Re: Upcycling Android

2021-11-26 Diskussionsfäden Kristian Rink

Hallo alle;

vorab: Sinnvolles Projekt, ich hoffe, dass das perspektivisch mehr 
Bewegung hin zu nachhaltiger, längerer Nutzung von Hardware bringt. 
Einzige Anmerkung:


Am 25.11.21 um 21:40 schrieb Alexander Dahl:



Hier braucht es politischen Druck auf die Hersteller. In dem konkreten
Fall müsste Qualcomm verpflichtet werden nach Abkündigung des
verwendeten SoC die entsprechenden Quellen und Pläne freizugeben.

Und so lang das Gerät noch auf Binary Blobs angewiesen ist, die nicht
frei sind und nicht aktualisiert werden, ist es zumindest aus Security
Sicht nun ja schwierig. Zumindest sollte man das Nutzer*innen klar
kommunizieren.



Den Punkt sehe ich, dort würde ich noch anfügen: Woher bekommt man für 
Android-Geräte halbwegs "langfristig" stabile und vertrauenswürdige 
alternative Software? Bei sämtlichen Geräten, die ich bislang in der 
Hand habe, waren zwei Effekte zu beobachten:


- Abseits von Lineage, CalyxOS und den großen Projekten, die oft nur 
eine sehr schmale Bandbreite an Hardware unterstützen: Alternative ROMs 
kommen häufig aus dem Umfeld der XDA-Foren und häufig von Quellen, deren 
Vertrauenswürdigkeit sich kaum verifizieren lässt. Dort ist es schwer zu 
bewerten, ob der Einsatz solcher Software sinnvoll oder eher riskant 
ist. Selbst als technisch fortgeschrittener Nutzer ist es fast 
aussichtslos zu reviewen, ob in einem Custom-ROM irgendwelche 
unerwünschten Eigenschaften eingebaut sind.


- Für viele Geräte ist der "Markt" an alternativen ROMs leider insgesamt 
klein bis nicht existent und/oder hängt an einzelnen Akteuren. Im Umfeld 
erst vor einigen Wochen erlebt: Das Custom-ROM für das alte Moto-Telefon 
einer Freundin wird nicht mehr gepflegt, weil sich der einzige aktive 
Maintainer ein anderes Gerät gekauft hat. Diese Konstellation ist zwar 
potentiell nachhaltiger aus Sicht von Hardware, weil weniger noch 
funktionierende Technik weggeworfen wird, aber sie steht auf recht 
tönernen Füßen von mehrheitlich der freiwilligen Arbeit einzelner 
Enthusiasten, mit denen dann auch die Verfügbarkeit von Updates für das 
Gerät steht und fällt - damit ist die längere Nutzung erstmal nur eine 
Option, aber mitnichten sinnvoll planbar.


Vielleicht ist die Aktion ein guter erster Schritt, um hierfür bessere 
Lösungen zu entwickeln...


Viele Grüße,
Kristian


___
FSFE-de mailing list
FSFE-de@lists.fsfe.org
https://lists.fsfe.org/mailman/listinfo/fsfe-de

Diese Mailingliste wird durch den Verhaltenskodex der FSFE abgedeckt.
Alle Teilnehmer werden gebeten, sich gegenseitig vorbildlich zu
behandeln: https://fsfe.org/about/codeofconduct


Re: Nachhaltigkeit und Freie Software (war: Ethische Lizenz)

2021-07-28 Diskussionsfäden Kristian Rink

Hallo Roland;

danke, ich werd's mal versuchen. Die Grund-Herausforderung, die ich dort 
immer wieder erlebe, ist analog zu anderen digitalen Themen: Die 
"Lücke", die es zu überwinden gilt, ist viel zu groß. Das sind oft(?) 
Menschen, die hier zwei Meilen weit zurück sind und denen Zeit, 
Interesse fehlt, erstmal die Voraussetzungen dafür zu haben, "Digitales" 
überhaupt als für Nachhaltigkeit relevantes Thema wahrzunehmen. Das ist 
vermutlich weit weniger offensichtlich, ales es das für uns scheint...


Am 28.07.21 um 14:32 schrieb Roland Hummel:


falls es ich mal ergibt, wäre ich für Rückmeldungen aus Deinem Umfeld zu 
unseren Ausführungen in "Freie Software als Voraussetzung für 
Nachhaltigkeit im digitalen Zeitalter" [1] dankbar.


Viele Grüße,
Kristian
___
FSFE-de mailing list
FSFE-de@lists.fsfe.org
https://lists.fsfe.org/mailman/listinfo/fsfe-de

Diese Mailingliste wird durch den Verhaltenskodex der FSFE abgedeckt.
Alle Teilnehmer werden gebeten, sich gegenseitig vorbildlich zu
behandeln: https://fsfe.org/about/codeofconduct


Re: Ethische Lizenz, war: NC-Lizenzen

2021-07-28 Diskussionsfäden Kristian Rink

Hallo alle;


Am 28.07.21 um 12:00 schrieb Dr. Michael Stehmann:


Nur die Bereitschaft jedes Einzelnen hierzu kann eine Fragmentierung der 
Gesellschaft verhindern.




Das ist genau der Punkt, den ich auch versucht war einzuwerfen. Etwa: In 
meinem Umfeld gibt es viele Öko- und Nachhaltigkeitsaktivisten. Die 
nutzen nahezu ausnahmslos entweder Apple- oder Windows-Hardware, 
kommunizieren über Microsoft oder Google und sind weder für Freie 
Software noch für Datenschutz zu sensibilisieren, weil das ist "nur 
Technik" und "absolut nicht wichtig" (im Vergleich zu den Problemen, die 
sie selbst lösen wollen). Denen fehlt es an Vorwissen, um dort tiefer 
einsteigen zu können, und denen fehlt es an Zeit, das zu tun (weil sie 
die wenige Zeit, die sie haben, für ihre Kernanliegen investieren 
wollen). Das ist leider nicht nur dort so.


Konsequenz: Es gibt einen Haufen von Aktivistengruppen, die allesamt 
innerhalb ihres kleinen Mikrokosmos versuchen, ein paar sicher richtige 
Dinge zu adressieren, die allesamt zahlenmäßig aber viel zu unbedeutend 
sind, irgendetwas zu bewirken, und die sich im schlimmsten Fall noch 
gegenseitig bekämpfen, weil sie die Prioritäten des jeweils anderen 
kleinreden und wegdiskutieren wollen. Keine Idee, wie man das auf 
größerer Ebene einfangen kann, aber Bereitschaft und Willen des 
Einzelnen, sich überhaupt erstmal damit zu beschäftigen, andere Werte 
zuzulassen, die eigenen zu hinterfragen und im Zweifelsfall das Einende 
(statt das Teilende) zu suchen, scheinen als Grundsatz nicht falsch.


Viele Grüße,
Kristian
___
FSFE-de mailing list
FSFE-de@lists.fsfe.org
https://lists.fsfe.org/mailman/listinfo/fsfe-de

Diese Mailingliste wird durch den Verhaltenskodex der FSFE abgedeckt.
Alle Teilnehmer werden gebeten, sich gegenseitig vorbildlich zu
behandeln: https://fsfe.org/about/codeofconduct


Re: Fwd: FS im Planungsbüro für "technische Gebäudeausrüsting/Brandschutz" :/

2021-03-22 Diskussionsfäden Kristian Rink

Hallo;

danke für den Abriss. Das deckt sich mit meinen Erfahrungen (und 
Versuchen) der letzten zwei Jahrzehnte, die Baubranche (aus dem Blick 
eines Plattform/Collaboration-Anbieters heraus) für FLOSS zu bewegen. 
Erkenntnis: Es geht schlicht nicht, zumindest nicht im Moment. Und es 
gibt kaum systematische Bestrebungen, das zu ändern - mit 
Planungsansätzen wie BIM und den zugeordneten Tools wird das auch nicht 
besser. Und ich möchte nicht wissen, wie das in anderen Branchen aussieht...


Viele Grüße,
Kristian

Am 22.03.21 um 12:58 schrieb T. Schilde - Firetech Consulting:

Nur mal ein Beispiel: Im Bereich der 
Löschanlagen müssen recht umfangreiche exakte Hydraulische Berechnungen 
durchgeführt werden. Dies ist heute Standard und nicht weiter 
erwähnenswert, aber: die entsprechende Software gibt es nur für Windows 
und stark vereinzelt wohl auch für Mac... - und da nur als Aufsatz 
für die Platzhirsche, als Autodesk-Software, Microstation oder Bricsys 
(seit kurzem, nicht aber für die Linux-Variante von Bricscad). Man ist 
also allein dadurch schon gezwungen mindestens eine dieser Varianten zu 
verwenden. Diese Software wird heute nicht nur vom Auftraggeber (ich 
schreibe bewusst Auftraggeber, nicht Bauherren) verlangt, sondern vor 
allem auch von den Prüfingenieuren und Sachverständigen die die Planung 
prüfen. Diese können nur mit den Ausgaben der ihnen bekan nten Lösungen 
etwas anfangen und lehnen daher andere Formate ab - weil sie deren 
Ergebnisse nicht nachvollziehen können. Dazu kommt, dass ja unsere 
Auftraggeber in der Industrie meist große Generalplaner sind, 
Kohlbecker, Assmann u.s.w. und wir in großen Planungsgruppen 
zusammenarbeiten, vielfach nur verbunden durch das Internet. Es müssen 
dabei gemeinsame Pläne bis hin zum Koordinationsmodel in 3D erstellt 
werden, mit denen jeder arbeiten kann. Dafür gibt es schlicht keine 
Offene Software, und schon gar keine die mit den proprietären Lösungen 
der anderen zusammen arbeiten könnte.

___
FSFE-de mailing list
FSFE-de@lists.fsfe.org
https://lists.fsfe.org/mailman/listinfo/fsfe-de

Diese Mailingliste wird durch den Verhaltenskodex der FSFE abgedeckt.
Alle Teilnehmer werden gebeten, sich gegenseitig vorbildlich zu
behandeln: https://fsfe.org/about/codeofconduct


Re: Umsteig auf Freie Software, Betriebssystem später?

2021-03-22 Diskussionsfäden Kristian Rink

Hi auch;

danke für die Punkte. :) Nur kurz hierzu:


Am 20.03.21 um 18:03 schrieb Uwe Altmann:

Die Frage, wen ich womit eher in meinem Sinne motivieren kann, ist für 
mich grad schwer zu beantworten.


Wieso, ist doch ganz einfach: Den ersteren mit Geld, die zweiteren mit
Deiner guten Arbeit im Projekt als Vorbild.


Das funktioniert aber beides eher schlecht: Einen großen Hersteller mit 
Geld zu motivieren ist für kleinere oder kleinste Unternehmen faktisch 
nicht leistbar. In einem Projekt als Vorbild gute Arbeit zu leisten 
halte ich wiederum für einen idealistischen Ansatz, der in der Praxis 
große Probleme hat - zum einen weil besagten Strukturen gern Zeit, 
Kraft, Wissen fehlt, um sich in Projekten sinnvoll einbringen zu können, 
und zum anderen, weil (wie Du ja schon vorangehend beschrieben hast) die 
Arbeit in vielen Projekten nicht zwingend so funktioniert, dass Du Dich 
bedarfsweise als Beteiligter dort einarbeiten und die Dinge sinnvoll 
gestalten kannst - außer (im Extremfall) Du forkst das Projekt, und dann 
hast Du es doch wieder in Gänze auf Deinem Tisch.



Nachhaltig scheint beides überhaupt nicht zu sein.


Oh doch. Sonst hätten wir kein stabiles freies Betriebssystem für 
praktisch alles, was nicht bei drei auf dem Baum ist und eine Palette 
von auch für Laien benutzbarer Anwendungssoftware, die die 
Grundbedürfnisse der Benutzer in der digitalen Welt ganz gut bedient.


Das mag sein, aber das meinte ich eigentlich nicht. Ich meinte eher den 
Punkt: Wir haben eine zu große Auswahl in immer denselben Dingen, die 
teilweise locker-flockig re-implementiert, neu gebaut werden nur "weil 
es geht". Dafür haben wir in vielen fachlichen Spezialbereichen kaum 
Anwendungen, die nutzertauglich sind. Und wir haben (deswegen der spitze 
Einwurf fehlender Nachhaltigkeit) kaum Regularien, die vermeiden, dass 
Ressources in Neubau von bereits Existierendem "verbrannt" werden, statt 
Anwendungen zu schaffen, die wirklich gänzlich fehlen.




Aber wer nochmal hat eigentlich die wirre These aufgestellt, dass das 
immer alles umsonst und gratis zu sein hat? Merke: TINSTAAFL


Durchaus. Und dann sehe ich bei jeder zweiten Gelegenheit etwa 
"Werbungen" für Linux-Distributionen, F-Droid oder Vergleichbares: "Ohne 
Werbung, trackingfrei und kostenlos für immer". ;) Dort ist auch die 
Community in der Unterscheidung "gratis vs. libre" zu lax, glaube ich - 
und vielleicht sollten wir fragen, ob in 2021 "libre" und "gratis" 
möglicherweise gegensätzliche Ziele verfolgen...?


Viele Grüße,
Kristian
___
FSFE-de mailing list
FSFE-de@lists.fsfe.org
https://lists.fsfe.org/mailman/listinfo/fsfe-de

Diese Mailingliste wird durch den Verhaltenskodex der FSFE abgedeckt.
Alle Teilnehmer werden gebeten, sich gegenseitig vorbildlich zu
behandeln: https://fsfe.org/about/codeofconduct


Re: Umsteig auf Freie Software, Betriebssystem später?

2021-03-19 Diskussionsfäden Kristian Rink

Hi Ilu, alle;


Am 18.03.21 um 22:34 schrieb Ilu:


Am 18.03.21 um 20:59 schrieb Kristian Rink:
Nehmen wir mal an, wir könnten jetzt auf der grünen Wiese beginnen 
(und bräuchten weniger Ressourcen als AutoDesk, ...  beträchtliche 
Menge an  > Ressourcen, ... interdisziplinär ...


Diese Fachkräfte in dieser Anzahl gibt es auf dem Markt nicht, egal für 
welches Geld.




Das glaube ich gar nicht, sonst gäbe es solche Anwendungen grundsätzlich 
wohl nicht. Die interessantere Frage aber: Nehmen wir einen Entwickler, 
der tagsüber Kernlogik in AutoCAD pflegt und nach dem Dienst den Rechner 
ausschaltet und durch die Berge wandert. Wie bekommt man so jemanden, 
idealerweise noch mehrere davon, hinter FLOSS? Was braucht es dafür 
finanziell, organisatorisch, strukturell? Wer plant, führt, organisiert 
solche Projekte?


Der Wettbewerb mit proprietäre Software um *Nutzer* ist eigentlich nur 
das Ende der Kette. Der Wettbewerb um Fachkräfte für *Entwicklung* ist 
viel kritischer aus meiner Sicht.



Im Umkehrschluss: Warum haben wir über ein halbes Dutzend von 
halbfertigen Linux-Desktop-Umgebungen, eine unzählbare Menge von nur 
in Nuancen variierenden Linux-Distributionen, ... 


Weil *Freiwillige* offensichtlich genau darauf Lust haben.



Dann wird es mit FLOSS aber nicht besser als mit proprietärer Software. 
Unter der Annahme, dass Software hinreichend komplex ist (und ich die 
keinesfalls selbst warten, pflegen, fixen kann, vermutlich auch nicht 
imstande bin, mit realistischen Mitteln Dritte dafür zu beauftragen) 
kann ich wählen zwischen Software, bei der ich auf die Gnade eines 
Herstellers angewiesen bin, oder Software, die von Lust und Laune von 
Freiwilligen abhängt. Die Frage, wen ich womit eher in meinem Sinne 
motivieren kann, ist für mich grad schwer zu beantworten. Nachhaltig 
scheint beides überhaupt nicht zu sein.




... wo es für langfristigen Erfolg sehr viel wichtiger wäre - nämlich 
in die hochspezialisierten fachlichen Nischen?


Weil den Freiwilligen für Fachanwendungen ohnehin die Kompetenz fehlt.



Ja. Ich glaube auch nicht an "freiwillige" Arbeit als Lösung für diese 
Probleme. Aber Communities könnten Ressourcen besser bündeln - 
mindestens dadurch, dass sie (theoretisch) die Menge an entbehrlich 
doppelt getaner Arbeit minimieren, die man hat, wenn proprietäre 
Anbieter Software in Wettbewerb im stillen Kämmerchen "gegeneinander" 
bauen.



Diese Probleme kann man nach derzeitigem Sachstand nur angehen durch 
Investition in Wine und Oberflächen wie PlayOnLinux (das leider 
furchtbar elendiglich dahinkrebst). 1000 Stunden reichen nicht für eine 
einzige Branchenanwendung, aber investiert in Wine schafft das Lösungen 
für viele Branchenanwendungen.


Das verstehe ich nicht. Wie hilft WINE hier?

- Bei den "Altanwendungen", die ich loswerden will, ist nicht das 
Windows untendrunter, sondern die Anwendung selbst das Problem. Ob ich 
das alte Windows virtualisiere und ordentlich abschotte oder die 
Anwendung auf einen Emulator hebe, ändert nichts daran, dass ich nicht 
von der Anwendung wegkomme.


- Bei neuen (proprietären) Anwendungen, die ich kaufe und bei denen ich 
üblicherweise auch für Support bezahle, ist WINE eher schwierig, weil: 
Wie viele Hersteller gewähren Support für Anwendungen, die auf WINE 
laufen? Dann habe ich die Entscheidung zu treffen, ob ich aus 
politischen Erwägungen das Betriebssystem (die für mich eigentlich 
uninteressanteste Komponente in meiner Umgebung) austausche gegen einen 
Emulator, damit den Support für mein System wegwerfe und das Risiko 
fahre, meine Mitarbeiter potentiell zu blockieren, wenn ich irgendeinen 
Fehler finde, den der Hersteller mir in dieser Konstellation nicht lösen 
kann.





Viel schlimmer sind behördliche Vorgaben:
Betriebliche Steuererklärung geht - wegen verkorkstem Elster - nur mit 
Windows/MacOS, keine Chance in Wine. In anderen Bereichen, zB 
Gesundheitswesen, zwingen gesetzlich vorgeschriebene Zertifizierungen zu 
Windows. Hier ist die FSFE gefragt, politischen Druck aufzubauen. PMPC 
ist ein sehr guter Ansatz, denn es fördert beim Verordnungsgeber das 
richtige Bewusstsein. 


Agreed. Das indes scheint gleichermaßen Leuchtturm und naheliegendster 
(vielleicht auch trivialster) Fall für PMPC: Software nach Vorgaben des 
Gesetzgebers, mit Behörden im Hintergrund. Hier *hätte* ich (politischen 
Willen und Bewusstsein vorausgesetzt) am ehesten die Möglichkeit, 
Strukturen zu schaffen, nicht nur Vorgaben, sondern auch den Rahmen für 
Software, Standards, ... zu schaffen, die diese Vorgaben umsetzen. Bei 
Fachanwendungen für privatwirtschaftliche Unternehmen, für die es einen 
Markt mit etablierten Lösungen gibt, sehe ich das deutlich kritischer...


Viele Grüße,
Kristian
___
FSFE-de mailing list
FSFE-de@lists.fsfe.org
https://lists.fsfe.org/mailman/listinfo/fsfe-de

Diese Mailingliste wird durch den Verhaltenskodex der FSFE abgedeckt.
All

Re: Umsteig auf Freie Software, Betriebssystem später?

2021-03-18 Diskussionsfäden Kristian Rink

Hallo alle;

Am 18.03.21 um 17:08 schrieb Theo Schmidt:

Das Problem ist das politische Bewusstsein oder dessen Fehlens. Seitdem 
wir dem Kampf in der ISO um das Office-Format ODF verloren haben (es 
ging um die Etablierung der Microsoft-kompatiblen Formate als 
konkurrenzierenden ISO-Standard) wird unsere Position immer schlechter, 
weil Microsoft immer noch sehr geschickt ODF-Kompatibilität schlecht 
implementiert und kaum jemand ODF akzeptiert, wenn sein MS-Office XY es 
nicht richtig öffnet.



Gehen wir es doch trotzdem auch mal andersherum an (ich kenne den 
Ausgangspunkt dieser Diskussion, ich komme auch aus einer Branche, die 
mit genau diesen proprietären, hochpreisigen, teilweise teuer 
zertifizierten Anwendungen arbeitet): Eine Firma wie AutoDesk hat heute 
knapp 9k Mitarbeiter weltweit, ein nicht unbeträchtlicher Teil davon 
Entwickler und Fachexperten. Die sind in ihrer Branche seit fast 40 
Jahren am Start und haben relevantes fachliches Know-How. In deren 
Software steckt eine substantielle Anzahl von Mannjahren bis zum 
heutigen Stand.


Nehmen wir mal an, wir könnten jetzt auf der grünen Wiese beginnen (und 
bräuchten weniger Ressourcen als AutoDesk, weil wir etwa keine 
Legacy-Implementationen pflegen, kein Refactoring betreiben, keine alten 
Versionen supporten müssen). Blenden wir auch mal aus, dass wir 
tatsächlich viel Geld in die Hand nehmen müssen (etwa für 
Zertifizierungen für bestimmte rechtliche Anforderungen, für den Einkauf 
proprietärer Konverter für bestimmte etablierte Dateiformate, ...).


