Re: Befreiung der Haushalte, der Behörden, ... von Microsoft-Software (ein Beispiel)

2020-05-13 Diskussionsfäden Kristian Rink

Hi Theo, *;

Am 13.05.20 um 14:46 schrieb Theo Schmidt:

> Auch kürzlich war das RAID "schuld". Auf einem neueren Laptop liess sich
kein Linux installieren und nicht einmal das Windows löschen, weil eine 
interne SSD mit der Festplatte zu einem Beschleunigungs-RAID verbunden 
waren, mit unerwarteten Eigenschaften.




Ah, sehr schön. Ich kenn diese Konstruktion, wir hatten eine Serie von 
HP EliteBooks mit diesem Setup. Glücklicherweise sind die weitestgehend 
ausgemustert mittlerweile... ;)







...In Microsoft Azure kann ich mir performante und
hochverfügbare FLOSS-Umgebungen bauen...


Vermutlich sind die Azure-Server mindestens im Land und nicht in den 
USA? Oder spielt das technisch fast keine Rolle mehr?




Naja, es hängt immer von den Use Cases ab, aber technisch spielt es mAn 
selten wirklich eine Rolle. Zwei Punkte:


- Du kannst in Modellen wie Azure (das geht auch bei AWS oder Google 
Cloud) *deutlich* leichter mit großer Hardware experimentieren. Storage 
mit extrem schnellen SSDs für I/O-intensive Anwendungen? Server mit 
vielviel RAM und CPUs für Last-Spitzen oder Anforderungen, die 
kurzzeitig oder dauerhaft viel Ressourcen benötigen? Breitere 
Internetanbindung, wenn mehr Nutzer auf dem System arbeiten und das 
Netzwerk in die Knie geht? Alles kein Problem, prinzipiell. *Sicher:* 
Dort brauchst Du auch bei Azure Geld, und diese Dinge sind *teuer*. Aber 
insbesondere für vorübergehende Anforderungen sind sie billiger, als 
sich vergleichbare Server selbst zu kaufen / zu finanzieren, den Prozess 
(Zeit, Aufwand) des Einkaufs mal gar nicht mit gerechnet. Und: Bei 
solchen Modellen (das kann auch unser Partner jetzt schon) kann ich 
allmählich skalieren, wenn ich wachse. Bei unseren eigenen HP-Systemen 
mit VMWare hatten wir turnusmäßig enorme "Sprung-Aufwände", weil mit dem 
Erreichen der Hardwaregrenzen meist notwendig waren (a) neue Server, (b) 
neue oder erweitere VMWare-Lizenzen und (c - im Allgemeinen schlimmster 
Posten) Aufwand für Migration von Daten und Maschinen. Wenn Du vier 
Dutzend große VMs und eine mittlere zweistellige Zahl an TB an 
Live-Storage auf neue Hardware migrieren willst und kaum Downtime haben 
darfst, ist das ein Projekt, das Dich eine ganze Weile beschäftigt. Über 
Vergrößerung oder Ersatz einer Internet-Standleitung mit dem Ziel 
schnellerer Anbindung reden wir in DE lieber gar nicht...


- Dadurch, dass die großen Anbieter international unterwegs sind, kannst 
Du Dinge realisieren, die Du im Selfhosting oder mit "lokalen" Partnern 
nicht hinbekommst. Eine unserer Schwesterfirmen sitzt in UK, sind um die 
50 Leute und betreut Kunden in UK - und Hongkong. An letzterem Standort 
war die Anforderung, dass die Server-Infrastruktur und die Daten vor Ort 
zu stehen haben. In Selfhosting auch ein Großprojekt. Mit Azure haben 
die Kollegen (die anders als wir sehr eng an dem ganzen Microsoft-Stack 
hängen) faktisch die Dienste in der Admin-UI in die andere Zone 
"geklickt" - problem solved. In unserem Markt ist Autodesk mit einer 
Collaboration-Lösung (BIM Field 360) unterwegs, die vor einigen Jahren 
mit viel Rummel angekündigt wurde - und von vornherein als "BIM 360 
powered by Amazon AWS" und dem Subtext: "*Selbstverständlich* werden wir 
als Autodesk für weltweit operierende Kunden *keine* eigenen Server 
betreiben. Das ist nicht unser Kerngeschäft und viel zu aufwändig und 
teuer - wir nutzen Amazon, die können das."



