendung, aber das 
> Kostenargument bei Office 365 dürfte trotzdem relevant sein, wenn z.B. 
> meine Kirchgemeinde allein dafür neu jedes Jahr einige zehntausend 
> Franken ausgibt, nur weil der Verantwortliche ein MS-Fan ist und es 
> allen anderen egal ist.

Ob das viel ist, kommt auf die Anzahl der Arbeitsplätze an. 8-/

Grundsätzlich halte ich das Kostenargument auch aus anderen Gründen
für verdächtig, weil es uns eigentlich um Dinge geht, die sich gar
nicht in Geld messen lassen. Ich möchte auch nicht in einer Branche
von Billigheimern arbeiten.
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Re: Befreiung der Haushalte , der Behörden, ... von Microsoft-Software

2020-05-12 Diskussionsfäden Dr. Michael Stehmann


Am 12.05.20 um 11:10 schrieb Henning Thielemann:
> 
> 
> Ich könnte mir vorstellen, dass sich Vereine oder Unternehmen eine
> Genossenschaft gründen, die alle möglichen IT-Dienste für ihre
> Mitglieder übernimmt. Die kann dann erstens in solchen Mengen Aufgaben
> übernehmen, dass man Lasten zwischen den Mitgliedern umverteilen kann,
> sprich: auch mal einzelne Mitglieder herunterskalieren, auf der anderen
> Seite aber unter der Kontrolle der Mitglieder bleibt. Das hätte auch
> wieder was mit Softwarelizenzen zu tun: Wenn die Genossenschaft mit
> freier Software arbeitet, kann sie selbst Programmierer beschäftigen,
> die die Software verbessert und diese Verbesserungen öffentlich
> verbreitet. Diese Genossenschaft wäre ja nicht auf den Verkauf von
> Softwarelizenzen angewiesen.

Gibt es schon:

https://www.hostsharing.net/

Aus der Satzung:

"Gegenstand der Genossenschaft ist die Bereitstellung von
Internetdiensten für Mitglieder,die Entwicklung von
Internet-Hostingkonzepten und Werkzeugen als OSS (Open SourceSoftware)
und der notwendigen Dokumentation, die möglichst der GPL bzw.
ähnlichenLizenzen unterliegen sowie sonstige Dienstleistungen, die mit
den vorstehenden Gegen-ständen in Verbindung stehen. Außerdem
unterstützt die Genossenschaft die Mitgliederbei der Weiterbildung in
den zuvor genannten Bereichen." (§2)

Gruß
Michael



signature.asc
Description: OpenPGP digital signature
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Re: Befreiung der Haushalte , der Behörden, ... von Microsoft-Software

2020-05-12 Diskussionsfäden Henning Thielemann


On Tue, 12 May 2020, Kristian Rink wrote:

Diese Themen sind aus meiner Sicht hinreichend relevant und spannend, 
aber absolut nichts, wofür die Lizenz von Software irgendwie maßgeblich 
wäre. Deswegen weiß ich nicht so recht, ob das (a) hier überhaupt Thema 
ist und (b) wie man das sinnvollerweise angehen kann. Und ich sehe auch 
durchaus Konfliktpotential: Selfhosting aus Perspektive "digitaler 
Autonomie" vs. eventuell Aspekte der Nachhaltigkeit / Ökologie?


Ich könnte mir vorstellen, dass sich Vereine oder Unternehmen eine 
Genossenschaft gründen, die alle möglichen IT-Dienste für ihre Mitglieder 
übernimmt. Die kann dann erstens in solchen Mengen Aufgaben übernehmen, 
dass man Lasten zwischen den Mitgliedern umverteilen kann, sprich: auch 
mal einzelne Mitglieder herunterskalieren, auf der anderen Seite aber 
unter der Kontrolle der Mitglieder bleibt. Das hätte auch wieder was mit 
Softwarelizenzen zu tun: Wenn die Genossenschaft mit freier Software 
arbeitet, kann sie selbst Programmierer beschäftigen, die die Software 
verbessert und diese Verbesserungen öffentlich verbreitet. Diese 
Genossenschaft wäre ja nicht auf den Verkauf von Softwarelizenzen 
angewiesen.