Was bleibt: Wir brauchen absehbar eine beträchtliche Menge an 
Ressourcen, um eine Software zu schaffen, die jenes Subset der Features 
der Autodesk-Produkte implementiert, das es für professionelles Arbeiten 
braucht (mit Blick aus der Bauplanung sehe ich derzeit *kein* offenes 
CAD-Tool, das annähernd dem entspricht). Diese Ressourcen müssen zudem 
interdisziplinär sein (Entwickler, Tester und alle artverwandten 
Disziplinen, aber vor allem auch Experten mit langjähriger Expertise in 
der jeweiligen Fachdomäne).


Wir betonen relativ häufig, dass FLOSS ein besseres Konzept, weil 
Kollaboration besser als Wettbewerb ist. Also: Woran klemmt es? Warum 
schaffen wir es nicht, diese Menge an Ressourcen aufzubringen oder 
zusammenzuführen? Was fehlt hier strukturell, damit das gelingen kann?


Im Umkehrschluss: Warum haben wir über ein halbes Dutzend von 
halbfertigen Linux-Desktop-Umgebungen, eine unzählbare Menge von nur in 
Nuancen variierenden Linux-Distributionen, Myriaden von angefangenen 
Implementationen dieser oder jener Internet-Protokolle, stellen uns aber 
gleichermaßen denkbar unbeholfen dabei an, FLOSS auch dorthin zu 
bringen, wo es für langfristigen Erfolg sehr viel wichtiger wäre - 
nämlich in die hochspezialisierten fachlichen Nischen? Dort *wäre* sogar 
jetzt schon ein sehr interessantes Betätigungsfeld. Jenseits von CAD- 
und Planungssoftware herrscht kein Mangel an Fachgebieten, die sich 
teilweise mit überalterten, seit langem nicht mehr support-baren 
Anwendungen herumschlagen, die teilweise alte Windows- oder 
DOS-Varianten in virtuellen Maschinen weiterbetreiben müssen für die 
alten Systeme, die FLOSS-Lösungen sofort und mit Kusshand nutzen würden 
- für deren Branchen es aber schlicht keine gibt und denen im Kleinen 
(auf der Flughöhe KMU) auch jegliche Kraft fehlt, so ein Problem selbst 
anzugehen.


Politisches Bewusstsein, politischer Wille, Fokus auf offenen Standards 
sind sicher alles valide Punkte. Aber wie *löst* man das? Wie kommt man 
weg von einer FLOSS-Welt, die im Wesentlichen lebt von der 
Freizeit-Arbeit von technisch befähigten Idealisten (die nicht selten 
ihre Rechnungen aus dem Gehalt von großen Firmen bezahlen) oder aber von 
den Beiträgen großer Firmen, die FLOSS-Entwickler finanzieren, um die 
Ergebnisse in eigenen proprietären Anwendungen und Services (OpenSource 
!= SoftwareLibre) nachnutzen zu können? Dort sehe ich keine Idee. Selbst 
Ansätze wie "public money, public code" sind zwar gut gemeint, lösen 
aber nicht das Problem, dass man eine Möglichkeit braucht, das "public 
money" sinnvoll auszugeben, dass es Strukturen (Firmen? Organisationen? 
Communities?) gibt mit dem Know-How und der Erfahrung, Projekte in 
dieser Größenordnung (um bei dem CAD/AutoDesk-Beispiel zu bleiben) zu 
koordinieren und halbwegs geplant "auf die Straße" zu bringen.


Aber vielleicht übersehe ich auch nur Offensichtliches...

Viele Grüße,
Kristian
___
FSFE-de mailing list
FSFE-de@lists.fsfe.org
https://lists.fsfe.org/mailman/listinfo/fsfe-de

Diese Mailingliste wird durch den Verhaltenskodex der FSFE abgedeckt.
Alle Teilnehmer werden gebeten, sich gegenseitig vorbildlich zu
behandeln: https://fsfe.org/about/codeofconduct


Re: Befreiung der Haushalte , der Behörden, ... von Microsoft-Software

2020-05-24 Diskussionsfäden Kristian Rink

Moin;

Am 22.05.20 um 12:56 schrieb Christian Imhorst:



Den Beleg dafür haben wir hier in Mülhein an der Ruhr, wo ein
aktives Mitglied des Linuxtreff für die evangelische Kirche Server
für Marix/ Riot und Jitsi anbietet, die wir im Linuxtreff nutzen
können


Das ist meistens das Problem: Es hängt an einer Person und wenn die
keine Lust mehr hat, ist diese Infrastruktur nicht mehr Zugänglich.


Same here. Weil es dazu passt: Die Kirchgemeinde im Viertel hat zu 
Beginn des Lockdowns Flyer in die Briefkästen geworfen, in denen sie 
darauf aufmerksam gemacht hat, auch "digital vernetzt" zu sein. Konsequenz:


- Es gibt einen YouTube-Channel, in dem Gottesdienste und Andachten live 
gestreamt werden oder archiviert verfügbar sind.


- Für die Jugend-Arbeit gibt es einen Discord-Channel.

- Für die "Älteren" gibt es eine WhatsApp-Kontaktnummer und -Gruppe.


Auf eine Mail (Datenschutz et al) von mir hat der Pfaffer sogar mit 
einem Anruf(!) geantwortet. Erklärung kurz und knapp: Er ist diesen 
Diensten gegenüber skeptisch, weswegen er etwa seine Konfirmanden via 
E-Mail organisiert. Aber: Die Digitalisierung helfe in diesen Tagen, 
überhaupt "irgendetwas" tun zu können. Dafür braucht er aber mehr als 
eine Person, die das halbwegs sicher beherrscht, und dafür hat er Leute 
gefunden - drei Frühzwanziger, die in der kirchlichen Jugendarbeit mit 
einem praktikanten-ähnlichen Vertrag gebunden und über ein paar Jahre 
planbar "da" sind. Und die haben eben WhatsApp, YouTube, Discord 
mitgebracht, weil sie sich zutrauen, das für das "Viertel" zu pflegen 
und auch eventuelle Fragen von Nutzern mit inhaltlichen oder technischen 
Problemen zu beantworten.



Das ist der Umkehrschluß zu oben: Es hängt zu oft an einzelnen Personen 
und dem, was die mitbringen, weil Digitalisierung insbesondere in 
Kirchen, Vereinen, ... oft ad-hoc und ungeplant ist, es dafür weder 
Budget noch (in manchen Fällen) Einsicht in die echte Notwendigkeit gibt 
und meist diejenigen, die den Strukturen vorstehen, jene, die das in 
Eigenregie und mit eigener Kraft machen wollen, dann eben gewähren 
lassen und nicht weiter fragen. Dann gewinnen eben wieder die 
Plattformen mit der größten Verbreitung - und dann darf man in Mastodon 
endlose theoretische Diskussionen darüber führen, warum Menge an Nutzern 
für eine Plattform doch keine kluge Metrik ist. Nun ja... :|


Viele Grüße,
Kristian
___
FSFE-de mailing list
FSFE-de@lists.fsfe.org
https://lists.fsfe.org/mailman/listinfo/fsfe-de

Diese Mailingliste wird durch den Verhaltenskodex der FSFE abgedeckt.
Alle Teilnehmer werden gebeten, sich gegenseitig vorbildlich zu
behandeln: https://fsfe.org/about/codeofconduct


Re: Befreiung der Haushalte , der Behörden, ... von Microsoft-Software

2020-05-24 Diskussionsfäden Kristian Rink

Moin;

Am 21.05.20 um 02:48 schrieb Ilu:


Dass das Bedürfnis für freie IT-Infrastruktur da ist, zeigt der Run auf 
Matrix.org: praktisch alle Nutzer von Matrix/Riot sind dort registriert, 
weil Federation zwar richtig ist, aber der einfache Nutzer das nicht 
kann. Bezahlen wollen Privatleute aber nicht - es wird dann auch meist 
ziemlich teuer, da Datenverkauf als Einnahmequelle ausscheidet. 


Natürlich. Das ist aber genau mein Punkt. Aber ist nicht *das* das 
Problem, das wir insgesamt anstreben sollten zu lösen?


Ich erlebe dort im FLOSS- und Datenschutz-Umfeld leider immer noch viel 
zu viele Aktivisten, die das Brett dort bohren, wo es dünn und bequem 
ist: Der Einzelne soll sich halt gefälligst informieren, seine 
Erwartungshaltungen an Komfort und Bedienbarkeit ad acta legen und so 
handeln, wie man das selbst als sensibilisierter Experte natürlich auch 
tun würde.


Hier sehe ich eben nur zwei Lösungen:

(a) Eine staatlich finanzierte oder zumindest reglementierte 
Infrastruktur, in der diese Dinge "da" sind. Das muss nichtmal zwingend 
so förderiert sein, dass jeder seinen eigenen Kram betreibt. Wir hatten 
das doch alles schon: Ehedem haben ISPs ihren Nutzern E-Mail-Accounts 
zur Verfügung gestellt. Telefon-Anbieter haben Nutzern (via 
Telefonnummer) Textkommunikation per SMS ermöglicht. Warum nicht zu 
diesen Ansätzen zurückfinden? Dort wäre IMHO viel über 
Interoperabilitätsvorschriften zu lösen.


(b) P2P. Lösungen, die für den Endnutzer eine *sichere*, halbwegs 
selbstständige Kommunikation erlauben mit dem Wissensstand, den man hat, 
wenn sich die eigenen IT-Fähigkeiten darauf beschränken, auf einem 
Smartphone eine App installieren zu können. Wenn man das Internet oder 
"Instanzen" von irgendwas dann auf dumme Nodes beschränkt, die 
verschlüsselte Informationen weiterleiten, wäre das ein *großer* Schritt 
vorwärts im Vergleich zu faktisch allen neuen "zentral-förderierten" 
Lösungen wie Matrix oder Mastodon...


Viele Grüße,
Kristian

___
FSFE-de mailing list
FSFE-de@lists.fsfe.org
https://lists.fsfe.org/mailman/listinfo/fsfe-de

Diese Mailingliste wird durch den Verhaltenskodex der FSFE abgedeckt.
Alle Teilnehmer werden gebeten, sich gegenseitig vorbildlich zu
behandeln: https://fsfe.org/about/codeofconduct


Re: Befreiung der Haushalte , der Behörden, ... von Microsoft-Software

2020-05-20 Diskussionsfäden Kristian Rink

Hi;


Am 19.05.20 um 18:03 schrieb Christian Imhorst:


Windows, Android, iOS mit MS-Office etc sind aber alles Systeme, mit
denen die meisten Menschen ihre Aufgaben prima erledigen können. Es gibt
keinen Grund wechseln zu wollen, außer man ist motiviert genug,
Freiheit, Unabhängigkeit, Nachhaltigkeit, Privatsphäre,
Individualisierung etc. zu wollen.



Dem kann ich nur uneingeschränkt zustimmen. Das ist auch meine 
Erfahrung: Die Menschen sind mit den Werkzeugen, die sie haben, in 
*ihrer* Welt zufrieden und kommen damit klar. Bis auf wenige 
Ausnahmefälle (mit elementary OS auf Laptops funktionierte das zuletzt 
ganz gut) wurde mit einem Wechsel auf Linux für diejenigen in meinem 
Umfeld, mit denen ich das versucht habe, die Welt danach erst mal 
spürbar komplizierter, selbst in Kleinigkeiten. Und jene, bei denen 
Linux als Desktop hier sehr gut klappt, nutzen eigentlich nur einen 
Chrome oder Firefox und die Mehrzahl ihrer Anwendungen (Kalender, Mail, 
...) im Web. Dort haben wir dann zwar einen Linux-Desktop, aber über 
Unabhängigkeit und Privatsphäre brauchen wir dort nicht mehr zu sprechen.


Deswegen glaube ich auch immer noch überzeugt: Wenn es eine "offene" 
IT-Infrastruktur geben soll, die den o.g. Anforderungen entspricht *und* 
die Endnutzer dort abholen kann (muss), wo sie jetzt stehen, dann 
gelingt das nicht ohne eine gewisse Planung und Koordination, zu der 
auch nicht "nur" Code gehört, sondern Usability, Software-Ergonomie und 
so banale Dinge wie Infrastruktur-Betrieb. Also so etwas wie Librem oder 
die e.foundation für Smartphones versuchen: Nicht nur Bits zum 
Installieren, sondern auch die Dienste dahinter - Synchronisation, Mail, 
Storage, ... - die Endnutzer meist selbst noch schwerer bereitstellen 
können als etwa eine OS-Installation. :|


Viele Grüße,
Kristian
___
FSFE-de mailing list
FSFE-de@lists.fsfe.org
https://lists.fsfe.org/mailman/listinfo/fsfe-de

Diese Mailingliste wird durch den Verhaltenskodex der FSFE abgedeckt.
Alle Teilnehmer werden gebeten, sich gegenseitig vorbildlich zu
behandeln: https://fsfe.org/about/codeofconduct


Re: Befreiung der Haushalte , der Behörden, ... von Microsoft-Software

2020-05-19 Diskussionsfäden Kristian Rink

Hallo Ilu;

danke für den Abriss. Interessant, wie sehr die Perspektiven differieren.


Am 19.05.20 um 19:16 schrieb Ilu:

Hier in SH ist Iserv stark. Die verwenden im Server-Bereich FOSS, was 
man derzeit deutlich merkt (BBB statt Zoom). Das default OS ist 
natürlich Windows, aber Anwendungssoftware kann die Schule wählen und LO 
ist billiger. Linux wird auch unterstützt, aber aus Angst und 
Bequemlichkeit der Lehrer bisher wenig genutzt. 


Das ist stark. Dort wäre interessant zu lernen, was SH hier anders macht 
als andere Bundesländer. Das ist bei uns so überhaupt kein Thema - etwa: 
der Technik-Lehrer (den ich ansonsten fachlich und menschlich sehr 
schätze) hat in einem Vorleben als Trainer für Microsoft-Produkte 
gearbeitet.



[Cloud]
Ich bin fest davon überzeugt, dass MS genau diesen Weg auch mit Windows 
gehen wird. Ein eingesperrter Client mit begrenzten Ressourcen an der 
Cloud mit Abomodell ist die dort geplante Zukunft. Windows als 
allround-OS werden sie sterben lassen. Ich bin gespannt, ob die derzeit 
übliche PC-Hardware dann noch produziert wird.


Natürlich. Google und Apple machen das vor. Und: Das müssen wir werten 
und darauf reagieren. Das Blöde an dieser Sache: Diese Herangehensweise 
ist nicht *nur* schlecht. Sie vereinfacht verschiedene Dinge für völlig 
unbedarfte Endnutzer ganz erheblich, und dort kommt FLOSS mit dem leider 
immer noch oft vorgetragenen Anspruch, dass Freiheit kompliziert ist und 
die Nutzer eben lernen sollen, immer mehr ins Hintertreffen.


=> Haben wir (als Community) für die genannten Zielgruppen - 
Home-Nutzer, kleinere Firmen, ... - eine klare Strategie, wie wir die 
erreichen können und wollen? Haben wir eine Strategie, wie wir auf von 
dort vorgetragene Anforderungen und Einwände gezielt und produktiv 
reagieren können und den Nutzern auch auf ihrer Flughöhe das Gefühl zu 
geben, dass FLOSS ein besserer Ansatz ist als Abhängigkeit von einem 
großen Konzern?


Einige der Herausforderungen (und *sei* es die Unterstützung von 
Spielen), die bestehen, kennen wir seit den 1990ern. Sicher sind manche 
schwer umzusetzen. Aber wenn ich sehe, dass etwa auch in 2020 es noch 
nicht klappt, einen Linux-Desktop mit GTK+- und KDE-Anwendungen so zu 
konfigurieren, dass er sich nahtlos und wie aus einem (ergonomischen, 
visuellen) Guss anfühlt, dann sehe ich trotzdem, dass wir noch ein paar 
andere Herausforderungen auf unserer Seite haben. :|


Viele Grüße,
Kristian
___
FSFE-de mailing list
FSFE-de@lists.fsfe.org
https://lists.fsfe.org/mailman/listinfo/fsfe-de

Diese Mailingliste wird durch den Verhaltenskodex der FSFE abgedeckt.
Alle Teilnehmer werden gebeten, sich gegenseitig vorbildlich zu
behandeln: https://fsfe.org/about/codeofconduct


Re: Befreiung der Haushalte , der Behörden, ... von Microsoft-Software

2020-05-18 Diskussionsfäden Kristian Rink

Hallo Antje, *;

Am 18.05.20 um 21:30 schrieb Antje Kazimiers:

On 5/17/20 3:22 PM, Wolfgang Romey wrote:


Im Haushalt ist es eine Frage des Wollens, in Behörden eine Frage der Politik.


Ich denke,  bei Haushalten ist es auch eine Frage des "Könnens" im Sinne 
von "in der Lage sein": Installation des OS, Installation neuer 
Software, Updates und Troubleshooting. Wer das nicht alleine kann und 
keinen Bekannten und keinen Verein in der Nähe hat, der dafür erreichbar 
ist, würde sich vl. an eine professionelle Firma wenden, das Linux zu 
pflegen. 


Genau das, leider. Mit den fast 24 Jahren, die ich jetzt versuche, 
Linux-Desktops für nicht-technische Privat- und professionelle 
Fachanwender interessant zu machen, ist das leider auch vollständig 
meine Erfahrung. :(


Dazu kommt, meist noch einen Schritt vorher: Viele sind nicht nur in der 
Lage, ein "OS zu installieren", sondern haben keinerlei Idee, was das 
genau bedeutet und welchen Vorteil das ihnen bringt - nach wie vor ist 
der mit Windows vorinstallierte PC der Regelfall. Daran etwas zu ändern, 
braucht erst einmal eine Motivation durch Menschen im Umfeld, die 
problemsensibel sind. Und diejenigen, die es probieren, erleben dann (in 
Situationen wie jetzt), dass die Kinder im Home-Schooling Aufgaben in 
.docx und .xlsx bekommen, "weil das alle haben" - und stellen im Diskurs 
mit der Elternschaft drumherum fest: Ja, das *haben* in vielen Fällen 
tatsächlich auch alle außer ihnen  (genau diese Diskussion hatte ich 
gestern erst wieder). Im schlimmsten Fall hast Du dieser Tage Nutzer, 
die mit einem Microsoft-Account auch Dinge wie OneDrive und Speicher "in 
der Cloud", Kalender, E-Mail haben - und dann schnell merken, dass mit 
FLOSS-Desktop und LibreOffice das nicht unbedingt inclusive ist - es sei 
denn, sie nutzen dort den ganzen Microsoft-Kram weiter, aber welchen 
Grund sollten sie dann für einen Wechsel haben...?


Die Annahme, dass FLOSS im Haushalt nur eine Frage des Wollens ist, 
scheint mir genau so kurz gesprungen wie die Idee, wir könnten den 
Klimawandel stoppen, wenn wir nur für die Fahrt zum Bäcker das Fahrrad 
statt des Pkws nutzen. :|


Viele Grüße,
Kristian


___
FSFE-de mailing list
FSFE-de@lists.fsfe.org
https://lists.fsfe.org/mailman/listinfo/fsfe-de

Diese Mailingliste wird durch den Verhaltenskodex der FSFE abgedeckt.
Alle Teilnehmer werden gebeten, sich gegenseitig vorbildlich zu
behandeln: https://fsfe.org/about/codeofconduct


Re: OT Vertrauen, Strukturen, Technologie (Re: Befreiung der Haushalte , der Behörden, ... von Microsoft-Software)

2020-05-18 Diskussionsfäden Kristian Rink

Hallo Roland;

vielen Dank für die langen Erörterungen. Nur kurz: Antwort wird eine 
Weile brauchen, und ich werde das vorerst off-list nehmen. Die Relevanz 
für diese Runde ist diskutabel, und 1:1 ist das vielleicht etwas 
einfacher. ;)


Viele Grüße,
Kristian
___
FSFE-de mailing list
FSFE-de@lists.fsfe.org
https://lists.fsfe.org/mailman/listinfo/fsfe-de

Diese Mailingliste wird durch den Verhaltenskodex der FSFE abgedeckt.
Alle Teilnehmer werden gebeten, sich gegenseitig vorbildlich zu
behandeln: https://fsfe.org/about/codeofconduct


Re: OT Vertrauen, Strukturen, Technologie (Re: Befreiung der Haushalte , der Behörden, ... von Microsoft-Software)

2020-05-14 Diskussionsfäden Kristian Rink

Hallo Roland;

kurze Dinge, um das von der Länge her einzufangen: An vielen Punkten 
stimme ich Dir zu, an anderen glaube ich zwar nicht, dass Du falsch 
liegst, habe aber einen anderen Standpunkt. Indes:


Am 14.05.20 um 01:14 schrieb Roland Hummel:

[Snowden und Verschwörungstheorien]


Uh, jetzt wird es unschön. Einigen wir uns darauf, dass wir gegenseitig
keine "Verklammerungstaktiken" auf uns anwenden? Du kontextualisierst
mich gerade in eine Ecke, mit der ich nichts zu tun habe. Die
Snowden-Thematik hat für mich mit der Gates/Corona-Thematik jedenfalls
absolut nichts zu tun.


Das wollte ich auch *Dir* nicht unterstellen; entschuldige, wenn das 
falsch ankam. Meine Darstellung war (wie alles andere) sehr klar 
subjektiv. Ich habe in meinem Umfeld viele Leute erlebt, auf die das 
leider genau trifft: Die Snowden-Enthüllungen wurden genutzt, eine 
pauschale und unreflektierte Positionierung contra Polizei, contra 
Geheimdienste, contra USA zu festigen. Kritik halte ich für wichtig, 
aber *unreflektierte* Gemeinplätze helfen in diesen diffizilen Themen 
leider nicht.





Auch diesen Satz kann ich exakt so auf den "digitalen Kleinkriminellen"
ohne Rechtsabteilung anwenden, dem ich auf den Leim gegangen bin. Du
wirst jetzt evtl. denken "na dann viel Spaß dabei" und ich denke mir,
wieviel Spaß ich hatte, bei großen Unternehmen meine Rechte geltend zu
machen.



