On 28.01.2018 13:04, Stefan Nagy wrote:
Es geht nicht darum, dass der Name der nach wie vor existierenden
Vorstadt Nikolsdorf vergessen wurde; die Vorstadt existiert nicht
mehr.
Sie existiert schon noch, sie ist nur mit anderen Vorstädten
zusammengewachsen - genauso wie Wien im Südwesten mit Perchtoldsdorf,
Brunn am Gebirge, Maria Enzersdorf, Hinterbrühl, Gießhübl, Mödling,
Guntramsdorf, Wiener Neudorf und Vösendorf siedlungsmäßig
zusammengewachsen ist, nur administrativ sind die noch eigenständig.
Wenn man die place-Nodes der Wiener Vorstädte rauslöscht, müsste man
konsequenterweise auch die place-Nodes von Mödling usw. löschen und
nur die admin-Grenzen lassen.
Für mich ist der Vergleich so absurd, dass ich gar nicht weiß, was ich
da antworten soll… Also wir haben da offensichtlich so unterschiedliche
Weltwahrnehmungen, dass eine diesbzügliche Verständigung schlicht
unmöglich ist. Auch OK – sowas gibts.
Nach den bisherigen Erfahrungen bin ich überzeugt, dass eine Verständigung
auch in diesem Punkt zwischen uns möglich ist, zumindest so weit, dass du
meinen Vergleich nicht als absurd ansiehst. Du hast zwar geschrieben, dass
es nicht darum geht, dass der Name vergessen wurde, aber ich habe doch den
Eindruck, dass der Bekanntheitsgrad des Namens den Ausschlag gibt, warum du
Nikolsdorf aus der Karte raus haben willst und Grinzing oder Mödling nicht.
Wenn du schon als Kind von Nikolsdorf gehört hättest, in welcher Weise auch
immer, wär dessen Existenz für dich so selbstverständlich, dass du den
Thread gar nicht gestartet hättest.
Ich habe mein ganzes Leben im 10. Bezirk gewohnt. Laaerberg, Wienerberg,
Oberlaa, Unterlaa, Hansson-Siedlung, ich kannte alles wie meine
Westentasche. Als aber in den Nachrichten stand, dass die U1 nach
Rothneusiedl verlängert werden soll und dort ein Einkaufscenter und ein
Fußballstadion gebaut werden sollen, fragte ich mich, wo oder was
Rothneusiedl denn sein soll. Im Stadtplan auf wien.at wird Rothneusiedl
mitten in den Äckern angezeigt. Tatsächlich waren genau dort in den Äckern
die Baumaßnahmen geplant. Warum heißen Äcker seit Jahrhunderten
Rothneusiedl? Haben Leute im 18. Jahrhundert die Besiedlung im 21.
Jahrhundert schon vorausgeahnt? Erst meine Beschäftigung mit OSM und mit
alten Karten brachte mir die Erkenntnis, wo dieses Rothneusiedl wirklich
war. Es gibt dort sogar eine Kirche, die aber so unscheinbar ist, dass sie
mir beim Vorbeifahren nie auffiel. Ist das jetzt eine Siedlung, die es
verdient als place=suburb gemappt zu werden oder nur neighbourhood oder gar
nicht? Seit wegen der Planungen Rothneusiedl in aller Munde ist, wird
vermutlich niemand die Löschung des place-Nodes aus OSM befürworten. Es ist
aber wirklich nur der Bekanntheitsgrad des Namens, der sich durch die
Planungen geändert hat. Die Siedlung dieses Namens hat in keiner Weise an
"Identität" gewonnen, ganz im Gegenteil, das geplante Shoppingcenter beraubt
Rothneusiedl seiner (ländlichen) Identität. Es wird einen großen Parkplatz,
einen Hofer, einen Billa, einen Libro, einen C&A usw. geben, wie in tausend
anderen Einkaufszentren auch.
Die Frage ist, wie im Projekt mit solchen Situationen umgegangen wird.
Bei der Wikipedia kenn ich mittlerweile die Vorgangsweise halbwegs, ich
würde da jetzt erst einmal eine dritte Meinung einholen. Aber bei OSM
bin ich noch nie vor so einer Situation gestanden. Hat sich da
irgendeine Vorgehensweise etabliert?
Die deutschsprachige Wikipedia ist meines Wissens eine Oligarchie von
Herzipinki & Co. OSM ist auch nicht viel anders, das Tagging entscheiden
hauptsächlich die Carto-Committer, Editor- und Validatorentwickler. Auch
Administratoren und Moderatoren können Einfluss nehmen, z.B. indem sie einen
User, der anderer Meinung ist, sperren. Wer keines dieser Privilegien
besitzt, kann Erfolg haben durch heimliche Wiki- und Datenedits (ohne
Änderungskommentar oder mit einem Kommentar wie "Qualitätssicherung"). In
Diskussionen schadet es nicht, ein paar Freunde zu haben, die sich bei
Bedarf gemeinsam in den Diskussionsgegner verbeißen.
Im deutschsprachigen Wiki-Artikel steht "eine geografische oder soziale
Bezugsstruktur innerhalb einer Großstadt (place=city) […] welche sich
räumlich/geografisch und auch oft von der sozialen oder ethnischen
Struktur seiner Bewohner her von anderen Stadtvierteln abgrenzt".
Keines dieser Kriterien wird erfüllt.
In der englischen Version steht was ganz anderes. Ich verstehe nicht, warum
Deutsche und Russen immer wieder abweichende Definitionen aufstellen wollen
und damit die internationalen Standards untergraben.
Die zitierte Definition klingt schwulstig, ist aber trotzdem unscharf. Was
soll man sich unter einer "geografischen oder sozialen Bezugsstruktur"
vorstellen? Auch eine Familie oder ein Sport- oder Pensionistenverein sind
soziale Bezugsstrukturen. Als Beispiel für eine geografische Bezugsstruktur
fallen mir die Alpen ein. Der Hinweis auf "andere Stadtviertel" scheint mir
unpassend, denn das Wort "andere" impliziert, dass auch das
place=neighbourhood selber ein Stadtviertel ist. Stadtviertel sind aber
größere Einheiten, z.B. place=quarter.
--
Friedrich K. Volkmann http://www.volki.at/
Adr.: Davidgasse 76-80/14/10, 1100 Wien, Austria
_______________________________________________
Talk-at mailing list
Talk-at@openstreetmap.org
https://lists.openstreetmap.org/listinfo/talk-at