Am besten gäbe es mehrere Genossenschaften und es wäre einfach, zwischen 
den Genossenschaften zu wechseln. Nur für den Fall, dass bei einer 
Genossenschaft was aus dem Ruder läuft. Kommt ja immer wieder vor. Auch 
dafür wäre freie Software wichtig, damit man die gewohnte Software von 
einer Genossenschaft zur nächsten mitnehmen kann, falls sie da nicht 
ohnehin schon läuft.___
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Re: Befreiung der Haushalte , der Behörden, ... von Microsoft-Software

2020-05-12 Diskussionsfäden Kristian Rink

Hi Theo, *;

Am 12.05.20 um 09:34 schrieb Theo Schmidt:


Das glaube ich gerne. Es liegt auch daran, dass sich niemand für den 
Speicherplatz verantwortlich fühlt, wenn er nicht irgendwie beschränkt 
wird. Und die schlichte Unwissenheit auf allen Stufen. Einer meiner 
Kollegen mit vielen Qualifikationen ist trotzdem nicht in der Lage, den 
Text eines Dokuments zur Bearbeitung platzsparend zu verschicken, weil 
voll von hochaufgelösten und eingebetteten Bildern. Er weiss weder wie 
die Bilder zu reduzieren, noch sie zu verlinken (oder wegzulassen), und 
verschickt somit riesige Emails. Ganz schlimm sind die Einstellungen 
einiger Mailsclients, sämtliche Anhänge mit Antworten zurückzuschicken.




Volle Zustimmung. Ich als linux-sozialisiertes Lästermaul habe auch 
gerade heute erst meine "Lernkurve" und Erdung erfahren in erstmaliger 
Notwendigkeit, im Outlook im Web im Office 365 eine Nachricht 
beantworten zu müssen. Ich habe schlußendlich "nur" meine Antwort 
geschickt, weil es mir nicht gelungen ist, vernünftig die zwei Zeilen, 
die ich brauchte, zu zitieren.


Das Thema halte ich insofern schon für interessant, aber hier sehe ich 
zwei Baustellen, die mit FLOSS nur am Rande zu tun haben, für die ich 
aber keine Lösung kenne:



- Allgemein: Investition in nachhaltige, ressourcenschonende 
IT-Infrastruktur als ganzheitliches Konzept. Das berührt Speicherplatz 
und Bandbreite, das berührt aber auch Themen wie Platz-, Energie, 
Zeitbedarf (Menschen, die Kraft in den Betrieb von Technik investieren 
und dafür andere Dinge nicht tun können). Dort stelle ich mir manchmal 
schon die Frage, wie "effizient" ein KMU mit eigenem Serverraum hier ist 
im Vergleich zu Google oer Amazon, die das in extrem großem Stil und 
extrem optimiert machen bis zu einem Punkt, an dem sie sogar so etwas 
wie "green IT" systematisch steuern und beeinflussen können. Wenn ich 
mir nur [1] anschaue und vergleiche, mit welchen Problemen meine 
Organisation zu kämpfen hat, weiß ich, dass wir (und alle anderen, die 
ich im Umfeld kenne) *meilenweit* entfernt davon sind, sich solche 
Fragen auch nur stellen zu können.



- Konkreter: Optimierungsmöglichkeiten für kleinere Strukturen und 
Behörden in diesem Dunstkreis. In DE sehe ich nach wie vor Fachkräfte- 
und an vielen Stellen auch Budget-Mangel. Für die meisten 
Organisationen, mit denen ich zu tun habe, sind Ansätze wie Amazon oder 
Azure deswegen interessant, weil sie extrem gut in *beide* Richtungen 
skalieren. Brauch ich viel Ressourcen oder hoch verfügbare Dienste, 
bezahle ich viel. Brauch ich weniger Ressourcen, bezahle ich weniger. 
Habe ich weniger Geld, muss ich über meinen Ressourcenbedarf nachdenken. 
Mit self-hosted IT und Infrastrukturbetrieb in Eigenverantwortung, mit 
eigenen Leuten und Prozessen skaliert das für gewöhnlich nur in eine 
Richtung - nach oben; Rückbau von Infrastruktur und Personal bei weniger 
Last ist deutlich komplexer, wenn überhaupt möglich. Das ist aus 
wirtschaftlicher Sicht Mist (weil es Kosten ohne Nutzen verursacht), 
aber es ist auch als Nachhaltigkeitsperspektive eklig (weil ich unter 
Umständen Leute habe, die "da" sein müssen, aber nix Sinnvolles tun 
können, oder weil ich Server und Storage habe, die "halbleer" laufen, 
aber nicht reduziert werden können).