Das meinte ich nicht. Was ich meinte: Deine Darlegung beinhaltete, dass 
Du Dich im Umgang mit dem "Kleinkriminellen" (siehe Bankräuber) implizit 
auf das Mitwirken von Institutionen und größeren Autoritäten (der Bank) 
verläßt - denen Du an anderer Stelle sehr explizit Dein Vertrauen 
entzogen hast. Das wirkt zumindest unentschlossen.





...unter Sicherheitsperspektive überhaupt nichts. Mir geht es aber nicht
um "mehr Sicherheit", sondern um "mehr Freiheit". Die
Sicherheitsdebatten finde ich nicht nur auf Grund der Tatsache, dass
FLOSS hier kein Mindest-Kriterium ist, sinnlos, sondern auch, da stimme
ich Dir vollkommen zu, weil wir als Zivilgesellschaft die digitale
Infrastruktur(technik) gar nicht mehr kontrollieren können. 

>

Mein größtes Problem mit Deiner Argumentation ist: Mir fällt es schwer 
zu verstehen, was Du eigentlich erreichen willst, weil Du (für meine 
Wahrnehmung) mäandrierst zwischen "Sicherheitsargumenten" (der Verweis 
auf Snowden und die Folgen), "Freiheit" (siehe hier) und der Frage nach 
der Unterstützung von Monopolisten und Industrie.



Die Diskussion begann mit Microsoft und Co. ... und der Punkt war: In 
bestimmten Bereichen macht Microsoft (wie auch Amazon oder Google) 
derzeit eher Hardware-Lieferanten als Software-Lieferanten oder FLOSS 
Konkurrenz: Auf Azure, AWS, ... kann ich mir mit wenig Aufwand, sagen 
wir, eine Debian-VM hochziehen, auf der ich NextCloud, Matrix, 
OnlyOffice baue, ein Login via root-ssh habe und dort nichtmal einen 
Vendor-Lock-In habe, weil ich (Abstraktions-Ebene VM respektive 
"unterhalb Betriebssystem") diese Dienste denkbar leicht auf anderen 
Anbieter (vielleicht DigitalOcean, Ionos, eine lokale Genossenschaft, 
eigenes Blech) umziehen kann.


Aus Sicht der Freiheit fehlt mir hier die Perspektive, wo mich das 
einschränkt - außer bei Connectivity (die ist aber privat auch 
black-box) und Hardware (die wir im Verlauf schon als proprietär und 
unkontrollierbar abgeschrieben hatten).


Aus Sicht von Vertrauen (*will* ich meine Daten, egal ob VM oder anders) 
bei Microsoft liegen haben??) oder Unterstützung von Monopolisten ("alle 
Welt nutzt AWS") sieht die Wertung gänzlich anders aus. Und ich 
scheitere daran, zu verstehen, was genau Deine Prioritäten sind, was 
Dein Ziel ist... ;)


Viele Grüße,
Kristian



___
FSFE-de mailing list
FSFE-de@lists.fsfe.org
https://lists.fsfe.org/mailman/listinfo/fsfe-de

Diese Mailingliste wird durch den Verhaltenskodex der FSFE abgedeckt.
Alle Teilnehmer werden gebeten, sich gegenseitig vorbildlich zu
behandeln: https://fsfe.org/about/codeofconduct


Re: Befreiung der Haushalte, der Behörden, ... von Microsoft-Software (ein Beispiel)

2020-05-13 Diskussionsfäden Kristian Rink

Hi Theo, *;

Am 13.05.20 um 14:46 schrieb Theo Schmidt:

> Auch kürzlich war das RAID "schuld". Auf einem neueren Laptop liess sich
kein Linux installieren und nicht einmal das Windows löschen, weil eine 
interne SSD mit der Festplatte zu einem Beschleunigungs-RAID verbunden 
waren, mit unerwarteten Eigenschaften.




Ah, sehr schön. Ich kenn diese Konstruktion, wir hatten eine Serie von 
HP EliteBooks mit diesem Setup. Glücklicherweise sind die weitestgehend 
ausgemustert mittlerweile... ;)







...In Microsoft Azure kann ich mir performante und
hochverfügbare FLOSS-Umgebungen bauen...


Vermutlich sind die Azure-Server mindestens im Land und nicht in den 
USA? Oder spielt das technisch fast keine Rolle mehr?




Naja, es hängt immer von den Use Cases ab, aber technisch spielt es mAn 
selten wirklich eine Rolle. Zwei Punkte:


- Du kannst in Modellen wie Azure (das geht auch bei AWS oder Google 
Cloud) *deutlich* leichter mit großer Hardware experimentieren. Storage 
mit extrem schnellen SSDs für I/O-intensive Anwendungen? Server mit 
vielviel RAM und CPUs für Last-Spitzen oder Anforderungen, die 
kurzzeitig oder dauerhaft viel Ressourcen benötigen? Breitere 
Internetanbindung, wenn mehr Nutzer auf dem System arbeiten und das 
Netzwerk in die Knie geht? Alles kein Problem, prinzipiell. *Sicher:* 
Dort brauchst Du auch bei Azure Geld, und diese Dinge sind *teuer*. Aber 
insbesondere für vorübergehende Anforderungen sind sie billiger, als 
sich vergleichbare Server selbst zu kaufen / zu finanzieren, den Prozess 
(Zeit, Aufwand) des Einkaufs mal gar nicht mit gerechnet. Und: Bei 
solchen Modellen (das kann auch unser Partner jetzt schon) kann ich 
allmählich skalieren, wenn ich wachse. Bei unseren eigenen HP-Systemen 
mit VMWare hatten wir turnusmäßig enorme "Sprung-Aufwände", weil mit dem 
Erreichen der Hardwaregrenzen meist notwendig waren (a) neue Server, (b) 
neue oder erweitere VMWare-Lizenzen und (c - im Allgemeinen schlimmster 
Posten) Aufwand für Migration von Daten und Maschinen. Wenn Du vier 
Dutzend große VMs und eine mittlere zweistellige Zahl an TB an 
Live-Storage auf neue Hardware migrieren willst und kaum Downtime haben 
darfst, ist das ein Projekt, das Dich eine ganze Weile beschäftigt. Über 
Vergrößerung oder Ersatz einer Internet-Standleitung mit dem Ziel 
schnellerer Anbindung reden wir in DE lieber gar nicht...


- Dadurch, dass die großen Anbieter international unterwegs sind, kannst 
Du Dinge realisieren, die Du im Selfhosting oder mit "lokalen" Partnern 
nicht hinbekommst. Eine unserer Schwesterfirmen sitzt in UK, sind um die 
50 Leute und betreut Kunden in UK - und Hongkong. An letzterem Standort 
war die Anforderung, dass die Server-Infrastruktur und die Daten vor Ort 
zu stehen haben. In Selfhosting auch ein Großprojekt. Mit Azure haben 
die Kollegen (die anders als wir sehr eng an dem ganzen Microsoft-Stack 
hängen) faktisch die Dienste in der Admin-UI in die andere Zone 
"geklickt" - problem solved. In unserem Markt ist Autodesk mit einer 
Collaboration-Lösung (BIM Field 360) unterwegs, die vor einigen Jahren 
mit viel Rummel angekündigt wurde - und von vornherein als "BIM 360 
powered by Amazon AWS" und dem Subtext: "*Selbstverständlich* werden wir 
als Autodesk für weltweit operierende Kunden *keine* eigenen Server 
betreiben. Das ist nicht unser Kerngeschäft und viel zu aufwändig und 
teuer - wir nutzen Amazon, die können das."



Persönlich bin ich nach wie vor der Freund regionaler Partner, bevorzugt 
solcher, die annähernd gleich groß wie die eigene Organisation sind, 
weil das gewisse Probleme verhindert, die man mit deutlich größeren 
Lieferanten durchaus haben kann. Aber in diesem ganzen Dunstkreis habe 
ich immer massiver die Sorge, dass der europäische IT-Sektor irgendwann 
gänzlich irrelevant wird - weil wir hier teilweise Firmen haben, die in 
2020 immer noch mit Low-Level-Dingen wie File- oder DB-Hosting 
beschäftigt sind und in nahezu allen relevanten Bereichen überholt 
werden von (leider vorrangig aus Übersee stammenden) Startups, die auf 
den großen Cloud-Diensten aufsetzen und dort schnell "in die Gänge" kommen.


Um das einzufangen, braucht es nicht mehr Regularien wie die DSGVO, 
obwohl diese Dinge auch ihre Berechtigung haben. Hier bräuchte es vor 
allem eine klare Strategie, europäische Alternativen zu Azure, AWS, ... 
zu fördern in geeigneten organisatorischen Strukturen, aber *genau* 
derselben Skalierbarkeit und Reichweite. Dort könnte auch FLOSS wieder 
helfen - Systeme wie eben OpenStack sind zumindest Open Source und 
könnten hier eine solide, offene technische Grundlage bieten. Aber es 
braucht "Akteure" (Firmen, große Genossenschaften, .?), die daraus 
ein Betriebsmodell bauen und entwickeln und das am "Markt" so weit 
etablieren, dass es konkurenzfähig mit Azure wird. Dort passiert aus 
meiner Sicht leider viel zu wenig...


Viele Grüße,
Kristian
___
FSFE-de mailing list
FSFE-de@lists.fsfe.org

Re: Befreiung der Haushalte, der Behörden, ... von Microsoft-Software (ein Beispiel)

2020-05-13 Diskussionsfäden Kristian Rink

Hallo Roland, *;

Am 13.05.20 um 13:38 schrieb Roland Hummel:


Die Frage wäre nun für mich (ohne Ironie): Ist das dann die Freiheit,
die Freie Software ursprünglich mal meinte/wollte? Hat die FSFE dann ihr
primäres Ziel erreicht?


Das ist eine interessante Frage... ;) ... und aus meiner Sicht die 
Zuspitzung des Diskurses "Open Source" vs. "Software Libre". Meine 
Antwort wäre "nein, ganz im Gegenteil".


Dort gibt es ja noch andere Schwierigkeiten, etwa: Würde es Facebook, 
Google, Amazon heute geben, hätte es "damals" kein Software Libre 
gegeben, sondern nur Microsoft, Windows NT, ASP, SQL Server und den IIS?


Die Kehrseite von FLOSS hier: Eine große Menge von Enthusiasten und 
Idealisten wird zu unbezahlter Workforce für große Konzerne und in einem 
Geschäftsmodell, in dem (anders als bei proprietärer Software "in der 
Box") die GPL als Lizenz eher nutzlos ist. Eigentlich ist die AGPL 
derzeit die weit wichtigere Lizenz - und die wird unter Umständen auch 
durch Modelle wie "FLOSS-Hosting auf Azure" wieder ausgehebelt.


Mich würde entlang dessen interessieren, wie viele Menschen sich im 
FSF(E)-Umfeld überhaupt mit solchen Themen beschäftigen. In vielen 
Diskussionen erlebe ich hier immer noch einen sehr ausgeprägten Fokus 
auf eigenen Servern, Linux-Desktops und dergleichen, was zumindest in 
meinem eng begrenzten Mikrokosmos eher nachrangige Bedeutung hat.


Viele Grüße,
Kristian

___
FSFE-de mailing list
FSFE-de@lists.fsfe.org
https://lists.fsfe.org/mailman/listinfo/fsfe-de

Diese Mailingliste wird durch den Verhaltenskodex der FSFE abgedeckt.
Alle Teilnehmer werden gebeten, sich gegenseitig vorbildlich zu
behandeln: https://fsfe.org/about/codeofconduct


Re: Befreiung der Haushalte, der Behörden, ... von Microsoft-Software (ein Beispiel)

2020-05-13 Diskussionsfäden Kristian Rink

Hi Theo;

danke für die Erklärung. Ich kenne ähnliche Situationen, habe meine 
eigene Geschichte und sehe andere Problempunkte - eben einige der schon 
beschriebenen: Ehemals "Admin", dann IT-Leiter in einem KMU, das einen 
datenintensiven, sehr branchenspezifischen Nischendienst anbietet. Wir 
waren auf den Servern immer Linux, auf den Clients immer Windows, weil 
viele der Fachanwendungen in der Nische (CAD, Planungssoftware) nicht 
unter Linux verwend- oder ersetzbar sind.


Wir haben im Grunde "full stack" alles in der Hand vom Blech bis hin zu 
den Fachanwendungen, die die Dienste für Nutzer intern und extern 
bereitstellen. Mehrwert schaft die Entwicklung (Programmierung) 
spezifischer Lösungen innerhalb der Nische mit relativ schmalen Margen. 
Betrieb der darunterliegenden Infrastruktur war und ist schon immer 
"nur" Kostenpunkt gewesen, etwas, was eben einfach notwendig, aber 
schlecht optimierbar war. Über lange Zeit haben wir das mit 
PC-Infrastruktur bewältigt, bis das schlicht aus Stabilitätsgründen 
nicht mehr funktioniert hat - die PCs, Laufwerke, irgendwann auch 
Netzteile sind unter der 24x7-Last schlicht ausgestiegen. Wir haben 
mehrfach pro Monat Backups zurückgesichert und immer mal wieder Daten 
verloren, weil Dinge kaputtgegangen sind.


Irgendwann haben wir "richtige" Server gekauft, Blech und Storage von 
IBM. Mit Support, dafür aber eben auch mit "anderen" 
Linux-Distributionen. Wenn man next-business-day - Hardwaresupport vor 
Ort will, will die IBM kein Debian, sondern RedHat oder SuSE. Also 
Wechsel der Distribution, mit hinreichend komplexem Umbau von Backup, 
Hosting der Anwendungsserver, ... . Das hat immer mehr und immer 
massiver Zeit gefressen, und die Software-Entwicklung für 
Kundenprojekte, die *eigentlich* unser Geschäft sind, wurde zunehmend 
Nebenbeschäftigung hinter der Betriebssicherung der Infrastruktur 
darunter. Erste Virtualisierungs-Versuche mit VMWare sind grandios 
gescheitert, weil die VMWare-Infrastruktur damals (erste oder zweite 
Version von ESXi Server) viel zu inperformant für unsere Anforderungen 
war. Irgendwann zwischendrin ist uns die CentOS/IBM-Infrastruktur 
zusammengebrochen und wir hatten mehrere Tage Downtime, weil ein Ausfall 
des RAID-Controllers und zweier Platten gleichzeitig das RAID-System 
mitgenommen hat. An diesem Punkt bin ich aus dem Urlaub zurückgefahren 
in der Erkenntnis: Das Linux-System ist sehr effizient und 
leistungsfähig - aber es gab damais in unserem Umfeld (außer mir) 
niemanden, der wirklich imstande war, das in seiner Gänze zu überblicken.


Irgendwann gab es einen zweiten Versuch mit VMWare und HP-Servern, der 
dann gut funktioniert hat und lang gelaufen ist. Dann ist uns in einem 
Jahr vor Weihnachten unter der Endjahreslast (Abgaben vorm 
Jahreswechsel) die Netzwerk-Infrastruktur zusammengebrochen.


Momentane Lösung, seit einigen Jahren: Wir besitzen keine eigene 
Hardware mehr, sondern "mieten Ressourcen" auf Abstraktionsebene von VMs 
mit CPUs, RAM und Storage in verschiedenen Güteklassen (schnell/langsam, 
mit/ohne Backup) im RZ eines lokalen Partners. Dort haben wir eine 
gegenseitige Abhängigkeit (ohne den können wir unser Geschäft nicht mehr 
tun, ohne uns fällt dem ein substantieller Teil des monatlichen Umsatzes 
weg), aber es funktioniert stabil.


Viel wichtiger aber: Dieses Modell ist möglicherweise teurer, als 
Hardware und Software selbst vorzuhalten. Aber es ist *deutlich* 
billiger, als Hardware und Software *und* Personal, Prozesse, Wissen, 
Qualifikation ... für deren Betrieb immer selbst vorzuhalten. Aus dieser 
Brille ist die Entwicklung für mich sogar konsequent, nahtlos, 
folgerichtig: Irgendwann gab es einzelne Rechner, für die Software 
individuell entwickelt wurde durch die Leute, die die Maschine kannten. 
Irgendwann gab es Betriebssysteme für eine Klasse von Maschinen - die 
Betriebssystem-API war "Schnittstelle", und die Anwendungsentwickler 
obendrüber mussten nicht zwingend die Maschinen kennen (und die 
Betriebssystementwickler "darunter" nicht mehr zwingend die 
Anwendungs-Use-Cases). Irgendwann gab es Virtualisierung auf 
Maschinenebene, und plötzlich mussten Betriebssysteme nicht mehr auf 
spezifischem Blech laufen, konnten Betriebssysteminstallationen mit 
Anwendungen darauf zwischen Maschinen verschoben, portiert, ... werden. 
Irgendwann gab es VMs in der "Cloud", bei der man zwar wusste, das 
natürlich Hardware untendrunterliegt, sich darum aber gar keine Gedanken 
mehr machen musste. Die Schnittstelle zwischen "Anwendung" und 
"Infrastruktur", zwischen "eigener Arbeit" und "Einkaufbarem" rutscht 
stückweise höher - was erwartungskonform ist, weil es überall anders in 
einer arbeitsteiligen, sich immer mehr spezialisierenden Gesellschaft 
genau so läuft.


Und ich denke durchaus, dass das auch für Nachhaltigkeit gut ist. Etwa: 
Stand heute bräuchten wir aus Redundanzgründen eigentlich mindestens 
vier Leute um Systems Engineering - von denen sich aber mindestens zwei 
immer 

Re: OT? Analogien (Re: OT Vertrauen, Strukturen, Technologie)

2020-05-13 Diskussionsfäden Kristian Rink

Am 13.05.20 um 10:00 schrieb Theo Schmidt:


Ähnliche Analogien lassen sich für andere Gebiete aufstellen, z.B. 
Verkehr, Energie. Leider ist meine Erfahrung, dass die Anhänger der aus 
meiner Sicht besseren Alternativen dies meistens nur für ihr Gebiet so 
sehen, und nicht auch für die anderen. So sind z.B. gleichzeitige 
Linux-Bio-Solar-Fahrrad-Menschen relativ dünn gesät.




Genau das.

Und das ist aber auch teilweise berechtigt. Ich erlebe das im Umfeld 
immer mal wieder mit Aktivisten, die sich vorrangig mit 
"Nicht-IT-Themen" beschäftigen und oft extrem locker die Tools von 
Google und Co. nutzen. Die Wahrnehmung dort ist immer diesselbe: 
Unlösbare große Herausforderungen, kritische Probleme, viel zu wenig 
Leute, die dafür aktiv werden und Zeit erübrigen können/wollen. IT 
bleibt dann "bloßes Werkzeug", das es eben braucht, um kommunizieren und 
arbeiten zu können - und damit ein Werkzeug, bei dem man das nutzt, das 
den wenigsten (Zeit-, Betriebs-, Einarbeitungs-, ...) Aufwand verursacht 
und auch für potentiell Mitstreitende die Einstiegshürde möglichst 
niedrig setzt. Das ist dann gern das billige Android-Tablet oder der 
gebrauchte Acer-Laptop mit der kleinsten denkbaren Windows-Version und 
allem, was dort eben vorinstalliert ist. Dort wird niemand alternative 
Apps oder Programme, geschweigedenn ein neues Betriebssystem installieren.


Dazu kommt beispielsweise, dass subjektiv in meinem Umfeld die 
Bio/Öko-Fraktion entweder gänzlich IT-feindlich aufgestellt ist 
("Spielzeug, das nur Ressourcen verbrennt und niemand braucht") oder 
Apple nutzt ("weil das nachhaltiger ist, die Geräte nicht verramscht 
werden, länger genutzt werden können und Qualität wie auch bei 
Bio-Lebensmitteln nun mal ihren Preis hat").


Die eine Herausforderung ist, Prioritäten zwischen Aktivisten 
verschiedener Spezialgebiete auszugleichen. Das ist eine Baustelle für 
sich. Die andere aber (immer und immer wieder, hier wie andernorts) ist 
aus meiner Sicht die, Komfort, Zugänglichkeit, Nutzbarkeit, 
Verfügbarkeit, Geschwindigkeit von FLOSS-Lösungen eben nicht nur als dem 
Datenschutz und der Privatsphäre entgegengerichtetes lästiges Beiwerk zu 
betrachten, sondern als Kernanforderung, die über (Nicht-)Akzeptanz von 
Lösungen bei relevanten Zielgruppen entscheidet.


Viele Grüße,
Kristian
___
FSFE-de mailing list
FSFE-de@lists.fsfe.org
https://lists.fsfe.org/mailman/listinfo/fsfe-de

Diese Mailingliste wird durch den Verhaltenskodex der FSFE abgedeckt.
Alle Teilnehmer werden gebeten, sich gegenseitig vorbildlich zu
behandeln: https://fsfe.org/about/codeofconduct


Re: Befreiung der Haushalte , der Behörden, ... von Microsoft-Software

2020-05-12 Diskussionsfäden Kristian Rink

Am 13.05.20 um 00:22 schrieb JokerGermany:

Totgesagte Leben länger und sie sind ja nicht dumm.
Sie wollen bei SaaS ihre EIGENEN Kosten drücken, aber doch nicht beim
Kunden ihre eigenen Lizenzgelder überflüssig machen.