Persönlich bin ich nach wie vor der Freund regionaler Partner, bevorzugt 
solcher, die annähernd gleich groß wie die eigene Organisation sind, 
weil das gewisse Probleme verhindert, die man mit deutlich größeren 
Lieferanten durchaus haben kann. Aber in diesem ganzen Dunstkreis habe 
ich immer massiver die Sorge, dass der europäische IT-Sektor irgendwann 
gänzlich irrelevant wird - weil wir hier teilweise Firmen haben, die in 
2020 immer noch mit Low-Level-Dingen wie File- oder DB-Hosting 
beschäftigt sind und in nahezu allen relevanten Bereichen überholt 
werden von (leider vorrangig aus Übersee stammenden) Startups, die auf 
den großen Cloud-Diensten aufsetzen und dort schnell "in die Gänge" kommen.


Um das einzufangen, braucht es nicht mehr Regularien wie die DSGVO, 
obwohl diese Dinge auch ihre Berechtigung haben. Hier bräuchte es vor 
allem eine klare Strategie, europäische Alternativen zu Azure, AWS, ... 
zu fördern in geeigneten organisatorischen Strukturen, aber *genau* 
derselben Skalierbarkeit und Reichweite. Dort könnte auch FLOSS wieder 
helfen - Systeme wie eben OpenStack sind zumindest Open Source und 
könnten hier eine solide, offene technische Grundlage bieten. Aber es 
braucht "Akteure" (Firmen, große Genossenschaften, .?), die daraus 
ein Betriebsmodell bauen und entwickeln und das am "Markt" so weit 
etablieren, dass es konkurenzfähig mit Azure wird. Dort passiert aus 
meiner Sicht leider viel zu wenig...


Viele Grüße,
Kristian
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Re: Befreiung der Haushalte, der Behörden, ... von Microsoft-Software (ein Beispiel)

2020-05-13 Diskussionsfäden Theo Schmidt

Am 13.05.2020 um 12:51 schrieb Kristian Rink:

Hi Theo;

danke für die Erklärung.


Ebenso, Kristian!


... weil ein Ausfall
des RAID-Controllers und zweier Platten gleichzeitig das RAID-System
mitgenommen hat...


Hier haben wir eine Gemeinsamkeit. Auch unser LTSP-Server spuckte mit 
unerklärlichen Fehlern bis wir herausfanden, dass der 
Hardware-Controller mit einer halb-kaputter Platte dahinter stand. Wir 
hatten dann noch grosses Glück, dass am Ende nicht die gute Platte mit 
Inhalt der schlechten überschrieben wurde.


Auch kürzlich war das RAID "schuld". Auf einem neueren Laptop liess sich 
kein Linux installieren und nicht einmal das Windows löschen, weil eine 
interne SSD mit der Festplatte zu einem Beschleunigungs-RAID verbunden 
waren, mit unerwarteten Eigenschaften.




...In Microsoft Azure kann ich mir performante und
hochverfügbare FLOSS-Umgebungen bauen...


Vermutlich sind die Azure-Server mindestens im Land und nicht in den 
USA? Oder spielt das technisch fast keine Rolle mehr?


LG, Theo
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Re: Befreiung der Haushalte, der Behörden, ... von Microsoft-Software (ein Beispiel)

2020-05-13 Diskussionsfäden Kristian Rink

Hallo Roland, *;

Am 13.05.20 um 13:38 schrieb Roland Hummel:


Die Frage wäre nun für mich (ohne Ironie): Ist das dann die Freiheit,
die Freie Software ursprünglich mal meinte/wollte? Hat die FSFE dann ihr
primäres Ziel erreicht?


Das ist eine interessante Frage... ;) ... und aus meiner Sicht die 
Zuspitzung des Diskurses "Open Source" vs. "Software Libre". Meine 
Antwort wäre "nein, ganz im Gegenteil".


Dort gibt es ja noch andere Schwierigkeiten, etwa: Würde es Facebook, 
Google, Amazon heute geben, hätte es "damals" kein Software Libre 
gegeben, sondern nur Microsoft, Windows NT, ASP, SQL Server und den IIS?


Die Kehrseite von FLOSS hier: Eine große Menge von Enthusiasten und 
Idealisten wird zu unbezahlter Workforce für große Konzerne und in einem 
Geschäftsmodell, in dem (anders als bei proprietärer Software "in der 
Box") die GPL als Lizenz eher nutzlos ist. Eigentlich ist die AGPL 
derzeit die weit wichtigere Lizenz - und die wird unter Umständen auch 
durch Modelle wie "FLOSS-Hosting auf Azure" wieder ausgehebelt.