Diese Themen sind aus meiner Sicht hinreichend relevant und spannend, 
aber absolut nichts, wofür die Lizenz von Software irgendwie maßgeblich 
wäre. Deswegen weiß ich nicht so recht, ob das (a) hier überhaupt Thema 
ist und (b) wie man das sinnvollerweise angehen kann. Und ich sehe auch 
durchaus Konfliktpotential: Selfhosting aus Perspektive "digitaler 
Autonomie" vs. eventuell Aspekte der Nachhaltigkeit / Ökologie?


VG,
Kristian


[1]https://www.google.com/about/datacenters/efficiency/
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Re: Befreiung der Haushalte , der Behörden, ... von Microsoft-Software

2020-05-12 Diskussionsfäden Theo Schmidt



Am 11.05.2020 um 21:08 schrieb Florian Weimer:
...

Ich kenne nicht Office 365, aber die ganze Gsuite hat weniger
monatliche Kosten pro Benutzer als im Unternehmensumfeld der
Speicherplatz für E-Mail kostet (also der bloße der Speicherplatz, und
noch nicht der Betrieb der Mail-Anwendung an sich). Das Kostenargument
dürfte daher vermutlich nicht ziehen.


Das glaube ich gerne. Es liegt auch daran, dass sich niemand für den 
Speicherplatz verantwortlich fühlt, wenn er nicht irgendwie beschränkt 
wird. Und die schlichte Unwissenheit auf allen Stufen. Einer meiner 
Kollegen mit vielen Qualifikationen ist trotzdem nicht in der Lage, den 
Text eines Dokuments zur Bearbeitung platzsparend zu verschicken, weil 
voll von hochaufgelösten und eingebetteten Bildern. Er weiss weder wie 
die Bilder zu reduzieren, noch sie zu verlinken (oder wegzulassen), und 
verschickt somit riesige Emails. Ganz schlimm sind die Einstellungen 
einiger Mailsclients, sämtliche Anhänge mit Antworten zurückzuschicken.


In Uni und Gemeinde, wo ich früher arbeitete, werden viele MB-schwere 
PDFs erstellt und gemailt, selbst für wenige Seiten Text, z.B. weil da 
ein schweres Logo oder eine Unterschrift drin sind.


Selbst auf dieser Liste gelingt es nicht, die grässlichen Fullquotes 
auszumerzen. Ich habe schon die englischsprachige FSFE-Liste deswegen 
abbestellt. Es ist wirklich so, dass diese (durchaus nützliche!) Mails 
meinen knappen Speicherplatz zu sehr füllen. Es macht schon etwas aus, 
wenn wie bei dir vorbildlich zitiert wird, Florian (2.4 kB) oder bei 
einigen andern nicht (z.B. 10 kB), von den sonst üblichen Formatierungen 
ganz zu schweigen.


Sorry, das war etwas OT und selbst eine Speicherverschwendung, aber das 
Kostenargument bei Office 365 dürfte trotzdem relevant sein, wenn z.B. 
meine Kirchgemeinde allein dafür neu jedes Jahr einige zehntausend 
Franken ausgibt, nur weil der Verantwortliche ein MS-Fan ist und es 
allen anderen egal ist. Wenn ich nicht einen der Pfarrer unterstützen 
möchte, würde ich aus der Kirchgemeinde austreten und mir dadurch die 
Kirchensteuer ersparen.


LG, Theo
___
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