Ich erlebe das anders: MS geht mit Azure und den Online-Diensten in 
einen Markt, in dem sie eher kleineren und mittleren RZ-Providern und 
Systemhäusern das Wasser abgraben. Wenn ich Azure nutze, mit AD, 
Exchange-Server, virtualisierten Windows- Arbeitsplätzen und 
virtualisierten Linux-Servern in der Cloud, dann brauche ich noch 
weniger eigenes Blech oder Menschen im eigenen Zugriff, die dieses Blech 
betreiben - und bekomme das zwar sehr sicher etwas teurer, dafür aber 
"dynamischer" im Blick auf die Kosten (sprich ich kann nach oben *und* 
nach unten skalieren).


Das *ist* ein Problem, auch weil es für Unternehmen rein wirtschaftlich 
sehr wenig wirkliche Argumente gegen dieses Modell gibt. Insofern wäre 
es *noch* wichtiger, vergleichbare Offerten von lokalen (DE, EU), 
unabhängigen Dienstleistern zu bekommen, aber in derselben Qualität und 
derselben einfachen Zugänglichkeit (Account registrieren, Firma anlegen, 
Kreditkartendaten hinterlegen und los - die halbe Stunde, die im 
Corona-Lockdown etliche Firmen in meinem Umfeld "in die Cloud gebracht" 
hat). Deswegen hat man derzeit auch, wenn man Datenschutz, digitale 
Unabhängigkeit, ... propagiert, einen eher schlechten Stand.





Habe die Frage letztens in einer Behörde gestellt, da wurde mir gesagt:
"Dann nenn mir doch mal ein Programm mit dem man unter Linux vernünftig
die Clients managen kann."
Gut Frage, aber nicht mein Gebiet...



Ja. Genau das.

Und dort bin ich ehrlich gesagt extrem resigniert. Diese Diskussion ist 
so alt wie die Nacht, die habe ich mit unseren Kunden schon zu Windows 
NT - Zeiten diskutiert: Gruppenrichtlinien. Wir wollen einmal zentral 
für alle Nutzer konfigurieren, wie die Clients aussehen, was sie auf 
ihren Desktops (nicht) dürfen, wann der Rechner bei Inaktivität gesperrt 
wird, welche Netzlaufwerke verfügbar sind, ... . Das geht in aktuellen 
Windows-Umgebungen recht gut und integriert (wenig überraschend 
natürlich umso besser, je mehr der Stapel "rein Microsoft" ist - einen 
Firefox etwa kannst Du auch unter Windows auf diese Weise schlecht 
administrieren, weswegen er in vielen Microsoft-Umgebungen schlicht 
nicht verfügbar ist). Auf Linux geht es "auch irgendwie", aber bislang 
habe ich noch keine Umgebung gesehen, die es annähernd mit der 
Integration und dem Tooling einer "Microsoft-only" - Welt aufnehmen kann. :|



Um das Problem zu lösen, bräuchte es wohl sehr viel mehr Commitment zu 
"public money, public code" - bis hin zu Client- und Server-Systemen für 
die öffentliche Hand. Aber es bräuchte auch in der FLOSS-Community 
endlich mal ein Commitment, solche (wie gesagt seit langem immer wieder 
vorgetragenen) Argumente wegzubekommen. Das wäre bedeutend wichtiger, 
als zwei Dutzend marginal verschiedene Linux-Distributionen, ein halbes 
Dutzend mehr oder weniger gute Linux-Desktop-Umgebungen, ... zu haben.


Viele Grüße,
Kristian
___
FSFE-de mailing list
FSFE-de@lists.fsfe.org
https://lists.fsfe.org/mailman/listinfo/fsfe-de

Diese Mailingliste wird durch den Verhaltenskodex der FSFE abgedeckt.
Alle Teilnehmer werden gebeten, sich gegenseitig vorbildlich zu
behandeln: https://fsfe.org/about/codeofconduct


OT Vertrauen, Strukturen, Technologie (Re: Befreiung der Haushalte , der Behörden, ... von Microsoft-Software)

2020-05-12 Diskussionsfäden Kristian Rink

Hallo Roland;

Am 12.05.20 um 23:03 schrieb Roland Hummel:


"Erstaunt" deswegen, weil Sicherheit immer relativ und völlig sinnlos
ohne ein klares Bedrohungsmodell ist. Wer ist denn "der Feind"? Wen will
ich vor was genau schützen? Was brauche ich *genau*, um diese
Bedrohungen zu unterbinden und den Schutz zu erreichen, den ich will?


ich bin auch nach dem dritten Mal Lesen noch verwirrt: War das nicht
genau der Fragehorizont, den ich vorher schon bereits mit der Frage, vor
wem genau ich wirklich/besser/eigentlich Angst haben sollte, aufgeworfen
hatte?



Meine Frage zielte darauf ab, das etwas rationaler anzugehen, wie ich 
geschrieben hatte. Also:



- Welche Daten von mir liegen bei wem?

- Welche "dritte Partei" bekommt schlimmstenfalls Zugriff auf diese Daten?

- Was wären im schlimmsten Fall die Konsequenzen für mich, wenn das 
passiert?


- Wie wahrscheinlich ist, dass das passiert?


Einer der aus meiner Sicht negativen Aspekte aus den 
Snowden-Enthüllungen ist, dass es in weiten Teilen der Bevölkerung eine 
vergleichsweise pauschale, schlecht greifbare Angst vor einem 
"böswilligen Dritten" gibt, die nie wirklich hinterfragt wird. In meinem 
näheren Umfeld erlebe ich das gerade als ein "Element", das recht 
obskuren Verschwörungstheorien Auftrieb verschafft. Deswegen fände ich 
es gut, diese Themen durchaus mal im Detail zu betrachten.




Ja, alles schön ung gut, das "happy-path"-Argument lässt sich aber
genauso gut umdrehen: Ich soll also im Zweifel besser dem Angebot von
IT-Monopolist X vertrauen, weil der ja eine Rechtsabteilung hat, bei der
ich mich notfalls beschweren kann? 


Ich sagte auch nicht, dass es *leicht* ist. Aber ich sagte, dass es 
*geht. Siehe etwa Datenschutz und Twitter vs. "Mastodon/Fediverse": In 
ersterem Fall gibt es *eine* Firma, *eine* Organisation, die man im 
Zweifelsfall greifen und vor den Kadi zerren kann. In zweiterem Fal ist 
das ein Zusammenschluss von lose organisierten Individuen, die Dinge 
tun; unter Umständen erreichst Du nicht einmal alle Leute, die Du im 
Falle eines Missbrauches belangen müsstest, weil Du nicht weißt, wer 
hinter den Systemen steht.


Das Thema "Struktur/Rechtsabteilung" hat aber noch einen anderen Aspekt: 
Was glaubst Du, wer für Übergriffe durch "unerwünschte Dritte" ein 
leichteres Ziel ist - ein großer Konzern mit Strukturen und idealerweise 
transparenten Prozessen, in die in der Regel > 1 Mensch involviert sind? 
Oder ein Individuum, das allein und eigenverantwortlich einen Dienst pro 
bono betreibt?





Fernab solcher Reflexionen habe ich in praktischer Weise die Grenze in
der "Post-Vertrauens-Gesellschaft" durch die Frage gezogen, wo ich
sinnvoll etwas zu zivilgesellschaftlich kontrollierbaren IT-Systemen
beitragen kann: Bei Hardware gewiss nicht (weil wir Jahre davon entfernt
sind, eigene, offene Hardware produzieren zu können), bei Software
durchaus (weil es Freie Software in ausreichender Menge und Qualität
gibt - jedenfalls für meine Anforderungen). 


Wenn Du aber das und das mit der "Post-Vertrauens-Gesellschaft" wirklich 
so ernst und schwarz/weiß meinst, wie es ankommt, dann darfst Du getrost 
aufhören, IT zu nutzen. Was nützt zivilgesellschaftlich kontrollierbare 
Software, wenn die Hardware, die Netzwerk-Ausrüstung, ..., auf der diese 
Software läuft, fest proprietäre und intransparent sind? Über den 
Umstand, dass FLOSS nur allzu oft Sponsoring und Beiträge von 
Herstellern proprietärer Software und Dienste beinhaltet, reden wir hier 
gar nicht erst.


Das Minimum, was man in einer "Post-Vertrauens-Gesellschaft" will, ist 
strenge Verschlüsselung aller Daten, die auf Hardware sind, die in 
irgendeiner Form mit Netzen in Berührung kommt, und vermutlich reicht 
dann nicht mal das - weil es erfordern würde, dass man der Qualität und 
Unbrechbarkeit der Verschlüsselung vertraut (wovon dann nicht auszugehen 
ist).



Ich seh das im Moment anders: Vertrauen ist immer relativ. Ich muss 
abwägen, wem ich wie weit vertraue, und mich auf dieser Basis 
entscheiden, wie viel über mich ich demjenigen offenlege. Im Analogen 
wie im Digitalen.





Was nun Dienste im Netz betrifft halte ich es persönlich wie mit der
Wahl zwischen einem Apfel, den mir ein Kleingärtner beim Spaziergang
durchs Dorf anbietet und dem, was ich im Supermarkt geboten bekomme: Die
Angebote im Supermarkt mögen Güte-Siegel in vielfacher Form haben. Wenn
ich die Wahl habe gebe ich immer dem Kleingärtner den Vorzug, weil er
für die Welt, in der ich leben möchte, auf jeden Fall etwas richtiger
gemacht hat als die, die die Füllstoffe produzieren, die ich im
Supermarkt bekomme.



Ich kauf' mein Gemüse und auch meine Kartoffeln auch gern auf dem Dorf 
beim Bauer nebenan, weil ich den lieber unterstützen möchte als 
Agrar-Konzerne und industrielle Landwirtschaft. Und ich *weiß*, dass der 
kein Bio-Bauer ist, dass er mit Düngemittel und Pestiziden arbeiten 
muss, weil er sonst nicht ansatzweise so viel Ertrag haben könnte, um 
auch nur mit einer schwarzen Null aus 

Re: Befreiung der Haushalte , der Behörden, ... von Microsoft-Software

2020-05-12 Diskussionsfäden Kristian Rink

Hi Theo, *;

Am 12.05.20 um 09:34 schrieb Theo Schmidt:


Das glaube ich gerne. Es liegt auch daran, dass sich niemand für den 
Speicherplatz verantwortlich fühlt, wenn er nicht irgendwie beschränkt 
wird. Und die schlichte Unwissenheit auf allen Stufen. Einer meiner 
Kollegen mit vielen Qualifikationen ist trotzdem nicht in der Lage, den 
Text eines Dokuments zur Bearbeitung platzsparend zu verschicken, weil 
voll von hochaufgelösten und eingebetteten Bildern. Er weiss weder wie 
die Bilder zu reduzieren, noch sie zu verlinken (oder wegzulassen), und 
verschickt somit riesige Emails. Ganz schlimm sind die Einstellungen 
einiger Mailsclients, sämtliche Anhänge mit Antworten zurückzuschicken.




Volle Zustimmung. Ich als linux-sozialisiertes Lästermaul habe auch 
gerade heute erst meine "Lernkurve" und Erdung erfahren in erstmaliger 
Notwendigkeit, im Outlook im Web im Office 365 eine Nachricht 
beantworten zu müssen. Ich habe schlußendlich "nur" meine Antwort 
geschickt, weil es mir nicht gelungen ist, vernünftig die zwei Zeilen, 
die ich brauchte, zu zitieren.


Das Thema halte ich insofern schon für interessant, aber hier sehe ich 
zwei Baustellen, die mit FLOSS nur am Rande zu tun haben, für die ich 
aber keine Lösung kenne:



- Allgemein: Investition in nachhaltige, ressourcenschonende 
IT-Infrastruktur als ganzheitliches Konzept. Das berührt Speicherplatz 
und Bandbreite, das berührt aber auch Themen wie Platz-, Energie, 
Zeitbedarf (Menschen, die Kraft in den Betrieb von Technik investieren 
und dafür andere Dinge nicht tun können). Dort stelle ich mir manchmal 
schon die Frage, wie "effizient" ein KMU mit eigenem Serverraum hier ist 
im Vergleich zu Google oer Amazon, die das in extrem großem Stil und 
extrem optimiert machen bis zu einem Punkt, an dem sie sogar so etwas 
wie "green IT" systematisch steuern und beeinflussen können. Wenn ich 
mir nur [1] anschaue und vergleiche, mit welchen Problemen meine 
Organisation zu kämpfen hat, weiß ich, dass wir (und alle anderen, die 
ich im Umfeld kenne) *meilenweit* entfernt davon sind, sich solche 
Fragen auch nur stellen zu können.



- Konkreter: Optimierungsmöglichkeiten für kleinere Strukturen und 
Behörden in diesem Dunstkreis. In DE sehe ich nach wie vor Fachkräfte- 
und an vielen Stellen auch Budget-Mangel. Für die meisten 
Organisationen, mit denen ich zu tun habe, sind Ansätze wie Amazon oder 
Azure deswegen interessant, weil sie extrem gut in *beide* Richtungen 
skalieren. Brauch ich viel Ressourcen oder hoch verfügbare Dienste, 
bezahle ich viel. Brauch ich weniger Ressourcen, bezahle ich weniger. 
Habe ich weniger Geld, muss ich über meinen Ressourcenbedarf nachdenken. 
Mit self-hosted IT und Infrastrukturbetrieb in Eigenverantwortung, mit 
eigenen Leuten und Prozessen skaliert das für gewöhnlich nur in eine 
Richtung - nach oben; Rückbau von Infrastruktur und Personal bei weniger 
Last ist deutlich komplexer, wenn überhaupt möglich. Das ist aus 
wirtschaftlicher Sicht Mist (weil es Kosten ohne Nutzen verursacht), 
aber es ist auch als Nachhaltigkeitsperspektive eklig (weil ich unter 
Umständen Leute habe, die "da" sein müssen, aber nix Sinnvolles tun 
können, oder weil ich Server und Storage habe, die "halbleer" laufen, 
aber nicht reduziert werden können).


Diese Themen sind aus meiner Sicht hinreichend relevant und spannend, 
aber absolut nichts, wofür die Lizenz von Software irgendwie maßgeblich 
wäre. Deswegen weiß ich nicht so recht, ob das (a) hier überhaupt Thema 
ist und (b) wie man das sinnvollerweise angehen kann. Und ich sehe auch 
durchaus Konfliktpotential: Selfhosting aus Perspektive "digitaler 
Autonomie" vs. eventuell Aspekte der Nachhaltigkeit / Ökologie?


VG,
Kristian


[1]https://www.google.com/about/datacenters/efficiency/
___
FSFE-de mailing list
FSFE-de@lists.fsfe.org
https://lists.fsfe.org/mailman/listinfo/fsfe-de

Diese Mailingliste wird durch den Verhaltenskodex der FSFE abgedeckt.
Alle Teilnehmer werden gebeten, sich gegenseitig vorbildlich zu
behandeln: https://fsfe.org/about/codeofconduct


Re: Befreiung der Haushalte , der Behörden, ... von Microsoft-Software

2020-05-11 Diskussionsfäden Kristian Rink

Am 11.05.20 um 14:39 schrieb Theo Schmidt:


Da stimme ich dir trotz meiner vorherigen Aussage zu *wenn man sich an 
etwas gewöhnt hat*. Mir geht es eigentlich auch so. Ich habe mich so an 
den tollen Konqueror von KDE 3.5 gewöhnt vor allem für den 
Dateiaustausch zwischen verschiedenen Webservern via fish:// (ssh), dass 
ich ihn immer noch verwende. Nun hat KDE diesen nicht nur schon lange 
aufgegeben, sondern aus unerklärlichen Gründen auch beim Nachfolger 
Dolphin keine Möglichkeit für das heute populäre FTPS (statt SFTP) 
Protokoll eingebaut. So bin ich gezwungen, für diese Arbeiten Thunar zu 
verwenden, was recht gut geht, aber eben weniger komfortabel ist.

>

... und das ist nur ein Teilaspekt und eben auch nur etwas, was 
"nervig", aber weiterhin möglich ist (weil Du imstande bist, das Problem 
zu verstehen und eine andere Lösung zu finden). Jane Doe hilft sich 
genau so und nutzt auf ihrer Verständnisebene für die Probleme genau die 
 Lösungen, die ihr dort einfallen. Das ist aber eben 10k Fuß weiter 
oben, von der Flughöhe her. Entsprechend ist klar, welche Lösungen dort 
in Betracht kommen.





Als ich das noch nötig hatte, konnte ich sowohl mit Korganizer als auch 
mit Lighting/Firefox/Thunderbird mit Outlook-Kalendern synchronisieren. 
Vielleicht geht es noch.




*Synchronisation* von Kalendern ist erstmal kein Thema. Was ich meine, 
ist das Feature von "geteilten" Kalendern und die Erwartungshaltung an 
den Client: Gib mir ein Zeichen, wenn ich "jemanden" aus meiner 
Organisation zu einem Termin einladen will, zu dem die Person schon 
verplant ist. Das hab ich im Thunderbird und auch im Evolution bislang 
noch nie hinbekommen - auch weil dort im "offenen Umfeld" die 
Komplexität beliebig groß ist: Verschiedene Server-Implementationen, die 
sich unterschiedlich verhalten. Verschiedene Clients, die Standards 
verschieden deuten.


Viele Grüße,
Kristian
___
FSFE-de mailing list
FSFE-de@lists.fsfe.org
https://lists.fsfe.org/mailman/listinfo/fsfe-de

Diese Mailingliste wird durch den Verhaltenskodex der FSFE abgedeckt.
Alle Teilnehmer werden gebeten, sich gegenseitig vorbildlich zu
behandeln: https://fsfe.org/about/codeofconduct


Re: Befreiung der Haushalte , der Behörden, ... von Microsoft-Software

2020-05-11 Diskussionsfäden Kristian Rink

Am 11.05.20 um 13:54 schrieb Theo Schmidt:

Am 11.05.2020 um 11:57 schrieb Kristian Rink:

... Aber auch bei Anwendungen, die eher "Standard" sein sollten, ist
es leider hakelig genug. Siehe etwa das wiederkehrende Thema Kalender
und Termine: Ich will (im Home-Office...) eine Video-Konferenz anlegen
und dafür eine Zeit suchen, zu der alle Zielkandidaten "verfügbar" sind.
Mit Teams und "integrierten" Lösungen ist das einfach.


Aber vermutlich nur für die, welches das verwenden.



Natürlich. Aber deswegen sind (Wahrnehmung) 8 von 10 Firmen in meinem 
gegenwärtigen Umfeld entlang von COVID-19 auf O365 gewechselt: Weil es 
keine akuten Alternativen gab, die erreich- oder in dieser Zeit 
realistisch ausrollbar gewesen wären.





Darüber hinaus wird das echt eng. Gegenwärtig sind durch die schnelle
Flucht ins Home-Office viele Unternehmen auf Teams und O365 gewechselt,
und zumindest bei uns hier ist das im Blick auf die Endanwender nahezu
reibungslos (im Sinne von "ohne großen Schulungs-, Erklärungs- oder
Administrationsbedarf") durchgelaufen.


Das ist ja genau das Problem. Viele private und Steuergelder fliessen 
unnötig zu Microsoft, oder bei anderen Firmen zahlt man mit Daten. Alles 
wegen ein bisschen Komforts.


Ersterem stimme ich zu. Dem "bisschen Komfort" nicht. Das ist leider ein 
Standardproblem, an dem viele FLOSS-Lösungen scheitern: Die werden oft 
von Experten propagiert, die (im Extremfall, so wie ich) auf dem 
Terminal unterwegs sind, seit Jahren diese Welt kennen und die kein 
Problem damit haben, Komfort zugunsten von Sicherheit zu opfern, weil 
sie trotzdem noch handlungsfähig bleiben (auch wenn es gelegentlich 
wehtut und manchmal nervt).


Aber das ist privilegiert. "Das bisschen Komfort" ist für die 
überwiegende und immer größer werdende Mehrheit der Nutzer die 
Entscheidung, Technik überhaupt verwenden zu können.





In Jitsi geht Screensharing und Chaten gut, und ich bin froh, dass mein 
Kalender nichts von jeder Konferenz weiss. Ausserdem ist es das einzige 
Client-Programm dieser Art, das ich ohne zu Registrieren oder etwas via 
Google, Microsoft oder Apple zu installieren, überhaupt nutzen kann.




Das ist gut für Dich. ;) In meinem Team, insbesondere im Home Office, 
möchte ich *durchaus* mit möglichst wenig Aufwand wissen, wer wann 
verfügbar ist, und nicht über (n) Runden telefonieren und 
Terminvorschläge hin- und herschicken. Und, mit Verlaub: Das ist ein 
offensichtliches und nachvollziehbares Feature insbesondere für 
Firmen-Einsatz. Das funktioniert im Exchange/Outlook-Umfeld seit 
mindestens 15 Jahren. Warum nur dort? Warum nicht über offene Standards 
mit offenen Werkzeugen - oder über einen Dienstleister, von dem ich so 
etwas "auf Zuruf" (Firmenname + Kreditkarte) kaufen kann, in einer 
Situation wie Lockdown?


Viele Grüße,
Kristian
___
FSFE-de mailing list
FSFE-de@lists.fsfe.org
https://lists.fsfe.org/mailman/listinfo/fsfe-de

Diese Mailingliste wird durch den Verhaltenskodex der FSFE abgedeckt.
Alle Teilnehmer werden gebeten, sich gegenseitig vorbildlich zu
behandeln: https://fsfe.org/about/codeofconduct


Re: Befreiung der Haushalte , der Behörden, ... von Microsoft-Software

2020-05-11 Diskussionsfäden Kristian Rink

Hi Roland,

Am 11.05.20 um 13:12 schrieb Roland Hummel:


Wieso erstaunt? Ich gehöre auch zu "denen", denn ich sage mir:
Mit FLOSS-Lösungen von "irgendjemandem" *könnte* ich verlieren, mit
Google *habe* ich verloren - jedenfalls unter einer
Sicherheitsperspektive, die "post Snowden" darüber reflektiert, vor wem
ich wirklich Angst haben sollte.