Mich würde entlang dessen interessieren, wie viele Menschen sich im 
FSF(E)-Umfeld überhaupt mit solchen Themen beschäftigen. In vielen 
Diskussionen erlebe ich hier immer noch einen sehr ausgeprägten Fokus 
auf eigenen Servern, Linux-Desktops und dergleichen, was zumindest in 
meinem eng begrenzten Mikrokosmos eher nachrangige Bedeutung hat.


Viele Grüße,
Kristian

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Re: Befreiung der Haushalte, der Behörden, ... von Microsoft-Software (ein Beispiel)

2020-05-13 Diskussionsfäden Roland Hummel
Hallo Theo und Kristian,

On 5/13/20 11:42 AM, Theo Schmidt wrote:
> Fazit: es ist immer ein politischer Entscheid, ob man die übliche
> Komfortlösungen wählt und dabei z.B. die Weltraumpläne von Jeff Bezos
> unterstützen will, oder sich mit lokalen Individuallösungen abmüht. Und
> beim Energieverbrauch kann ich mir nicht vorstellen, dass auch die
> effizientesten Green-IT Cloud-Lösungen sparsam sind, wenn man die ganze
> Infrastruktur des Internets einrechnet, besonders wenn es dann noch
> drahtlos gehen soll, wie immer mehr gefordert wird.

On 5/13/20 12:51 PM, Kristian Rink wrote:
> ...
> Finally: Als Unternehmen komme ich hier in Handlungszwang - nicht nur
> politisch, sondern auch wirtschaftlich in zweierlei Dimension. Zum einen
> bieten Azure, Google, ... teilweise Preismodelle an, mit denen lokale
> Partner schlecht mithalten können. Zum anderen aber wird der
> Konkurrenzdruck deutlich größer, weil Marktbegleiter in die eigene
> Nische eindringen und deutlich wirkungsvoller sein können, wenn sie
> gleich auf derartige Technologien aufsetzen und fokussiert und schnell
> vorgehen können, ohne die Steine aus dem Weg räumen zu müssen, mit denen
> wir uns in der Vergangenheit und teilweise noch Gegenwart herumschlagen
> mussten. Ersteres ist nur nervig, zweiteres potentiell ruinös. Und in
> dieser Gemengelage bewegt sich anno 2020 die Idee von "Software Libre"
> und teilweise eine unscharfe Abgrenzung zwischen "Freier Software",
> "Nachhaltigkeit", "digitaler Unabhängigkeit" und Selfhosting (teils auch
> vor einem "es-war-schon-immer-so"-Hintergrund). Und ich denke eben,
> konkret mit Blick auf Azure und FLOSS-Stacks dort drin, dass zurzeit
> FLOSS nicht hilft, solche Probleme einzufangen - ganz im Gegenteil. Mit
> Azure verdient Microsoft an Freier Software, während gleichermaßen ein
> "Libre-" oder auch nur "unabhängiges" vergleichbares Hosting in dieser
> Ausbaustufe fehlt. Ich kann perfekt "FLOSS" nutzen und trotzdem einen
> Monopolisten unterstützen. Deswegen denke ich mehr als nur einmal, in
> 2020 wäre Lösung genau dieses, des Hosting-Problems, mit mehr Fantasie
> als nur "Eigenbetrieb" oder Genossenschaft (wobei letzteres Modell schon
> mal gut ist) deutlich wichtiger in der Diskussion als die Frage nach den
> Lizenzen für den Source-Code...

danke für die sehr eindrücklichen persönlichen und daher für mich
besonders aufschlussreichen Erfahrungsberichte anderer Lebenswirklichkeiten.
Im Anschluss an Kristians Abschlusspassage stellt sich mir folgende
Frage vor folgendem Gedankenspiel:

Mal angenommen, die FLOSS-Bewegung hat es erreicht, dass FLOSS zur nicht
mehr hinterfragten Selbstverständlichkeit geworden ist (bspw. wie die
Inhaltsangaben auf Nahrungsmittelverpackungen). Zugleich hat unser
Wirtschaftssystem dazu geführt, dass aus den aktuellen großen
IT-Monopolisten durch offizielle Fusionen oder stillschweigenden
Absprachen oder Firmen wie Black Rock, die bei diesen IT-Konzernen zum
größten Anteilseigner werden, faktisch ein einziger geworden ist (wie
gesagt: nur mal angenommen). Dieses Konstrukt entwickelt und "provided"
nun alles, womit weltweit gearbeitet wird (es finanziert auch
entsprechende ThinkTanks, die für neue Ideen sorgen, um disruptive
Entwicklungen sofort einverleiben zu können). Eigenentwicklungen sind
nach wie vor möglich, macht aber niemand, weil die Wettbewerbsstandards
Einzelwegen keine Chance lassen, auch nur ansatzweise mit dem Rest
mitzuhalten, schon allein, weil die FLOSS-Projekte zu riesig und die
Standards zu komplex sind, um sie mit kleinen Kollektiven zu forken.
Die Frage wäre nun für mich (ohne Ironie): Ist das dann die Freiheit,
die Freie Software ursprünglich mal meinte/wollte? Hat die FSFE dann ihr
primäres Ziel erreicht?

Gruß
Roland



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Re: Befreiung der Haushalte, der Behörden, ... von Microsoft-Software (ein Beispiel)

2020-05-13 Diskussionsfäden Kristian Rink

Hi Theo;

danke für die Erklärung. Ich kenne ähnliche Situationen, habe meine 
eigene Geschichte und sehe andere Problempunkte - eben einige der schon 
beschriebenen: Ehemals "Admin", dann IT-Leiter in einem KMU, das einen 
datenintensiven, sehr branchenspezifischen Nischendienst anbietet. Wir 
waren auf den Servern immer Linux, auf den Clients immer Windows, weil 
viele der Fachanwendungen in der Nische (CAD, Planungssoftware) nicht 
unter Linux verwend- oder ersetzbar sind.


Wir haben im Grunde "full stack" alles in der Hand vom Blech bis hin zu 
den Fachanwendungen, die die Dienste für Nutzer intern und extern 
bereitstellen. Mehrwert schaft die Entwicklung (Programmierung) 
spezifischer Lösungen innerhalb der Nische mit relativ schmalen Margen. 
Betrieb der darunterliegenden Infrastruktur war und ist schon immer 
"nur" Kostenpunkt gewesen, etwas, was eben einfach notwendig, aber 
schlecht optimierbar war. Über lange Zeit haben wir das mit 
PC-Infrastruktur bewältigt, bis das schlicht aus Stabilitätsgründen 
nicht mehr funktioniert hat - die PCs, Laufwerke, irgendwann auch 
Netzteile sind unter der 24x7-Last schlicht ausgestiegen. Wir haben 
mehrfach pro Monat Backups zurückgesichert und immer mal wieder Daten 
verloren, weil Dinge kaputtgegangen sind.


Irgendwann haben wir "richtige" Server gekauft, Blech und Storage von 
IBM. Mit Support, dafür aber eben auch mit "anderen" 
Linux-Distributionen. Wenn man next-business-day - Hardwaresupport vor 
Ort will, will die IBM kein Debian, sondern RedHat oder SuSE. Also 
Wechsel der Distribution, mit hinreichend komplexem Umbau von Backup, 
Hosting der Anwendungsserver, ... . Das hat immer mehr und immer 
massiver Zeit gefressen, und die Software-Entwicklung für 
Kundenprojekte, die *eigentlich* unser Geschäft sind, wurde zunehmend 
Nebenbeschäftigung hinter der Betriebssicherung der Infrastruktur 
darunter. Erste Virtualisierungs-Versuche mit VMWare sind grandios 
gescheitert, weil die VMWare-Infrastruktur damals (erste oder zweite 
Version von ESXi Server) viel zu inperformant für unsere Anforderungen 
war. Irgendwann zwischendrin ist uns die CentOS/IBM-Infrastruktur 
zusammengebrochen und wir hatten mehrere Tage Downtime, weil ein Ausfall 
des RAID-Controllers und zweier Platten gleichzeitig das RAID-System 
mitgenommen hat. An diesem Punkt bin ich aus dem Urlaub zurückgefahren 
in der Erkenntnis: Das Linux-System ist sehr effizient und 
leistungsfähig - aber es gab damais in unserem Umfeld (außer mir) 
niemanden, der wirklich imstande war, das in seiner Gänze zu überblicken.