"Erstaunt" deswegen, weil Sicherheit immer relativ und völlig sinnlos 
ohne ein klares Bedrohungsmodell ist. Wer ist denn "der Feind"? Wen will 
ich vor was genau schützen? Was brauche ich *genau*, um diese 
Bedrohungen zu unterbinden und den Schutz zu erreichen, den ich will?


Beispiel: XMPP, siehe [1]. Wir lernen: Auch dort fallen in relevantem 
und durchaus nicht unerheblichem Inhalt Metadaten an auf den Servern - 
der durchaus auch administrativ zu missbrauchen wäre und bei dem an 
vielen Stellen augenscheinlich eher "happy-path" angenommen wird, dass 
dort schon niemand Unsinn machen wird.


Eine Perspektive dort etwa: Google, Microsoft, ... sind zumindest klare 
Einheiten mit Rechtsabteilungen, an denen ich mich juristisch abarbeiten 
kann und die Prozesse und Verantwortlichkeiten haben. Die haben vor 
allem auch Prozesse und Möglichkeiten, sich ggfs. gegen Übergriffe durch 
unerwünschte Dritte zu wehren. Was ist mit (nicht negativ gemeint) einem 
Feld/Wald/Wiesen-Dienstleister, der von drei, vier Individualisten 
getragen wird? Hat der Prozesse und Transparenz, um ihm begründet zu 
vertrauen? Wie robust ist der etwa, sich gegen "Befindlichkeiten" auf 
Zugriff auf die Systeme, Herausgabe von Daten, ... notfalls zu 
verteidigen? Wie robust hat der seine IT im Griff, um "Durchgriff" gegen 
seinen Willen zu unterbinden? Wie "idealistisch" ist der wirklich, um 
nicht im Zweifelsfall doch einzuknicken, wenn ihn "jemand Externes" mit 
Geld zuschütten will für gewisse Gegenleistungen in einer Situation, in 
der gerade wirtschaftliche Unebenheiten zu überwinden sind?


Viele, die zu diesem Thema kommunizieren, argumentieren (zu Recht) mit 
Snowden und allem Verwandten, aber die Schlussfolgerungen sind mir 
teilweise zu fragwürdig. Nach wie vor etwa haben wir viel zu wenig 
Systeme, die wirklich konsequent (Meta)Daten, Nutzernamen, 
Kommunikation... verschlüsseln. Wir haben viel zu wenig Systeme, die 
schnelle und verlässliche Kollaboration und Datenhaltung erlauben, ohne 
Server zu benötigen. Wir haben viel zu wenig echt *vertrauenswürdige* 
Endgeräte-Systeme (auch bei Linux ist für Jane Doe das Vertrauen 
letztlich nur "Glauben", nicht "Wissen" oder gar einfache 
"Verifizierbarkeit" - spätestens "root" darf alles, und eigentlich 
reicht ein kompromittiertes Paket im Repository, das mit root-Rechten 
installiert und vielleicht betrieben wird, um verloren zu haben).


Deswegen würde mich hier Anforderungsanalyse und systematische Prüfung 
bestehender Systeme und Ideen gegen diese Anforderungen interessieren.


Viele Grüße,
Kristian


[1]https://infosec-handbook.eu/blog/xmpp-aitm/
___
FSFE-de mailing list
FSFE-de@lists.fsfe.org
https://lists.fsfe.org/mailman/listinfo/fsfe-de

Diese Mailingliste wird durch den Verhaltenskodex der FSFE abgedeckt.
Alle Teilnehmer werden gebeten, sich gegenseitig vorbildlich zu
behandeln: https://fsfe.org/about/codeofconduct


Re: Befreiung der Haushalte , der Behörden, ... von Microsoft-Software

2020-05-11 Diskussionsfäden Kristian Rink

Am 11.05.20 um 10:14 schrieb T. Schilde - Firetech Consulting:
[...]

Und leider gibt es in unserem Bereich immer noch eine viel zu große
Lücke bei den Fachanwendungen bis hin zum vernünftigen Umgang mit
pdf-Dateien. Wer bspw. mit großen in CAD Software erzeugten PDF-Plänen
umgehen muss (Dateigrößen deutlich über 10MB), der findet unter Linux
nichts was diese Funktion auch nur annähernd so beherrscht wie ein Adobe
Reader bzw. Acrobat unter Windows. Auch für die Erstellung und
Verarbeitung von GAEB-Dateien (elektronische Ausschreibungen, heute
Standard!) gibt es unter Linux nichts. 

[...]

Jupp, das ist hier ähnlich. Fachanwendungen sind derzeit noch gänzlich 
"raus". Aber auch bei Anwendungen, die eher "Standard" sein sollten, ist 
es leider hakelig genug. Siehe etwa das wiederkehrende Thema Kalender 
und Termine: Ich will (im Home-Office...) eine Video-Konferenz anlegen 
und dafür eine Zeit suchen, zu der alle Zielkandidaten "verfügbar" sind. 
Mit Teams und "integrierten" Lösungen ist das einfach.


Darüber hinaus wird das echt eng. Gegenwärtig sind durch die schnelle 
Flucht ins Home-Office viele Unternehmen auf Teams und O365 gewechselt, 
und zumindest bei uns hier ist das im Blick auf die Endanwender nahezu 
reibungslos (im Sinne von "ohne großen Schulungs-, Erklärungs- oder 
Administrationsbedarf") durchgelaufen. Mit den offenen Lösungen, die ich 
bislang dafür genutzt habe, scheiterte das schon an dieser 
Status-Abfrage ("warne mich, falls $KONTAKT im fraglichen Zeitfenster 
schon blockiert ist"); von Integration für Video- oder Audio-Konferenzen 
und vielleicht in diesen Konferenzen noch halbwegs robustem 
Screensharing und Mitführen von kollaborativ bearbeitbaren Notizen reden 
wir dort noch gar nicht. Konsequenz wäre hier bei einer selbst 
gehosteten Lösung: *Erheblich* mehr Aufwand für eine potentiell 
erheblich holprigere Arbeitsumgebung. Und viele Organisationen haben 
derzeit ohnehin schon keine Kraft, Dinge zu stemmen, die *wenig* 
IT-Aufwand erfordern...


Viele Grüße,
Kristian
___
FSFE-de mailing list
FSFE-de@lists.fsfe.org
https://lists.fsfe.org/mailman/listinfo/fsfe-de

Diese Mailingliste wird durch den Verhaltenskodex der FSFE abgedeckt.
Alle Teilnehmer werden gebeten, sich gegenseitig vorbildlich zu
behandeln: https://fsfe.org/about/codeofconduct


Re: Befreiung der Haushalte , der Behörden, ... von Microsoft-Software

2020-05-11 Diskussionsfäden Kristian Rink

Am 11.05.20 um 10:04 schrieb Theo Schmidt:


Hier kommt der Sicherheitsaspekt dazu. Teilaspekte mit unabhängigen 
Programmen abzudecken ist weniger komfortabler als eine Gesamtlösung aus 
einer Hand, aber viel sicherer. 


Ja, den Sicherheitsaspekt sehe ich auch. Dort bin ich indes auch dieser 
Tage immer mal wieder erstaunt, dass Menschen aus 
"Sicherheitserwägungen" die Systeme der großen Anbieter verlassen, um 
teilweise privaten Datenaustausch, Videokonferenzen, ... über 
"irgendwelche Server von irgendjemandem" abzubilden, für die gern das 
einzige Argument zu sein scheint, dass die nicht von Google, Microsoft, 
... kommen.


"Sicherheit" gehört ganz klar zu den Anforderungen, die es zu definieren 
und klären gilt. Aber die sollte man definier- und auch irgendwie 
vergleichbar bekommen. Aus meiner Wahrnehmung passiert das zurzeit 
selten bis nie, dort dominieren eher Allgemeinplätze wie "Hauptsache 
nicht Google/Microsoft". Das ist nicht hilfreich, auch weil sich damit 
keine wirklich besseren Alternativen schaffen lassen.


Viele Grüße,
Kristian
___
FSFE-de mailing list
FSFE-de@lists.fsfe.org
https://lists.fsfe.org/mailman/listinfo/fsfe-de

Diese Mailingliste wird durch den Verhaltenskodex der FSFE abgedeckt.
Alle Teilnehmer werden gebeten, sich gegenseitig vorbildlich zu
behandeln: https://fsfe.org/about/codeofconduct


Re: Befreiung der Haushalte , der Behörden, ... von Microsoft-Software

2020-05-11 Diskussionsfäden Kristian Rink

Am 11.05.20 um 09:39 schrieb Theo Schmidt:


Leider scheint der "Kampf" um Office-Produkte verloren: ich sehe überall 
MS Office 365, obwohl die Leute (inkl. Steuerzahler) dafür jedes Jahr 
teuer bezahlen müssen.


Jupp. Wobei ich andererseits auch immer mal wieder nach Alternativen 
gefragt werde und mich extrem schwer tue, Sinnvolles zu empfehlen unter 
der Maßgabe, dass diesselben Anforderungen stehen, konkret:


- Anwendung läuft hinreichend verlässlich auf allen Systemen, 
idealerweise im Browser.


- Anwendung hat Chat, Video/Audio-Calls, Kalender, 
Office-Funktionalitäten integriert.


- Anwendung ist gern kostenpflichtig, läuft aber ohne eigenen 
IT-/Infrastruktur-Aufwand.


Ich kann immer Lösungen nennen, die *Teilaspekte* davon abdecken. O365 
ist auch funktional weit weg davon, "perfekt" zu sein, aber bislang 
fehlt mir eine Lösung, die das, was O365 tut, in dieser Qualität und 
einfachen Verfügbarkeit tut.


Das zu lösen würde aus meiner Sicht neben Freier Software vor allem ein 
massives Investment in Freies / nachhaltiges Hosting erfordern. 
Erwartungshaltung: Es gibt einen Anbieter, über dessen Website ich 
idealerweisein 5min mit Kreditkarte für meine Firma, Organisation, ... 
ein O365-ähnliches System registriert und aktiviert bekomme und das dann 
für all meine Kollegen, Mitarbeiter, Nutzer, ... mit ausreichender 
Sicherheit funktioniert.


Können wir das derzeit? Was brauchen wir eventuell, um dorthin zu 
kommen? Sind wir schon an einem Punkt, wo wir Haushalte und Behörden von 
MS Office befreien und *trotzdem* arbeitsfähig halten können...?


VG,
Kristian

___
FSFE-de mailing list
FSFE-de@lists.fsfe.org
https://lists.fsfe.org/mailman/listinfo/fsfe-de

Diese Mailingliste wird durch den Verhaltenskodex der FSFE abgedeckt.
Alle Teilnehmer werden gebeten, sich gegenseitig vorbildlich zu
behandeln: https://fsfe.org/about/codeofconduct


Re: Wie von integrierenden proprietären IT-Anbietern wegkommen?

2020-03-20 Diskussionsfäden Kristian Rink
Hallo Bernhard, *;


danke für die Anmerkungen. Vorab: Nach "außen" (im Diskurs mit
Menschen, die ich von FLOSS überzeugen möchte) kommuniziere ich auch
anders, aber an dieser Stelle scheint mir Zeit und Ort gegeben, gewisse
Dinge auch mal kontroverser anzusprechen... ;)



Am Freitag, den 20.03.2020, 13:44 +0100 schrieb Bernhard E. Reiter:
> 
> > Sicher: Die Industrie fokussiert
> > darauf, ihre Produkte an eine große, größtmögliche Masse zu
> > bringen.
> 
> Denn es gibt viele Angebote (von "der Industrie"), welche sich an 
> Nischen richten oder bestimmte Dinge anders machen. 
> (Beispiele Posteo.de und Mailbox.org als test.de Sieger bei Email-
> und Kalenderanbietern für Leute die Privatsphäre mögen.)
> Die Frage ist: Werden sie angenommen?
> 

Das kommt darauf an. Dort bin ich mir arg unsicher. Meine sehr
subjektive Wahrnehmung oder Angst ist: Diese Anbieter haben
grundsätzliche Nachteile, weil sie zwar gut sind, ihre Aufgaben solide
erledigen, aber relativ weit hinter dem zurückliegen, was Apple,
Google, Microsoft seit langem tun. Kalender und Mail sind ja schön,
aber das sind Dinge, über die sich bei den großen Anbietern (und auch
vielen Nutzern) kaum jemand mehr Gedanken zu machen scheint. Zumindest
in meinem Umfeld (subjektive Brille, wie gesagt), wird das als völlig
selbstverständlich  funktionierend vorausgesetzt und (möglicherweise
anderes Problem) als Teil des "Systems" angenommen, das man gekauft hat
- wie noch vor 25 Jahren alle Welt davon ausgegangen ist, dass ein PC
und Windows untrennbar zusammengehören. Dazu kommt, dass Mail
insbesondere im privaten Umfeld außerhalb einer gewissen Nutzergruppe
in der Breite kaum noch Relevanz zu haben hat, zumindest kann ich mich
nicht mehr erinnern, wann ich die letzte *private* Konversation via
Mail geführt hätte. 


> > Eine große Masse der Leute, die in der
> > FLOSS-Entwicklung aktiv sind, sind eben *Entwickler*. Menschen, die
> > Code schreiben. Deutlich seltener UI/UX-Experten, Designer oder
> > Projektmanager.
> 
> Die Fähigkeit "Software-Entwicklung" schließt normalerweise den
> Design, UX und Managing-Teil mit ein. Und darum gibt es auch sehr
> viele Leute mit diesen Fähigkeiten die Freie Software mitentwickeln. 
> 

Jein. Dann lass es mich anders formulieren: Zu viele FLOSS-Projekte
(Ausnahmen bestätigen die Regel) sind code-zentriert und von
Programmierern nach technischen Gesichtspunkten vorangetrieben.
Deswegen führt man teilweise auch ewige Diskussionen, warum Projekte
wie GNOME oder elementary relativ detaillierte bzw. restriktive HID-
Guidelines haben. Das ist nicht wirklich schlimm, aber es ist unredlich
und für Endnutzer*in schwierig, ih* die Ergebnisse der Arbeit eines
solchen Projektes vorzuschlagen als Alternative zu einem professionell
(egal ob proprietär oder FLOSS) entwickelten, betriebenen "Produkt". 

Vielleicht ist das auch die Abgrenzung, die es braucht - professionell
vs. "Hobby-Projekt"? Das würde auch dezentrale Systeme für Chat, ...
anders einordnen: Bekomme ich die Verfügbarkeit von WhatsApp oder
Telegram verbunden mit besserem Datenschutz von einem "Einzelkämpfer",
der irgendwo allein einen Server betreibt, oder will ich dafür einen
verläßlichen Anbieter? Bekomme ich (aktuelle Situation)
Videokonferenzsysteme sicher, stabil und schnell auf "kostenfreien"
Servern irgendwo im Netz, oder will ich dafür einen professionellen
Betreiber / Partner, der dann natürlich Geld kostet? 




>
> Das ist vielen Leuten verständlich,
> zumindest wenn sie ernsthaft darüber nachdenken.
> Viele würden gern mal 2 Euro für Freie Software bezahlen,
> die Möglichkeiten dafür werden immer besser, sind aber noch zu
> schwer.
> 

Ja, deswegen finde ich auch Ideen wie den App-Store in elementary so
wichtig (pay-what-you-want, bei dem es einen eingestellten
Mindestbetrag gibt, den man manuell auf €0 setzen *kann*). Aber der Weg
ist noch zu lang und die Systeme sind an manchen Stellen auch noch zu
hakelig. Und ich weiß nicht, wie intensiv an diesen Themen gearbeitet
wird.



> Du kannst sowohl f-droid.org, wie auch einzelne Anwendungen
> finanziell unterstützen. (Mache ich seit einigen Jahren. Was hält
> Dich davon ab? >;) )
> 

Dto. Aber das ist ein anderer Punkt, vielleicht auch nur Terminologie.
Dort wäre mir in f-droid eine Abkehr von der Idee "Spende" hin zu
(s.o.) einem pay-what-you-want-Ansatz, ggfs. auch mit einem
Minimalbetrag, sehr viel lieber. Das würde möglicherweise auch neue
Entwickler dazu motivieren, ihre Anwendungen über diesen Kanal zu
vertreiben. Der momentane Text (von wegen "spendiere dem Entwickler
eine Tasse Kaffee") ist zwar nett gemeint, aber für jemanden, der von
Software leben will oder muss, eher suboptimal. ;)

Viele Grüße,
Kristian

___
FSFE-de mailing list
FSFE-de@lists.fsfe.org
https://lists.fsfe.org/mailman/listinfo/fsfe-de

Diese Mailingliste wird durch den Verhaltenskodex der FSFE abgedeckt.
Alle Teilnehmer werden gebeten, sich gegenseitig vorbildlich zu
behandeln: 

Re: Wie von integrierenden proprietären IT-Anbietern wegkommen? (Re: Bundesbehörde will Microsoft Teams einsetzen)

2020-03-19 Diskussionsfäden Kristian Rink
Hallo Roland;


Am Donnerstag, den 19.03.2020, 16:23 +0100 schrieb Roland Hummel:

> ich vestehe, was Du meinst, finde es aber nicht verkehrt, nach einer
> solchen Auseinadersetzung die Sinnhaftigkeit von Lösungen zu
> diskutieren. Die Ökonomie, in der diese entwickelt werden, arbeitet
> ja nicht so, dass sie auf einen Bedarf reagiert, sie erzeugt ihn
> aktiv. 

Naja. Das ist so ein Standard-Argument, leider, und aus meiner Sicht
bestenfalls nur teilweise zutreffend. Viele Entwickler, die an Nutzern
arbeiten, entwickeln ihre Dienste und Features so, dass sie Nutzer
beobachten, mit Nutzerfeedback umgehen, iterativ kleine oder größere
Funktionen 'reinbringen (oder auch wieder 'rausstreichen) und schauen,
wie die Nutzerschaft darauf reagiert, ob die Funktionen verwendet
werden oder nicht. 

Das ist auch *ein* Grund, by the way, warum viele Apps, auch Web-
Anwendungen, Google Analytics oder anderes "Tracking" beinhalten -
nicht weil die Hersteller die Nutzer ausspionieren wollen, sondern weil
die Entwickler herausfinden wollen, wie die Anwender ihre Anwendung
bedienen, welche Funktionen oft, selten, nie verwendet werden, um die
Bedienbarkeit und Benutzerführung zu ändern. Wir haben das selbst in
einem Projekt erlebt, in dem sich (auch über Analytics) gezeigt hat,
dass an einer Stelle ein Bedienfluss so ungünstig gestaltet war, dass
die Nutzer einen Prozess regelmäßig nach dem ersten Schritt abgebrochen
und nochmal zurückgegangen sind, um neu zu starten. Das wurde in einer
Folge-Version angepasst, und kurz nach dem Launch hatten wir in
erschreckend großem Maße Mails von Nutzern, die sich für diese Änderung
bedankt haben. Dazu muss man sich aber mit den Nutzern beschäftigen.
Wenn die Nutzer in-house sind, dann schaut man denen gelegentlich über
die Schulter. Wenn die Nutzer draußen vor Bildschirmen sind, ist dieses
"Über-die-Schulter-Schauen" bedeutend schwieriger. Aber solche Punkte
sind es, die an vielen Stellen die Usability von "professionell"
entwickelten Produkten ausmachen, und wo die FLOSS-Community leider an
vielen Stellen nur daran arbeitet, die auf diesem Weg gewonnenen
Erkenntnisse zu kopieren. Wir ahmen nach, entwickeln aber hier nichts
weiter. 

Und: Wir denken dort gern schwarz/weiß: Die Industrie ist böse.
Tracking ist böse. Orientierung an den Nutzern passiert nur, wenn man
sie durch Geld und Manipulation überzeugt, dass das, was man ihnen zu
bieten hat, das ist, was sie brauchen. Sicher: Die Industrie fokussiert
darauf, ihre Produkte an eine große, größtmögliche Masse zu bringen. In
der Konsequenz: Sehr viele FLOSS-Entwickler arbeiten zum Broterwerb bei
genau solchen Konzernen. Sehr viele Werkzeuge und Frameworks, die heute
für FLOSS-Software-Entwicklung verwendet werden, stammen oder werden
maßgeblich unterstützt von großen Konzernen. Selbst bei der GNOME
Foundation und der FSFE stehen Google in der Liste der "Premium-
Sponsoren", und Mozilla hat Verträge mit Google über die Verwendung als
Suchmaschine im Browser. Und auf der anderen Seite sind leider viele
FLOSS-Projekte letztlich Projekte von Hobbyisten, die Dinge zum Spaß
und aus Enthusiasmus tun, die aber aus diesem Rahmen heraus gar keine
Notwendigkeit oder kein Interesse haben, sich allzu stark auf Endnutzer
zu fokussieren. Dort haben wir viel "Luft nach oben"...


[...]
> wäre das wohl mit wenigen Einstellungen erledigt. Die Apps manuell
> neu einzurichten dagegen ist ein Aufwand, der unnötig dadurch
> torpediert wird, dass Apps wie DAVx5 keine Möglichkeiten bieten,
> Einstellungen zu sichern und in solchen Fällen zu importieren.
> Die Notwendigkeit der mühseligen manuellen Einrichtung wird durchaus
> in Kauf genommen, da verstanden wurde, dass die "Entkoppelung" von
> Services, die Freie Software ermöglicht, in vielerlei Hinsicht eher
> ein Vorteil als ein Nachteil ist. 

Richtig. Das ist ein Beispiel dafür. Usability, Bedienbarkeit,
Nutzerführung werden häufig wahlweise als "unwichtig" belächelt oder
als für kleine FLOSS-Projekte nicht realisierbar bezeichnet. Stimmt
auch ein Stück weit, siehe oben: Eine große Masse der Leute, die in der
FLOSS-Entwicklung aktiv sind, sind eben *Entwickler*. Menschen, die
Code schreiben. Deutlich seltener UI/UX-Experten, Designer oder
Projektmanager. Wenn ich *das* will, dann müsste ich endlich den
wichtigsten und derzeit aus meiner Sicht kritischsten Schritt gehen und
in der Breite akzeptieren, dass "Freiheit" auf dieser Ebene nicht
"kostenlos" sein wird. Um die Freien Apps besser zu bekommen, bräuchte
es Modelle, die es qualifizierten Experten aller Disziplinen erlaubt,
in professioneller Form solche Software zu bauen und zu vertreiben. Das
beißt sich aber mit der gegenwärtigen Herangehensweise, dass
*natürlich* erwartet wird, Freie Software auch "kostenlos" zu bekommen
- in f-droid ist das ja nicht anders, leider. Da habe ich im Moment aus
*genau dieser* Brille lieber noch den Google Play Store, bei dem ich
teilweise FLOSS-Apps *kaufen* kann und weiß, dass ich darüber den
Entwickler ein Stück weit 

Re: Wie von integrierenden proprietären IT-Anbietern wegkommen? (Re: Bundesbehörde will Microsoft Teams einsetzen)

2020-03-16 Diskussionsfäden Kristian Rink
Moin;

Am Freitag, den 13.03.2020, 18:55 +0100 schrieb Roland Hummel:
> 
> warum sind "Matrix und Messenger" die "falsche Zielgruppe"?
> LibreOffice / CollaboraOnline wird kaum ein Teams-Äquivalent
> integrieren und Matrix/Riot keine Office-Suit programmieren. Also
> wird sich beides irgendwie zusammenfinden müssen. Da Matrix bereits
> einige "Integrations" hat (Etherpad zB), schien mir der Gedanke
> entsprechend Deiner Argumentation nicht so abwegig (es muss ja auch
> nicht Matrix sein). Das erwähnte Nextcloud (hat ja, soweit ich
> mitbekommen habe) auch die Möglichkeit, einen XMPP-Server zu
> integrieren (?).
> 

Ich vermute (wie in anderem Kommentar vermerkt), dass die Matrix/Riot-
Leute hierfür mindestens keine Ressourcen haben, schlimmstenfalls das
auch nicht als ihre Aufgabe sehen. Das ist ein Muster, dem ich leider
häufig begegne und das auch zu dem anderen Teil meiner Argumentation
führte - eine gewisse Überheblichkeit von Experten, mit dem Unterton
"warum willst Du das? das brauchst Du doch gar nicht!". Und ich könnte
hier leider wochenlang Beispiele anführen, in denen genau das
regelmäßig passiert ist und in denen genau dieser Argumentation die
Nutzer leichtfertig in die Hände proprietärer Dienste getrieben hat,
die bestimmte Anforderungen eben nicht wegdiskutiert, sondern
beobachtet, gesehen, bedient haben. Case closed, Chance (leider)
vertan. :(



> Was die Komfortzone betrifft, musste ich durchaus etwas über Deine
> Empfehlung nachdenken, aber: Nein, denn ich sehe mich nicht in der
> Komfortzone (jedenfalls nicht in der bezüglich "Usability"), im
> Gegenteil. Was diejenigen, die sich "wirklich" in der Komfortzone
> befinden, wollen/meinen zu brauchen, sieht man, denke ich, genügend,
> wenn man halbwegs aufmerksam seine Mitmenschen beobachtet. 

Gut, das reicht, dann bist Du dort schon weiter als manch andere, mit
denen ich solche Diskussionen führe. Siehe eben oben: Es ist müßig, mit
Leuten über WhatsApp zu diskutieren, die noch nie davon gehört haben,
was ein Gruppen-Chat oder der WhatsApp-Status ist. Es ist schwierig,
mit Leuten über Instagram zu diskutieren, die nicht wissen, was Stories
sind. Und wenn dann das beste Argument lautet: "Das ist eh Quatsch, den
keiner braucht!", dann hören die Menschen schlicht nicht mehr zu. 

Das Beispiel mit GMail/Google indes halte ich für interessant: Mach mal
den Feldversuch, nimm Dir einen totalen Technik-Laien und versuch den
dazu zu bringen, mit einem Android- oder iOS-Gerät ohne die "Standard-
Tools" der Hersteller (also Google-Cloud respektive die Online-Dienste
von Apple) Kontakte, Kalender, Mails, Dateien sauber und sicher (im
Blick auf die Verfügbarkeit und Funktion) zu synchronisieren. "Wir",
die wir diese Dinge können und halbwegs verstehen, sind dort leider zu
oft zu unverständig dafür, dass Aufwand, den wir als "nur" einen
Schritt nach jenseits der Bequemlichkeit sehen, für unbedarfte Nutzer
weder möglich noch in realistischer Zeit sicher erlernbar wäre. Dafür
braucht es eben, wenn wir Leute für Lösungen jenseits der großen
Konzerne gewinnen wollen, die Sensibilisierung bei *uns* (die wir diese
Lösungen bauen könnten). Und es braucht nicht nur "Self-Hosting" und
Quellcode in irgendwelchen Repos, sondern ethisch betriebene,
zugängliche, leicht erreichbare, niederschwellige Lösungen, die
"einfach nur funktionieren". ;)

Viele Grüße,
Kristian




___
FSFE-de mailing list
FSFE-de@lists.fsfe.org
https://lists.fsfe.org/mailman/listinfo/fsfe-de

Diese Mailingliste wird durch den Verhaltenskodex der FSFE abgedeckt.
Alle Teilnehmer werden gebeten, sich gegenseitig vorbildlich zu
behandeln: https://fsfe.org/about/codeofconduct


Re: Wie von integrierenden proprietären IT-Anbietern wegkommen? (Re: Bundesbehörde will Microsoft Teams einsetzen)

2020-03-13 Diskussionsfäden Kristian Rink
Hallo Roland, *;

Am Mittwoch, den 11.03.2020, 12:53 +0100 schrieb Roland Hummel:
> 
> Könntest Du Deinen Vorschlag mit dieser Argumentation als Feature
> Request im Issue-Tracker von Matrix/Riot veröffentlichen:
> https://github.com/vector-im/riot-web ?
> 

Vielleicht schaff ich das in einer ruhigen Minute tatsächlich, weiß
aber nicht, ob das viel bringt. Aus verschiedenen Gründen:

- Prinzipiell: Matrix ist und Messenger sind dafür die falsche
Zielgruppe. Das, was O365 kann, ist weit mehr als nur das.

- Insgesamt müssen "wir" (die FLOSS-Community) dort deutlich aus
unserer "Comfort Zone" herauskommen, um diese abgedroschene Vokabel
kurz zu bemühen. Wir müssen, glaube ich, insgesamt "breiter"
aufgestellt sein, auch deutlich näher an dem sein, was Microsoft,
Google, Apple, ... so treiben - und das nicht nur mit technischen
Anforderungen (Offenheit, standardisierte Protokolle,
Selbstbetreibbarkeit, Implementation in Sprache XY, ...), sondern vor
allem auch mit Anforderungen derer, auf die diese Anbieter zielen und
die sie damit erreichen. Dort sind viele von uns leider gänzlich
unbeleckt - weswegen ich immer wieder hart dafür plädiere, dass auch
die FLOSS-Nutzer eben nicht (berechtigt) prinzipiell einen Bogen um die
Google-Tools, O365, Teams, Slack, ... machen, sondern sich durchaus
intensiv, bewusst, gezielt mit diesen Werkzeugen auseinandersetzen, um
überhaupt eine Vorstellung zu haben, wo der Wettbewerb steht und womit
dieser Nutzer erreicht. Was bringt es uns, wenn wir die vierte
Generation dezentralen Chat-Protokolls mit viel Kraft bauen, ohne
wahrzunehmen, dass in der Welt um uns herum Chat längst irrelevant,
weil seit mindestens einem Jahrzehnt ein gelöstes Problem ist?

- Darüber hinaus: NextCloud haben ansatzweise so etwas[1], mit dem
Problem, dass die für etwa einen O365-Nutzer relevanten Dinge hier eher
beiläufig unter "other features" rangieren und dann dort Punkte wie
"mail server not included" stehen. Aber den Ansatz halte ich für
richtig... ;)

Viele Grüße,
Kristian


[1]https://nextcloud.com/nextcloud-vs-office365/

___
FSFE-de mailing list
FSFE-de@lists.fsfe.org
https://lists.fsfe.org/mailman/listinfo/fsfe-de

Diese Mailingliste wird durch den Verhaltenskodex der FSFE abgedeckt.
Alle Teilnehmer werden gebeten, sich gegenseitig vorbildlich zu
behandeln: https://fsfe.org/about/codeofconduct


Re: Wie von integrierenden proprietären IT-Anbietern wegkommen? (Re: Bundesbehörde will Microsoft Teams einsetzen)

2020-03-11 Diskussionsfäden Kristian Rink
Am Montag, den 09.03.2020, 16:35 +0100 schrieb Bernhard E. Reiter:
> 
> 
> Einige Freie Software Unternehmen [1] sind durchaus in der Lage
> gut integrierte Lösungen zu schaffen, aber die langfristige
> Finanzierung ist das Problem. Wer die höhere Souveränität möchte,
> muss langfristig in gute Produkte und Produktkomponenten investieren.
> 

Richtig. Die Frage ist aber, wer hier diese Investition tun muss, und
ob/wie das strategisch geplant werden kann. 

Akut etwa: Dank der aktuellen Situation mit COVID-19 schicken viele
Unternehmen im Umfeld Mitarbeiter ins Home-Office und/oder verbieten
Dienstreisen. Die wenigsten Unternehmen haben (a) Kapazitäten und (b)
Zeit, um sich sinnvoll und in Detail in Projekten zu verlieren, die
technische Souveränität bei entsprechenden Lösungen zulässt - in vielen
Fällen ist schlichte Priorität, überhaupt *irgendwie* handlungsfähig zu
sein.

Kurz und knapp: Microsoft Teams geht hier gerade durchs Dach, scheint
zum Quasi-Standard für verteilte Teamarbeit zu werden - und bringt
damit noch sehr viel mehr und sehr viel massivere Bindung an Microsoft.
Selbst proprietäre Alternativen (Slack, StarLeaf, ...) verschwinden
hier zusehends bzw. werden relativ gesehen "irrelevanter", weil die
Nutzerzahlen weniger schnell wachsen.

Im FLOSS-Umfeld sehe ich dort nichts Relevantes, was dem entgegensteht.
Eines der großen Probleme aus meiner Wahrnehmung: Es gibt eine Handvoll
Firmen, die teilweise extrem gute Lösungen auf FLOSS bzw. offenen
Standards anbieten, aber die agieren eher im klassischen Sinne eines
System-Hauses, das projektspezifisch mit Kunden Anforderungen
erarbeitet und umsetzt (was seitens des Kunden ein strategisches
Projekt, Planung, Budget, ... voraussetzt). Die haben als Gegenspieler
"off-the-shelf"-Produkte, die ohne diese Vorbereitung "einfach nur
funktionieren", und gleichermaßen im schlimmsten Fall Situationen und
Schlüssel-Nutzer, die den Fokus auf solche Produkte noch verstärken.


Es bräuchte, konkret jetzt etwa, eine "Go-To"-Alternative, die halbwegs
auf Flughöhe mit Teams ist, die man sich als Test-Version als Nutzer
mit Web-Account irgendwo "klicken" und mit der man erst einmal arbeiten
kann. :|

Viele Grüße,
Kristian




___
FSFE-de mailing list
FSFE-de@lists.fsfe.org
https://lists.fsfe.org/mailman/listinfo/fsfe-de

Diese Mailingliste wird durch den Verhaltenskodex der FSFE abgedeckt.
Alle Teilnehmer werden gebeten, sich gegenseitig vorbildlich zu
behandeln: https://fsfe.org/about/codeofconduct


Re: Bundesbehörde will Microsoft Teams einsetzen

2020-03-06 Diskussionsfäden Kristian Rink
Hi;

Am Freitag, den 06.03.2020, 13:58 +0100 schrieb Roland Hummel:
> 
> nachvollziehbare Darstellung, aber: Habe ich das KISS-Prinzip nicht
> verstanden (für jeden Service genau ein Dienst, der nicht mit anderen
> so verzahnt ist, dass Lock-In-Effekte entstehen) oder hat dieses
> Prinzip kein IT-strategisches Gewicht mehr?
> 

Mir fällt es schwer, das sinnvoll zu beantworten. Die eigentliche
Anforderung hierfür wäre letztlich, Dienste mit offenen Schnittstellen
und portablen Datenformaten zu verwenden. Das Problem dabei: Das läuft
momentan für Kunden auf eine Entscheidung entweder pro Funktionalität
oder pro Offenheit hinaus, und die ist (insbesondere bei nicht-
technischen Kunden, die auf Budget und Funktionalität schauen *müssen*)
schnell getroffen... Wir haben das über Jahre versucht und sind an so
trivialen Stellen gescheitert wie einer Kalender-Integration (bei der
ich nicht Leute zu Terminen einladen möchte an Zeiten, an denen die
schon in ihrem Kalender geblockt sind). 

Unsere Herausforderung als Community ist, dass wir für den Anspruch,
den wir eigentlich berechtigt hätten - separate, isolierte Dienste für
alle relevanten Geschäftsfälle, die sich sinnvoll verknüpfen lassen -
absolut nichts haben, was in der Breite eines O365 wirklich endnutzer-
oder unternehmenstauglich ist. Deswegen werde ich auch manchmal nervös,
wenn ich sehe, dass wir *noch* eine Linux-Distribution oder *noch* ein
FLOSS-Messaging-Protokoll und *noch* eine Impl davon in irgendeiner
esoterischen Programmiersprache an den Start bringen. Eigentlich gäbe
es wichtigere Herausforderungen.



> 
> Soll heißen: "Eierlegende Wollmilchsäue" sind nur so lange attraktiv
> wie die Eier auch gelegt werden, die Milch nicht sauer schmeckt und
> die Wolle einigermaßen Qualität hat.
> 

Natürlich. Wobei die Qualität aber leider "relativ" wird, wenn die
Menge an Alternativen überschaubar ist. Konkret bei O365/Teams ist das
extrem schwierig. Was ich dort erlebe, ist: Die Unternehmen mieten
Azure, mit Windows-Domaincontroller in der Cloud, an dem die Desktops
hängen, auf die das Office synchronisiert wird. Die Windows-Desktops
haben mit erster Anmeldung des Nutzers das Office, die Kalender, Mail
und alle anderen relevanten Daten (einschließlich
Sicherheitsrichtlinien und sonstiger Anwendungen) weitestgehend da. Und
die Nutzer können mit O365-Anbindung in ihrem Word, Excel, ... in der
*Desktop*-Anwendung kollaborativ arbeiten. 

Ich freue mich absolut nicht darüber, dass das von Microsoft kommt.
Aber letztlich prägen die dortigen Möglichkeiten die Wahrnehmung vom
Markt. Das ist eines der Probleme, das ich seit vielen Jahren hier mit
Linux-Desktops habe - es ist schwierig bis unmöglich, beispielsweise
Sicherheitseinstellungen für den Browser für bestimmte Nutzergruppen
netzwerk-übergreifend auszurollen in einer Form, die sich lokal nicht
aushebeln lässt. Und kaum jemand, der vorher vielleicht FLOSS-Know-How
im Haus hat, wird versuchen, sowas mit Selfhosting-Werkzeugen
nachzubauen.


Bei O365 und Teams kommt zudem noch ein erschwerender Faktor hinzu:
Third-party-Anwendungen. Ich sehe bei uns eine zunehmende Menge an
Applikationen, die auf O365 und Teams sitzt und nicht von Microsoft
kommen, sondern die man in Teams installieren und nutzen kann. Dort
gibt es einen ganzen Haufen von fachspezifischen Modulen, die bestimmte
Anwendungsfälle in Team-Zusammenarbeit abbilden können. Siehe etwa [1].
Wie *diese* Entwicklung professionellen Einsatz von FLOSS in Zukunft
beeinflussen wird, ist, glaube ich, noch gar nicht absehbar. 


Viele Grüße,
Kristian



[1]https://appsource.microsoft.com/en-us/marketplace/apps?src=office=teams=1

___
FSFE-de mailing list
FSFE-de@lists.fsfe.org
https://lists.fsfe.org/mailman/listinfo/fsfe-de

Diese Mailingliste wird durch den Verhaltenskodex der FSFE abgedeckt.
Alle Teilnehmer werden gebeten, sich gegenseitig vorbildlich zu
behandeln: https://fsfe.org/about/codeofconduct


Re: Bundesbehörde will Microsoft Teams einsetzen

2020-03-05 Diskussionsfäden Kristian Rink
Hallo *;

viel Erfolg in dem Thema.  Eigene kurze Reflektion: Bei uns wird Teams
und O365 seit Anfang des Jahres eingeführt. Ich bin aus verschiedenen
Gründen kein großer Freund dieser Lösung. 

Aber: Vergleiche mit Werkzeugen wie Matrix, ... hinken. Verglichen mit
Teams ist Matrix ist nicht nur nicht diesselbe Liga, sondern nichtmal
derselbe Sport. Wenn Do O365 hast, dann hast Du mit Teams eine Lösung,
die diesen ganzen Kram  (Office, Kalender, Dokumente, Aufgabenplanung
mit Scrum- oder Kanban-Board, Wiki, Ticket-System, ...) in einen Rahmen
zusammenführen kann, in dem Du relativ "bruchlos" mit all den Daten
arbeiten kannst. Davon ist Matrix meilenweit entfernt, auch wenn ich
die Lösung schätze. 


Es sind letztlich zwei Probleme, die wir seit langem kennen und für die
wir, wie mir scheint, keine Lösung haben: 

- Mir fällt keine FLOSS-/selfhosting-fähige Lösung ein, die dem
*funktional* auch nur *annähernd* nahekommt. Und da sprechen wir nur
über eben die Funktionen, die Integration, Bedienbarkeit der Anwendung,
Verzahnung mit dem Desktop-Office auf Windows, Verfügbarkeit auf
mobilen Geräten, ... . Dort reden wir noch nicht über Betrieb oder
Administration der Infrastruktur. Den Matrix-Server schaue ich mir
privat immer mal wieder zum Spaß an, und nach wie vor ist das Software,
die ich zwar cool finde, bei der ich im gegenwärtigen Stand (Qualität,
Dokumentation, Verlauf von Updates, ...) nie und nimmer gezwungen sein
möchte, damit für eine größere Struktur 24x7-Verfügbarkeit zuzusichern.

- Bei IT passiert jetzt seit Jahren das, was in anderen Segmenten
(Fuhrparks, Gebäudebetrieb, ...) seit sehr viel längerer Zeit gang und
gäbe ist: Behörden, Unternehmen, ... merken auch aufgrund wachsender
Anforderungen und Komplexitäten und gestiegener Anforderungen an
Compliance (siehe auch Themen wie DSGVO, teilweise ISMS, ...), dass IT-
Betrieb in professioneller Form keine Kompetenz ist, die sie haben oder
aufbauen können. Also diskutieren wir nicht mehr darüber, ob auf dem
eigenen Blech Microsoft oder FLOSS läuft, sondern wir diskutieren
darüber, wie wir das eigene Blech wegbekommen und "ein Stück Groupware"
als fertige Infrastruktur zu definierten SLAs von einem Dienstleister
einkaufen. 


Die Frage wäre also: Welche Alternative könnten wir einer
"Kundeneinheit" (ganz gleich ob Unternehmen oder Behörde) empfehlen,
die als Anforderungen hat, (a) funktional einigermaßen nah an dem zu
sein, was O365 in seiner Gänze kann, und (b) diese Lösung verfügbar als
Dienst aus einer vertrauenswürdigen Quelle einkaufen zu können? Dort
wird leider die Luft schnell dünn, und ich sehe das eigentlich auch nur
über kluge Politik und Technologieförderung lösbar. Es gibt
Bruchstücke, aus der man Lösungen wie O365 oder Teams zusammenbauen
könnte, aber das müsste jemand tun. publiccode oder vergleichbare
Initiativen könnten dort helfen. Aber dort sind wir im Moment leider
noch nicht. :(

Viele Grüße,
Kristian



___
FSFE-de mailing list
FSFE-de@lists.fsfe.org
https://lists.fsfe.org/mailman/listinfo/fsfe-de

Diese Mailingliste wird durch den Verhaltenskodex der FSFE abgedeckt.
Alle Teilnehmer werden gebeten, sich gegenseitig vorbildlich zu
behandeln: https://fsfe.org/about/codeofconduct


Re: "digitale Mündigkeit"

2019-11-24 Diskussionsfäden Kristian Rink
Hallo auch;

Am Montag, den 28.10.2019, 21:00 +0100 schrieb Benjamin Hagemann:
> 
> ja, das ist definitiv sinnvoll.
> Nur wie kommt man dahin? Die Politiker verstehen das Problem
> ebenfalls nicht. Die muss man gleichsam sensibilisieren.