Irgendwann gab es einen zweiten Versuch mit VMWare und HP-Servern, der 
dann gut funktioniert hat und lang gelaufen ist. Dann ist uns in einem 
Jahr vor Weihnachten unter der Endjahreslast (Abgaben vorm 
Jahreswechsel) die Netzwerk-Infrastruktur zusammengebrochen.


Momentane Lösung, seit einigen Jahren: Wir besitzen keine eigene 
Hardware mehr, sondern "mieten Ressourcen" auf Abstraktionsebene von VMs 
mit CPUs, RAM und Storage in verschiedenen Güteklassen (schnell/langsam, 
mit/ohne Backup) im RZ eines lokalen Partners. Dort haben wir eine 
gegenseitige Abhängigkeit (ohne den können wir unser Geschäft nicht mehr 
tun, ohne uns fällt dem ein substantieller Teil des monatlichen Umsatzes 
weg), aber es funktioniert stabil.


Viel wichtiger aber: Dieses Modell ist möglicherweise teurer, als 
Hardware und Software selbst vorzuhalten. Aber es ist *deutlich* 
billiger, als Hardware und Software *und* Personal, Prozesse, Wissen, 
Qualifikation ... für deren Betrieb immer selbst vorzuhalten. Aus dieser 
Brille ist die Entwicklung für mich sogar konsequent, nahtlos, 
folgerichtig: Irgendwann gab es einzelne Rechner, für die Software 
individuell entwickelt wurde durch die Leute, die die Maschine kannten. 
Irgendwann gab es Betriebssysteme für eine Klasse von Maschinen - die 
Betriebssystem-API war "Schnittstelle", und die Anwendungsentwickler 
obendrüber mussten nicht zwingend die Maschinen kennen (und die 
Betriebssystementwickler "darunter" nicht mehr zwingend die 
Anwendungs-Use-Cases). Irgendwann gab es Virtualisierung auf 
Maschinenebene, und plötzlich mussten Betriebssysteme nicht mehr auf 
spezifischem Blech laufen, konnten Betriebssysteminstallationen mit 
Anwendungen darauf zwischen Maschinen verschoben, portiert, ... werden. 
Irgendwann gab es VMs in der "Cloud", bei der man zwar wusste, das 
natürlich Hardware untendrunterliegt, sich darum aber gar keine Gedanken 
mehr machen musste. Die Schnittstelle zwischen "Anwendung" und 
"Infrastruktur", zwischen "eigener Arbeit" und "Einkaufbarem" rutscht 
stückweise höher - was erwartungskonform ist, weil es überall anders in 
einer arbeitsteiligen, sich immer mehr spezialisierenden Gesellschaft 
genau so läuft.


Und ich denke durchaus, dass das auch für Nachhaltigkeit gut ist. Etwa: 
Stand heute bräuchten wir aus Redundanzgründen eigentlich mindestens 
vier Leute um Systems Engineering - von denen sich aber mindestens zwei 
immer 

Re: Befreiung der Haushalte, der Behörden, ... von Microsoft-Software (ein Beispiel)

2020-05-13 Diskussionsfäden Theo Schmidt

Am 12.05.2020 um 10:17 schrieb Kristian Rink:

Hi Theo, *;


...

Das Thema halte ich insofern schon für interessant, aber hier sehe ich
zwei Baustellen, die mit FLOSS nur am Rande zu tun haben, für die ich
aber keine Lösung kenne:


- Allgemein:  Dort stelle ich mir manchmal
schon die Frage, wie "effizient" ein KMU mit eigenem Serverraum hier ist
im Vergleich zu Google oer Amazon, die das in extrem großem Stil und
extrem optimiert machen bis zu einem Punkt, an dem sie sogar so etwas
wie "green IT" ...


- Konkreter: ...Für die meisten
Organisationen, mit denen ich zu tun habe, sind Ansätze wie Amazon oder
Azure deswegen interessant, weil sie extrem gut in *beide* Richtungen
skalieren ...

Diese Themen sind aus meiner Sicht hinreichend relevant und spannend,
aber absolut nichts, wofür die Lizenz von Software irgendwie maßgeblich
wäre ...


Hallo Kristian,

Ich glaube es gehört schon alles ein bisschen zusammen. Ich kann hier 
nur meine eigene Geschichte erzählen, die zeigt, dass es eigentlich nur 
um den Willen geht: den eigenen politischen und den guten der Mitarbeiter.