Richtig. Und dort muss man sich gleichermaßen positionieren zu
Standpunkten wie diesen hier ...

https://www.microsoft.com/de-de/berlin/artikel/digitale-souveraenitaet-durch-partnerschaft.aspx

... und aber, möglicherweise, vorher auch erst einmal zu einem
gemeinsam geteilten Verständnis davon kommen, was "das Problem"
eigentlich genau ist. Können wir das? Das scheint mir manchmal nicht
so, siehe etwa Diskurse wie XMPP vs. Signal vs. WhatsApp in manchen
sozialen Kanälen oder die Frage, ob nun FLOSS wichtiger ist oder eher
nachhaltig finanzierte, wirtschaftliche Geschäftsmodelle, bei denen
sichergestellt wird, daß kein Interesse daran besteht, unethische
Praktiken zu versuchen. Den Konsens gibt es, glaube ich, mitnichten,
insofern fehlt es auch daran, daß man der Politik mit einer Stimme ein
Problem vortragen und Lösungen dazu einfordern könnte.

> 
> Solange aber nicht der normale Consumer das Bewusstsein und darauf
> basierend den Wunsch nach einer datensparsamen Lösung hat, wird sich
> die Politik auch nicht dafür einsetzen. Warum sollte ein Politiker
> ein Unternehmen zu etwas bewegen, was der Masse egal ist? Der Wunsch
> muss von den Wählern kommen.
>

Eigene Erfahrung: Dem Nutzer ist Datensparsamkeit zwar nicht schnuppe,
aber er hat überhaupt keine Idee, was das genau bedeutet, bzw. kann
nicht abwägen, wann "Datensparsamkeit" erreicht ist und wann nicht. Ist
ein Session-Cookie schlecht, das ein Anbieter braucht, um sich zu
merken, daß ich eingeloggt bin? Sind die ?utm-Parameter von Google
Analytics in URLs schlecht? Ist die Übergabe von Kontaktdaten an
WhatsApp schlecht, wenn ich als Gegenleistung eine Aussage darüber
bekomme, welche meiner Kontakte ich über diesen Kanal erreichen kann?

Das ist dasselbe, was ich in meinem Dunstkreis mit Lebensmitteln und
Zusatzstoffen erwarte: Den Leuten ist egal, welche E-Stoffe dort drin
sind. Die Leute wollen auch keine genaue Auflistung der Inhaltsstoffe.
Die *erwarten*, daß sie bei Produkten, die verkauft werden dürfen,
genügend Kontrolle und Regulation gegeben ist, um sicher zu sein, daß
dort bei Konsum keine akute Gesundheitsgefahr besteht - bzw. daß die
Produkte vom Markt genommen werden, wenn dem nicht so ist.

Vielleicht ist dort mein Umfeld speziell - keine Ahnung.


> 
> Ich mein, die bekommen ja schon beim Klimaschutz es nicht hin die
> Wirtschaft zu regulieren... Vorallem erzählen die Lobbisten der
> Dataminer den Politikern, dass sie mehr Daten brauchen.
> 

Ja. Aber das ist mir auch viel zu schwarz-weiß, ehrlich gesagt. Das
passt auch zu dem Kommentar von Merkel und Oettinger. Das, was getan
wird, wird getan. Wir leben in einem globalen Markt, und derzeit
dominieren die Produkte aus US of A auch Europa, siehe Google, Amazon,
Netflix. Und die Nutzer nutzen sie - vermutlich aus einer Mischung aus
Bequemlichkeit, durch Marketing gezüchteten Bedürfnissen und schlicht
dem Umstand heraus, daß die Dinge eben "verfügbar" und leicht
zugänglich sind. 

Und was passiert hier? Nix. Wir gehen den negativen Weg. Wir zwingen
Themen wie die DSGVO in die Welt. Warum zum Henker gibt es noch keine
europäischen Alternativen zu Google, Netflix, Amazon und Co.,
Alternativen, die näher an unseren Ideen von Datenschutz et al sind?
Machen wir nicht. 

Wir versuchen lieber, die Aufgabe der Lösung dieser Themen zu
individualisieren: "Digitale Mündigkeit". Soll der Einzelne sich doch
mit der Politik und den Großkonzernen streiten. Und dort sehe ich in
der Tat Parallelen zum Umgang mit dem Klimawandel: Wir *haben* ein
erkanntes Problem. Aber statt die Leute dahinter zu scharen, die
Politik endlich zu einem sinnvollen, gezielten Handeln zu kommen,
individualisieren wir die Verantwortung für die Lösung und tun das mit
derselben überheblichen Blindheit: Die Leute sollen doch Lastfahrräder
nutzen und endlich auf ihre Autos verzichten. Daß das zwar im
städtischen Raum für gesunde / jüngere Menschen gut funktioniert, mag
sein. Für viele, die außerhalb der Ballungszentren wohnen, funktioniert
das eben nicht in einer Gesellschaft, in der alles (ÖPNV,
Nahversorgung, medizinische Versorgung, Behörden, Arbeitsplätze, ...)
seit Jahrzehnten auf die Idee individuell verfügbarer Mobilität mittels
Pkw aufgebaut wurde. 

Das klingt vielleicht bitterer und frustrierter, als es ist, aber
mitunter verstehe ich es derzeit tatsächlich nicht. Was in all diesen
Bereichen schmerzlich zu fehlen scheint, sind Leute, die die Probleme
der Mitmenschen verstehen und lösen wollen. "Digitale Mündigkeit" ist
genau so ein Punkt: *Wir* haben eine klare Idee, welche Probleme die
Leute um uns herum haben, und wir lösen das für sie. Auf die Idee, mal
für ein paar Monate in den Schuhen eines technisch unbedarften John Doe
zu laufen und die Welt durch seine Augen zu sehen, kommen wir 

Re: "digitale Mündigkeit" - Re: FSFE-Matrix-Server (war: zu OT ... - jetzt wieder on topic Kommunikation in FOSS :-))

2019-11-24 Diskussionsfäden Kristian Rink
Hallo zurück;

Am Montag, den 28.10.2019, 11:02 +0100 schrieb Benjamin Hagemann:
> 
> Nur weil "alle" - sagen wir "viele" - einfach jede AGB positiv
> klicken und Kontaktlisten ohne Einverständnis der Einzelnen auf
> Systeme von amerikanischen Firmen hoch laden, sehe ich dabei nicht
> automatisch, dass diese Leute sich mit den Implikationen ihrer Wahl
> oder Alternativen beschäftigt haben.
>

Ich erlebe dort bei vielen "Endanwendern" eben genau das Problem: Alle
dieser Tage (und zwar restlos *alle*, uns in der Mehrzahl der Themen
des alltäglichen Lebens eingeschlossen) leben in einer arbeitsteiligen,
spezialisierten Welt, in der völlig klar ist, sich in bestimmten Themen
nicht mit Details beschäftigen zu müssen, weil das andere tun und man
sich auf "seinen" Bereich konzentrieren kann. Die Erwartungshaltung
ist, daß Spezialisten ihre Arbeit genau so ernsthaft, souverän, sicher,
verlässlich tun wie man selbst, und daß es notfalls (siehe
zulassungspflichtige Berufe, Staatsexamen, Gesetze, Aufsichtsbehörden
...) Eingriffe gibt, um Endnutzer vor "unlauteren Spezialisten" zu
schützen.

Was hinter dem Thema "digitale Mündigkeit" und "Computer beherrschen
lernen" steht, liest sich für mich wie ein vollständiger Schritt weg
von der Spezialisierung hin zu dem Punkt, an dem wir den Nutzern
empfehlen, den Spezialisten explizit zu misstrauen und die Dinge selbst
in die Hand zu nehmen. Deswegen die Frage (siehe andere Mail), ob das
in anderen "Spezialisierungsfeldern" auch so gehandhabt wird, ob das im
Kleinen oder im Großen sinnvoll ist...

Viele Grüße,
Kristian

___
FSFE-de mailing list
FSFE-de@lists.fsfe.org
https://lists.fsfe.org/mailman/listinfo/fsfe-de

Diese Mailingliste wird durch den Verhaltenskodex der FSFE abgedeckt.
Alle Teilnehmer werden gebeten, sich gegenseitig vorbildlich zu
behandeln: https://fsfe.org/about/codeofconduct

Re: "digitale Mündigkeit"

2019-11-24 Diskussionsfäden Kristian Rink
Am Montag, den 28.10.2019, 10:44 +0100 schrieb Henning Thielemann:
>
> > Wie sieht das in anderen Fachgebieten aus?
> > Medizin?
> 
> Gunter Dück erzählt in einem seiner Vorträge, wie er zum Arzt
> gegangen ist, ihm seine im Internet zusammengesuchte Selbstdiagnose
> vorgetragen hat und der Arzt ihn daraufhin fragte, warum er dann noch
> zum Arzt gehe. Na wegen des Rezeptes!

Ist die Erwartungshaltung an Normalbürger, diesen Weg so zu gehen? Ist
Selbstdiagnose durch "Zusammensuchen im Internet" gleichbedeutend mit
Diagnose durch jemanden, der Fachwissen und Berufserfahrung hat? Oder
ist das eher Hybris / Anmaßung? Ist Normalbürger "medizinisch
unmündig", wenn er das tut, was er in allen anderen Bereichen tut -
nämlich weitestgehend dem Spezialisten zu vertrauen und den zu
konsultieren, wenn er spezialisierten Rat benötigt? ;)



> 
> > Recht?
> 
> Letzten Dienstag war ich bei drei Bußgeldverhandlungen als 
> Laienverteidiger nach §138(2) StPO. Wir haben die Verfahren zur 
> Einstellung gebracht. Unter politischen Aktivisten im Hambacher
> Forst, bei Verkehrswendeaktionen etc. ist Laienverteidigung ein
> großes Thema.

Gleicher Punkt wie oben. Ist Normalbürger "unmündig", wenn er nicht
imstande ist, sich im gegenwärtigen Rechtssystem selbst vor Gericht zu
verteidigen und stattdessen einen Anwalt konsultiert? Lässt sich diese
"Mündigkeit" nur durch etwas Willen zum Denken überwinden, oder braucht
es da schlicht mehr (etwa jahrelanges Studium, etwas Erfahrung und
ggfs. auch staatliche Zulassungen)?


Ich verstehe die Intention der "digitalen Mündigkeit" durchaus, aber
ich sehe hier eine ganz massive Kluft zu der Erwartungshaltung und
Frage, wie "Spezialisierung" in nahezu jedem Fachgebiet funktioniert.
Und ich weiß auch nicht, ob es (etwa in Medizin oder Recht) analog zur
IT Menschen gibt, die klar sagen: "Misstraut den Spezialisten am Markt,
lernt selbst!".


Viele Grüße,
Kristian

___
FSFE-de mailing list
FSFE-de@lists.fsfe.org
https://lists.fsfe.org/mailman/listinfo/fsfe-de

Diese Mailingliste wird durch den Verhaltenskodex der FSFE abgedeckt.
Alle Teilnehmer werden gebeten, sich gegenseitig vorbildlich zu
behandeln: https://fsfe.org/about/codeofconduct

Re: "digitale Mündigkeit"

2019-10-28 Diskussionsfäden Kristian Rink
Hi alle;

Am Montag, den 28.10.2019, 12:11 +0100 schrieb Ilu:
> 
> In diesen Punkten mit digitaler (Un)Mündigkeit zu argumentieren, ist 
> eigentlich eine Beleidigung.
> 

Ja, genau das meine ich.


> 
> Das hilft aber ohnehin nur begrenzt. Kommunikation, Browser und 
> Smartphone sind die Kernprobleme und alle für die breite Masse
> ungelöst.
> 

Auch ja. Deswegen störe ich mich so an der Herangehensweise, über die
Idee "digitale Mündigkeit", "digitale Selbstverteidigung" und "Lernen"
den Endnutzer wieder einmal in die Pflicht zu nehmen für die Dinge, die
die Techies/Experten und ggfs. der Gesetzgeber zu verschulden haben. 

*Warum* kann es in 2019 immer noch sein, dass WhatsApp für Contact
Discovery die Adressbücher auf seine Server überträgt und der
Gesetzgeber im Zweifelsfall den *Nutzer* in die Pflicht/Verantwortung
nimmt, wenn er dies (schlimmstenfalls unbewußt) tut, weil er die
Tragweite dieses Handelns nicht versteht und sehr wahrscheinlich nie
verstehen wird; warum nimmt man hier nicht deutlich robuster die
Anbieter in die Pflicht und unterstellt, daß die Nutzer (siehe WhatsApp
als "empfundener Zwang") kaum Wahlmöglichkeiten haben? *Warum* gibt es
immer noch keine belastbaren Interoperabilitätsforderungen, die
Messenger zu einer ähnlichen Qualität bringen wie SMS oder das schon
genannte Telefon? 

Politische Arbeit für sinnvolle Regulierung und ggfs. Entwicklungs- und
Betriebsarbeit, um für den Endanwender auf *seinem* Kenntnis-Stand
robustere, bessere, aber dem, was er derzeit hat, funktional mindestens
gleichwertige Alternativen zu bieten, erschiene mir bedeutend
sinnvoller und wichtiger. 

Viele Grüße,
Kristian


___
FSFE-de mailing list
FSFE-de@lists.fsfe.org
https://lists.fsfe.org/mailman/listinfo/fsfe-de

Diese Mailingliste wird durch den Verhaltenskodex der FSFE abgedeckt.
Alle Teilnehmer werden gebeten, sich gegenseitig vorbildlich zu
behandeln: https://fsfe.org/about/codeofconduct

Re: "digitale Mündigkeit" - Re: FSFE-Matrix-Server (war: zu OT ... - jetzt wieder on topic Kommunikation in FOSS :-))

2019-10-28 Diskussionsfäden Kristian Rink
Am Montag, den 28.10.2019, 10:07 +0100 schrieb Dr. Michael Stehmann:
> Mündigkeit aller (erwachsenen Menschen) im Kantschen Sinne
> („Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbst
> verschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich
> seines Verstandes ohne Anleitung eines anderen zu bedienen. Selbst
> verschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht
> am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Muthes
> liegt, sich seiner ohne Leitung eines anderen zu bedienen." [0])
> halte ich für eine notwendige Bedingung einer denokratischen
> Gesellschaft.

Wie sieht das in anderen Fachgebieten aus? Medizin? Recht? Wie
funktioniert das dort? Bin ich dort imstande, ohne Anleitung eines
anderen unter Nutzung meines Verstandes zu sinnvollen Schlüssen zu
kommen? 


> Gerade auf dem Gebiet der IT gibt es - so ist jedenfalls meine
> Erfahrung - zu viele Menschen, die nicht willens sind, sich ihres
> eigenen Verstandes ("ohne Leitung eines anderen") zu bedienen [1].

Woraus schließen wir das? Sind die Menschen nicht imstande, sich ihres
Verstandes zu bedienen, oder mutmaßen wir das, weil sie Entscheidungen
treffen, die wir so nicht getroffen hätten und nicht nachvollziehen
können? Siehe die Debatten um Facebook und WhatsApp: Ist es
"Unmündigkeit", wenn jemand die verschiedenen Aspekte abwägt und zu der
Entscheidung kommt, ein bestimmtes Werkzeug zu verwenden - und sei es
aus der *bewußten* Entscheidung "wenn es die Masse nutzt und nicht
verboten ist, kann man es guten Gewissens verwenden"? Oder ist genau
dieser Punkt eine Unterstellung, von der wir ausgehen, ohne daß sie
wirklich faktisch begründbar ist? Vor konkret Letzterem habe ich Angst,
auch weil ich genau das im täglichen Leben immer wieder beobachte. Aber
vielleicht sind meine Beobachtungen hier auch andere als Deine...

Viele Grüße,
Kristian

___
FSFE-de mailing list
FSFE-de@lists.fsfe.org
https://lists.fsfe.org/mailman/listinfo/fsfe-de

Diese Mailingliste wird durch den Verhaltenskodex der FSFE abgedeckt.
Alle Teilnehmer werden gebeten, sich gegenseitig vorbildlich zu
behandeln: https://fsfe.org/about/codeofconduct

Re: "digitale Mündigkeit" - Re: FSFE-Matrix-Server (war: zu OT ... - jetzt wieder on topic Kommunikation in FOSS :-))

2019-10-28 Diskussionsfäden Kristian Rink
Ahhh, da ist er wieder, dieser Begriff. Ich schätze vieles von dem, was
digitalcourage im Allgemeinen und auch Leena Simon im Besonderen tun,
aber ich wünsche mir manchmal, sie würden "digitale Mündigkeit" endlich
ad acta legen. Der Begriff wie auch die Site... 

Am Samstag, den 26.10.2019, 19:00 +0200 schrieb Benjamin Hagemann:
> 
> https://muendigkeit.digital/
> 


... zeigen für mich einmal mehr *das* Kernproblem schlechthin: Eine (im
wertneutralen Sinne) inhaltliche und fachliche Elite, die einer breiten
Massen meilenweit überlegen, dabei aber leider außerstande ist, das
wahrzuhaben, kommuniziert Dinge, die für sie selbst trivial sind,
versteht nicht, daß das für die absolut überwiegende Menge von
Technologie-Nutzern dieser Tage nicht nur absolut nicht praktizierbar,
sondern auch in der Notwendigkeit nicht offensichtlich ist. Was
ankommt: Leute, die diesen Ideen nicht folgen, sind digital
"unmündig". 

Ich weiß nicht, wie es Dir geht - aber ich würde mir so eine Einordnung
grundsätzlich verbitten, ganz gleich, um welches Thema es geht - ganz
zu schweigen davon, daß Du auch bei "IT-Experten" im Blick etwa auf
Themen wie WhatsApp, Google, ... dort nicht zwingend Konsens finden
wirst. ;)

Viele Grüße,
Kristian

___
FSFE-de mailing list
FSFE-de@lists.fsfe.org
https://lists.fsfe.org/mailman/listinfo/fsfe-de

Diese Mailingliste wird durch den Verhaltenskodex der FSFE abgedeckt.
Alle Teilnehmer werden gebeten, sich gegenseitig vorbildlich zu
behandeln: https://fsfe.org/about/codeofconduct

Re: Förderation und Offene Infrastruktur (Re: FSFE-Matrix-Server)

2019-10-10 Diskussionsfäden Kristian Rink
Am Donnerstag, den 10.10.2019, 22:17 +0200 schrieb Ilu:
>
> Es gibt keine freie Hardware, weder im Handy noch auf dem Desktop
> noch sonst irgendwo. Wenn Du so argumentierst, ist tatsächlich alles
> sinnlos.

Mir ging es lediglich darum, daß die Hardware beim Gros der Smartphones
und Tablets noch *deutlich* unfreier ist, als sie das bei der Mehrzahl
etwa der PC-kompatiblen Systeme je war...

Viele Grüße,
Kristian

___
FSFE-de mailing list
FSFE-de@lists.fsfe.org
https://lists.fsfe.org/mailman/listinfo/fsfe-de

Diese Mailingliste wird durch den Verhaltenskodex der FSFE abgedeckt.
Alle Teilnehmer werden gebeten, sich gegenseitig vorbildlich zu
behandeln: https://fsfe.org/about/codeofconduct

Re: Förderation und Offene Infrastruktur (Re: FSFE-Matrix-Server)

2019-10-10 Diskussionsfäden Kristian Rink
Hallo Roland, halle;

vorab: Ich finde die Diskussion gut (danke dafür), sehe aber auch, daß
das zeitlich im Moment entgleitet, deswegen nur noch kurz ein Punkt zu
einem Thema, das für mich zentral ist:


Am Mittwoch, den 09.10.2019, 23:11 +0200 schrieb Roland Hummel:

> Auf Grundlage meiner Aussagen würde ich folgendes Fazit ziehen: Deine
> Lösung hat sich mit den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen
> abgefunden.
> Das verstehe ich und vielleicht bin ich "in 5 Jahren" auch soweit.
> Bis dahin behalte ich mir vor, noch zu "unvernünftig" zu sein, um
> mich diesen Rahmenbedingungen zu ergeben.


Bezüglich Abfinden mit gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, lass es
mich so formulieren:



Einerseits: Nein. Ich versuche seit Mitte der 1990er, Menschen von
Freier Software, von Linux und dergleichen zu überzeugen, bin immer
noch hier, versuche das immer noch. Wäre das anders, wäre mir diese
Diskussion wohl mittlerweile schnuppe. ;)



Andererseits aber: Wenn ich (sicher sehr subjektiv) die letzten drei,
vier Jahre überblicke, dann ist mein Fazit nicht sehr erfreulich:

- Im privaten Bereich sehe ich bei Menschen, wie Laptops, PCs oder
"kompatible" Geräte (die man einigermaßen leicht mit Freier Software
versehen konnte) zunehmend ersetzt werden durch hochproprietäre
Mobilgeräte, die sich derzeit in fast keinem Fall "vollständig Frei"
nutzen lassen.

- Desktop Linux hat es nie in den Mainstream geschafft. Und die Leute,
die heute "Desktop Linux" nutzen, nutzen dort drin ganz
selbstverständlich einen Browser wie Chrome, in dem sie Google-Apps
oder Office 365 verwenden.

- Auch nach Snowden bleiben hier alternative, dezentrale Messenger eine
Randerscheinung. "Fun fact": Mein letzter aktiver XMPP-Kontakt hat sich
von dem Kanal verabschiedet, nachdem sein XMPP-Hoster nach der DSGVO
den Server abgeschaltet hat. Die Leute nutzen nach wie vor WhatsApp,
und in meiner Wahrnehmung im engeren Umfeld sind es in den letzten
Jahren (durch Leute, die dann doch "jetzt auch" Smartphones von ihren
Anbietern bekommen haben) in kleinen Schritten eher mehr als weniger
geworden. 

- In den Firmen im Umfeld ist derzeit mindestens jede zweite in einem
Projekt, ihre eigene Infrastruktur herunterzufahren und in irgendeine
Cloud zu migrieren. Wiederkehrende drei Gründe: Unbeherrschbare
Komplexität durch rechtliche Anforderungen, konkret DSGVO; endlich
Möglichkeit der Konzentration auf die eigenen Kernaufgaben (vorrangig
Software-Entwicklung) unter Auslagerung von Infrastrukturdiensten mit
klar definierbarer Schnittstelle; Reduzieren der Kosten für IT-Betrieb
vor Ort.