Ich bin der Gatte einer ehemaligen Geschäftsführerin einer kleinen 
Organisation mit anfänglich 2, später 8 Arbeitsplätzen und half bei der 
IT mit. Anfänglich MS-DOS, der Wechsel zu Mac scheiterte weil ich als 
Mac-User realisierte, wie extrem die Abhängigkeit zu Apple war: 
einfachste Hardwarefehler liessen sich nicht reparieren (oder brauchten 
Monate) und das ehemalige geschlossene System kam nicht gut zurecht mit 
dem Internet und fremder Hardware und stürzte dauernd ab.


So kam Windows, und es war recht teuer. Ich kann mich erinnern, dass 
unser Profi-Support acht Stunden aufschrieb für die Einrichtung eines 
Zip-Laufwerks. Deshalb untersuchte ich Linux, und obwohl ich es sehr 
schwierig fand, konnte ich meine eigene IT umstellen und später auch des 
Geschäfts. Wir kauften entweder aktuelle Spargeräte oder verwendeten 
gebrauchte PCs oder solche aus dem Abfall. Durch das 
Terminal-Server-Thin-Client System LTSP war die Administration pro 
Arbeitsplatz recht günstig und im Prinzip wäre auch "Homeoffice" 
gegangen. Unsere Internetdienste hostete der erste solare Anbieter der 
Schweiz.


Kleine Probleme belasteten die Geduld, z.B. die Verwendung von 
USB-Sticks war mühsam. Ich veranstaltete mal einen Wettbewerb unter 
Profis und keiner konnte unsere Medien zuverlässig mounten. Dieses 
Problem hatte Windows nicht Dieses hatten wir für einige Programme 
virtuell dabei, wenn es mit WINE nicht ging. Dafür hatte wir nie 
irgendwelche Sicherheitsprobleme und brauchten kein Anti-Virus Zeug, 
während Kollegen immer wieder ihre Systeme oder Daten verloren. Wenn bei 
uns Festplatten ausfielen, war das zwar etwas traumatisch, aber mit dd 
oder so wurden schnell wieder neue von den Backups auf externen 
Festplatten eingerichtet.


Zu der Zeit brauchten die Linux-Systeme ähnliche Hardwareressourcen wie 
Windows, aber wir ersparten uns das Lizenzchaos und das regelmässige 
Eintippen von 20-stelligen Zahlen. Ein Pproblem war, dass es keinen 
zuverlässigen lokalen Support gab. Die Anbieter und ihre Angestellten 
wechselten dauernd, aber bei Mac und Windows war es mir nicht besser 
gegangen, ausserhalb von Userkreisen. Deswegen konnten einige Probleme 
und Wünsche der Mitarbeiter nicht immer oder nicht immer schnell gelöst 
werden. Sie waren zufrieden, wenn alles lief, und wenn nicht, war Linux 
oder Open Office, etc. schuld. Aber insgesamt konnten die Systeme mit 
Hilfe der wechselnden lokalen Profis doch zuverlässig unterhalten 
werden, die Wertschöpfung blieb vor Ort.


Ungefähr zwei Jahrzehnte ging das recht gut. Die Kosten waren, so weit 
ich das beurteilen konnte, ziemlich niedrig, und die Hardwarekosten sehr 
niedrig.


Mit dem Wechsel der Geschäftsleitung änderte alles. Komplett neue, 
Windows-taugliche Geräte wurden angeschafft, aber auch neue Bildschirme 
usw. Die einfachen Router und Switches wurden durch einen grossen Rack 
voll dauernd blinkenden und niemals ruhenden Geräten ersetzt. Backups 
via Dropbox. So weit ich das beurteilen kann, ist es jetzt viel teurer 
und braucht mehr Strom, von grauer Energie gar nicht zu sprechen, für 
etwa dieselbe Funktionen wie vorher.



Fazit: es ist immer ein politischer Entscheid, ob man die übliche 
Komfortlösungen wählt und dabei z.B. die Weltraumpläne von Jeff Bezos 
unterstützen will, oder sich mit lokalen Individuallösungen abmüht. Und 
beim Energieverbrauch kann ich mir nicht vorstellen, dass auch die 
effizientesten Green-IT Cloud-Lösungen sparsam sind, wenn man die ganze 
Infrastruktur des Internets einrechnet, besonders wenn es dann noch 
drahtlos gehen soll, wie immer mehr gefordert wird.


LG, Theo
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