Wie gesagt: Vielleicht ist das sehr subjektiv, vielleicht Zufall und
nicht verallgemeinerbar. Aus meiner speziellen Brille im Moment sehe
ich indes wenig bis keinen Grund zu Zufriedenheit mit der Richtung, in
die sich das "Werben" für Freie Software und Freie Infrastruktur
entwickelt. Derzeit scheinen die Dinge in nahezu *allen* Bereichen in
exakt die andere Richtung zu gehen - und an dem Punkt frage ich mich,
ob wir vielleicht überdenken sollten, ob unsere Ideen, Ansätze,
Lösungsvorschläge noch geeignet sind, unsere Ziele zu erreichen. Und
vielleicht *braucht* es dafür eine Akzeptanz des Status Quo, eine
Akzeptanz des Umstands, daß WhatsApp, Google, Apple, ..., like it or
not, nun mal massiv die Art und Weise geprägt haben, wie eine sehr
breite Masse Technologie wahrnimmt und erwartet - und dass vermutlich
nur der Versuch, diese Tools schlechtzureden und auf lernfähige und
-willige Nutzer zu hoffen, vielleicht nicht funktioniert...? ;)

Viele Grüße,
Kristian

___
FSFE-de mailing list
FSFE-de@lists.fsfe.org
https://lists.fsfe.org/mailman/listinfo/fsfe-de

Diese Mailingliste wird durch den Verhaltenskodex der FSFE abgedeckt.
Alle Teilnehmer werden gebeten, sich gegenseitig vorbildlich zu
behandeln: https://fsfe.org/about/codeofconduct

Re: Förderation und Offene Infrastruktur (Re: FSFE-Matrix-Server)

2019-10-09 Diskussionsfäden Kristian Rink
Hallo *;


Am Mittwoch, den 09.10.2019, 18:47 +0200 schrieb Ilu:
> 
> Das wollen die wenigsten, daran scheitert (im privaten Bereich) jede
> Lösung. Warum hat eigentlich früher das Telefon zu öffentlichen
> Daseinsvorsorge gehört, aber EDV-Basisdienste 
> heute nicht?
>

Seh ich genau so. Und das ist etwa in der ganzen Messenger-Diskussion
meine klare Erwartungshaltung: Es ist (aus meiner sehr persönlichen
Wahrnehmung) nicht sonderlich zielführende Zeitverschwendung, als
technischer Experte Nutzern mit deutlich weniger Kenntnissen die
Werkzeuge schlechtzureden, mit denen diese arbeiten können und die für
sie funktionieren. Wir sollten daran arbeiten, (politische, technische,
wirtschaftliche) Lobby zu etablieren, um für diese Nutzer Lösungen zu
erbringen, die nicht nur aus unserer, sondern auch aus *deren* Sicht
besser sind als das, was sie jetzt haben. Das ist auch meine klare
Erwartungshaltung etwa im Hinblick auf die politische Lobby-Arbeit von
Organisationen wie der FSFE.


> > Beispiele: "Verläßlich formatierte" Mails mit fettem Text, farbigem
> > Text, an den richtigen Stellen eingebundenen Bildern ... und die
> > *sicher* bei dem Empfänger so aussehen, wie der Absender das
> > wollte.
> 
> Ich bin heilfroh, daß ich das abschalten kann. Was ich sehe,
> entscheide ich.
> 

Jein. Ich möchte das selbst entscheiden können. Aber an einen Standard,
der "freie Client-Wahl" propagiert, habe ich die Erwartungshaltung, daß
das ohne Informationsverlust funktioniert. Wenn Absender Farbe und
Hervorhebung verwendet, um Information zu transportieren, und Empfänger
das ausblendet und damit Information verlieren kann, ist das Mist. Bei
Mail liegt hier mAn vieles in der Art und Weise begründet, wie diese
Technologie umgesetzt ist - als mehr oder weniger kruder "Aufsatz" auf
etwas, was im Kern für den Transport von Klartext vorgesehen ist und
bei dem Klartext immer der kleinste gemeinsame Nenner bleiben wird.
Warum nicht einen "Rework" dieser Infrastruktur, der so etwas wie
Markdown (und *nur* das) als Transport-Format für Text vorschreibt? Das
wäre besser als merkwürdige Multiparts oder etwa Text-Mailer, die bei
HTML-Mails einige Tags (Tabellen) "irgendwie" rendern und andere
(Farben, Schriften, ...) schlicht wegwerfen.


> 
> > Contact Discovery. Ich möchte leicht und "eingebaut" im Dienst
> > Kontakte,
> > die ich schon anderswo kenne, erreichen können.
> 
> Bitte nicht. Ich möchte immer noch selbst entscheiden, mit wem ich
> wie kommuniziere. Mein 70+ Umfeld sieht das genauso. Ich habe
> Matrix/Riot  und für alle anderen Email. Telefon nur Familie und wo
> unbedingt nötig. Wer damit nicht klarkommt - Pech.

Funktioniert in meinem Umfeld definitiv und sehr deutlich sehr anders.




> Mit genau dieser Taktik versuchen interessierte Kreise, föderierte
> und selbst-gehostete Systeme zu beerdigen. Verantwortlich ist der
> Verletzer, niemand sonst. Der Hoster muß bei der Verfolgung
> kooperieren. Punkt. 

Machen wir's doch konkret: Wie kann ich beispielsweise die Rechte, die
mir die DSGVO einräumt (Auskunft, Löschen, Ändern, ...) im Fediverse
durchsetzen? Bei einem Privatunternehmen gehe ich dem dortigen
Datenschutzbeauftragten auf den Nerv, notfalls zusammen mit der
Aufsichtsbehörde. Wie handhabe ich das bei einem Netz von losen
Instanzen, zwischen denen Daten hin und her kopiert werden und für die
im "besten" Fall nur ein, zwei Freiwillige in ihrer Freizeit
administrativ "verantwortlich" zeichnen? 

Mir geht es nicht darum, selbst-gehostete Systeme zu beerdigen. Aber
mir geht es durchaus darum, auch an solche Systeme Erwartungshaltungen
zu haben. Dazu gehören technische Ansätze (ich möchte nicht wieder und
wieder meine Infrastruktur härten müssen, weil ich unter DDoS-Feuer von
irgendwelchen amateurhaft betriebenen ungepatchten CMS gelange), und
dazu gehören auch rechtliche Aspekte. Der Umstand, daß diese momentan
politisch für diskutable Ansätze instrumentalisiert werden, ändert nix
an der Validität einiger dieser Punkte. Wenn die Konsequenz ist, daß
Selbst-Hosting mindestens eine Struktur wie einen Verein erfordert,
wäre das für mich sehr in Ordnung. 



> > Wir selbst suchen seit Jahren einen weiteren Systems Engineer,
> > ... Der Markt ist derzeit faktisch leer. 
> 
> Das sagen alle, komischerweise kenne ich Arbeitslose.
> 

Empfehlungen (Raum Dresden, Berlin, München) willkommen.

Viele Grüße,
Kristian

___
FSFE-de mailing list
FSFE-de@lists.fsfe.org
https://lists.fsfe.org/mailman/listinfo/fsfe-de

Diese Mailingliste wird durch den Verhaltenskodex der FSFE abgedeckt.
Alle Teilnehmer werden gebeten, sich gegenseitig vorbildlich zu
behandeln: https://fsfe.org/about/codeofconduct

Förderation und Offene Infrastruktur (Re: FSFE-Matrix-Server)

2019-10-09 Diskussionsfäden Kristian Rink
Hallo Roland, alle;

Am Dienstag, den 08.10.2019, 23:47 +0200 schrieb Roland Hummel:
> 
> Da stimme ich vollkommen zu, ist aber auch nicht der Punkt, den ich
> meinte. Der von Dir angesprochene Punkt hat eher etwas damit zu tun,
> ob eine Dev-Community der Admin-Community genügend Doku und Tools
> bereitstellt sowie mit ihr ausreichend gut kommuniziert, damit Admins
> die Infrastrukturen möglichst ohne große Hürden betreiben können.
> 

Natürlich. Das setzt aber dann wieder auch "richtige" (qualifizierte,
geschulte) Admins voraus, was "Selbstbetrieb" schwierig macht. Dazu
unten nochmal.



> Gegenargument: Nenn mir einen, der, als E-Mail massentauglich wurde
> (und diverse Provider für ihr Angebot sogar im Fernsehen geworben
> habe), nicht mit der Verwendung von E-Mail klar kam. Es war für jeden
> Menschen, der irgendwie Maus und Tastatur bedienen konnte, intuitiv,
> dass es sich hierbei um ein föderales Netzwerk mit entsprechenden
> Provider- und Client-Freiheiten handelt (also ohne, dass diese
> Menschen explizieren konnten, was die Wörter "föderal", "Client" und
> "Provider" eigentlich bedeuten.

Auch hier: Natürlich. Kein Widerspruch. Aber verschiedene Punkte zu
bedenken:

- Die Menge der Nutzer, die auf E-Mail unterwegs war, ist drastisch
kleiner aus die Menge an Nutzern, die Kanäle wie WhatsApp jetzt
erreicht haben. Ich glaube, man sollte hier trotzdem nicht übersehen
bzw. vernachlässigen, daß WhatsApp, Google, Facebook, Apple, ...
Technologie insgesamt (aus welchen Gründen auch immer) einer deutlich
größeren Menge an Menschen sinnvoll verfügbar gemacht haben als alle
Dienste-Anbieter davor. 


- "Förderiert" und "freie Client-Wahl" in Bezug auf E-Mail hat in
meinem (beruflichen) Umfeld auch in den letzten 5..10 Jahren zunehmend
für Frust gesorgt, weil bestimmte Use Cases, die die Fachanwender sich
gewünscht haben (und die man, mit Verlaub gesagt, in den 2010ern nicht
mehr diskutieren sollte), dort einfach nicht funktioniert haben.
Beispiele: "Verläßlich formatierte" Mails mit fettem Text, farbigem
Text, an den richtigen Stellen eingebundenen Bildern  (etwa für den
Support, der Screenshots mit Hervorhebungen verschickt) und die
*sicher* bei dem Empfänger so aussehen, wie der Absender das wollte.
Illusorisches Unterfangen mit Client-Freiheit und hinreichend
"interpretierbaren" Standards. Oder: Sichere, einfache E2E-
Verschlüsselung, die mit allen denkbaren Randbedingungen (also auch:
mehrere Geräte, verschieden Clients, verschiedene Server zwischendrin)
funktioniert, ohne Rocket-Science zu sein. Kannst Du mit E-Mail getrost
vergessen, mit XMPP ist es mindestens schwierig. Oder (da sind wir eher
bei WhatsApp und den Messengern): Contact Discovery. Ich möchte leicht
und "eingebaut" im Dienst Kontakte, die ich schon anderswo kenne,
erreichen können. 


Ich will hier auch nicht förderierte Systeme per se pauschal
kritisieren. Aus meiner Sicht ist das Problem eher, daß die Vertreter
der etablierten förderierten Systeme "ihre Systeme" mit viel
Enthusiasmus gegen Kritik und Veränderung verteidigen (gern auch mit
Argumenten der Art "was seit den 1980ern funktioniert, kann nicht
schlecht sein") und dabei im Zweifelsfall Anforderungen von Nutzern
bewußt und hart wegdiskutieren, wenn diese nicht in ihre Vorstellung
davon passen, wie die Technologie gebaut ist und funktionieren soll.
Vielleicht braucht es genau dafür Dinge wie Matrix oder Mastodon, die
bestehende Protokolle und darum geschaffene Communities auch bewußt und
hart herausfordern, um diese Fragen zu stellen und zu lösen. So lang
das aber noch nicht passiert ist, wird es für Endnutzer eher schwierig.


> Was die Niedrigschwelligkeit entsprechender Alternativen betrifft,
> zeigt Matrix mit Riot ebenfalls, wie man das eine tun kann, ohne das
> andere zu lassen: Wer absolut keine Ahnung hat oder haben will,
> installiert sich Riot auf dem Smartphone, wird aufgeforder "E-Mail
> oder Nutzername oder Telefonnummer" sowie ein Passwort einzugeben
> (wird also "Telefonnummer" wählen) und ist angemeldet (damit zwar
> nicht aufgeklärt, aber wenigstens schonmal dort, wo er vorzugweise
> sein sollte, also einem föderalen Netzwerk). Dass das Proof-of-
> Concept ist, kann ich insofern bestätigen, weil mein "70+-Umfeld"
> teilweise schneller angemeldet war als ich ihnen die Zugangsdaten für
> die auf meinem Server angelegte Matrix-ID mitteilen
> konnte.

Das stelle ich auch nicht in Frage, aber das meine ich nicht. ;) Mein
Punkt ist eher folgender: Wir haben meinen Schwiegerleuten (Generation
65+) vor einigen Jahren ein Smartphone geschenkt, mit kleinem Internet-
Paket, Signal und Threema. Die Beiden sind technisch gänzlich
uninteressiert, hatten in ihrem Berufsleben nie mit Computern zu tun,
haben das eigentlich eher als Spielzeug betrachtet und dankbar, aber
reserviert aufgenommen. Wir haben gezeigt, wie das zu bedienen ist,
haben ihnen die Telefonnummern all ihrer Bekannten und Kontakte
eingespeichert, und sie haben das Gerät dann und wann genutzt.

Bis zu dem 

Re: FSFE-Matrix-Server (war: zu OT ... - jetzt wieder on topic Kommunikation in FOSS :-))

2019-10-08 Diskussionsfäden Kristian Rink
Hi;

Am Dienstag, den 08.10.2019, 19:46 +0200 schrieb Christian Imhorst:
> 
> Die wenigen Alternativen, die ich sehe, sind Signal und Telegram. Wer
> WhatsApp kann, kommt auch mit den beiden Messengern zurecht. Und die
> Nutzer*innen müssen daraus ja kein entweder/oder machen. Sie können
> einen anderen Messenger ja neben WhatsApp nutzen. 
> 

Ich bin bei Alternativen immer hin- und hergerissen zwischen Signal,
Telegram, Threema und Wire. Mir fällt es für mich selbst noch schwer,
eine Priorisierung zu finden zwischen "Freier Software" und
"nachhaltiges Geschäftsmodell". Konkret bei Telegram oder Signal fehlt
mir eine klare Idee, wer die Infrastruktur und Entwicklung finanziert,
insofern würde ich prinzipiell lieber sowas wie Threema unterstützen
(der als Messenger auch ohne Google funktioniert, aber nicht FLOSS
ist). Ansonsten sieht es bei mir so aus, daß ...

- ... im sehr engen Freundeskreis (10..20 Leute) Threema, Telegram,
Signal und SMSMe (oder wie auch immer das Ding jetzt heißt) zum Einsatz
kommen, bei *allen* bis auf vier immer parallel als "zweiter Messenger"
zu WhatsApp,

- im größeren Kontaktkreis (ca. 200 Leute) neben WhatsApp nichts eine
nennenswerte Rolle spielt. 

Auf den Smartphones erlebe ich oft, daß Menschen keinen zweiten
Messenger installiert haben wollen, mangels Einsicht in die
Notwendigkeit, für eine App, mit der sie nur zu ein oder zwei Personen
Kontakt haben, Speicherplatz und Akku-Lebenszeit zu investieren und
sich dafür den Umstand einzuhandeln, daß Kommunikationsverläufe über
mehrere Apps verteilt sind, mehrere Apps Updates brauchen, beim Umzug
von einem Gerät auf ein anderes mehrere Apps "transportiert" werden
müssen usw. usf. ... Das alles ist nicht "kritisch", aber oftmals
augenscheinlich lästig genug, um den Aufwand nicht zu lohnen. 

Dagegen anzuargumentieren ist schwer. Und daneben, wenn wir über
Förderation sprechen, möchte ich diese Diskussion eigentlich nicht
führen. Interoperabilität und Förderation zwischen den Messengern
scheint mir (trotz aller Nebeneffekte) oft eine deutlich
erstrebenswertere Idee...


> Genauso kann man auch F-Droid neben den PlayStore installieren, um zu
> zeigen, dass es super  Alternativen gibt und nicht alles vorgegeben
> ist.

Ja. Installiere ich auch immer, auf meinen Geräten sowieso, bei
Freunden auch gelegentlich. Mindestens zwei "Probleme" hab ich damit,
sowohl in Kommunikation als auch selbst dann und wann:

- Installation aus "nicht vertrauenswürdigen" Quellen ist schwierig. Am
Ende des Tages ist die Sicherheit auf der Android-Plattform an der
Prüfung durch den Play-Store festgemacht. Ob das durch Installation von
third-party-Komponenten von "irgendwoher" besser wird oder schlechter,
ist für Endnutzer schwer einzuschätzen. Warum ist f-droid
vertrauenswürdiger als Google? Wie kann jemand ohne technischen
Background das beurteilen?

- f-droid macht keine Unterschiede zwischen "Libre" und "gratis". Es
gibt keine Möglichkeit, gute FLOSS-Anwendungen dort zu finanzieren. Das
ist mehr mein persönliches Problem, dort wünschte ich mir mehr als nur
einmal ein "pay-what-you-want" - Modell, bei dem man für Downloads
zahlt, oder irgendetwas in der Art. Die Kommunikation, daß einerseits
"Libre > gratis", aber anderseits "Libre" in der Praxis letztlich
irgendwie "gratis" nach sich zieht oder erzwingt, macht es
problematisch. "Gratis" in den großen App-Stores ist aus meiner
Wahrnehmung vorrangige Ursache für den ganzen Tracking- und
Datensammel-Unfug.



> Blöd wird's wieder bei Nicht-Cloud Messengern wie Signal, wo aus dem
> Backup und Restore wieder Raketentechnik wird, wenn Nutzer*innen ihre
> Konversationen auf ein anderes Telefon umziehen wollen.

Oh ja. In diese Falle ist einer meiner Kontakte mit Signal auch
getappt: Telefon migrieren lassen (im Laden, in dem er das neue Gerät
gekauft hat); altes Gerät gleich vor Ort "leeren" lassen, um es in
Zahlung zu geben. Unschön. Das sind so viele kleine Bausteine, die
solche Projekte extrem erschweren...

Viele Grüße,
Kristian

___
FSFE-de mailing list
FSFE-de@lists.fsfe.org
https://lists.fsfe.org/mailman/listinfo/fsfe-de

Diese Mailingliste wird durch den Verhaltenskodex der FSFE abgedeckt.
Alle Teilnehmer werden gebeten, sich gegenseitig vorbildlich zu
behandeln: https://fsfe.org/about/codeofconduct

Re: FSFE-Matrix-Server (war: zu OT ... - jetzt wieder on topic Kommunikation in FOSS :-))

2019-10-08 Diskussionsfäden Kristian Rink
Hallo Benjamin, *;

danke für Deine Gedanken.

Am Dienstag, den 08.10.2019, 14:41 +0200 schrieb Benjamin Hagemann:
> 
> ein Punkt vorab: Ich sehe hier Paralleln zur Freifunk Community.
> War man Anfang der 2000er noch dabei, dass man Wissen vermitteln
> wollte und jeder, der am Netz teilnimmt, seine Hardware selbst
> verantwortet so ist man heute bei Netzen mit einigen hundert Nodes,
> die zentral von je teils weniger als 10 Leuten pro Community
> gesteuert werden. Ich persönliche hänge noch an der ursprünglichen
> Idee...
> 

Verstehe ich. Ich bin irgendwann mit Linux "sozialisiert" worden und
habe nie wirklich davon abgelassen. Aber an vielen Stellen war das
neben der Technologie letztlich Kommunikation: Es gab (und gibt)
Situationen, Anwendungsfälle, Anforderungen, in denen und für die das
nicht funktioniert. Ebenso Freifunk et al: Ja, die Idee ist gut. Aber
ich wage die pessimistische Prognose, daß die Menge an Menschen, die
dieser Tage überhaupt *bereit* ist, sich gedanklich und inhaltlich mit
solchen Themen zu beschäftigen, bestenfalls kleiner zweistelliger
Prozentsatz derer ist, die digitale Werkzeuge insgesamt verwenden. Lass
mich gern eines Besseren belehren. ;)

>
> Was ist es für eine Selbständigkeit, wenn die Verwandten die ältere
> Generation ohne Information über die Verwendung ihrer Daten den
> amerikanischen Unternehmen Google, Apple, Facebook und Co überlässt? 
> ("digitale Aufklärung")
>

Natürlich. Absolut kein Widerspruch. Auch hier (siehe oben) neige ich
immer noch dazu, Menschen "aufklären" und "überzeugen" zu wollen. 

Aber das ist der Punkt, weswegen ich an Stellen wie dieser hier solche
Themen diskutiere, weswegen ich gerade auch bei Freien
Kommunikationswerkzeugen immer wieder so angefressen bin, daß gewisse
Dinge eben nach wie vor einfach nicht gehen, siehe XMPP-Clients: Wenn
ich Nutzer aufkläre, möchte ich ihnen auch eine Alternative bieten
können. Für meine Verwandten in der Generation 60+ kann ich das nicht.
Dort kann ich ihnen die proprietäre Anwendung lassen, die sie haben und
über die sie all ihre Kontakte erreichen. Oder ich kann sie so lang
aufklären / überzeugen / verängstigen, bis sie sich zu XMPP oder Matrix
durchringen lassen und eigentlich auch kein Smartphone mehr brauchen,
weil sie die Leute, mit denen sie kommunizieren wollen, auf diesen
Kanälen eben nicht mehr im Zugriff haben. Und: Das funktioniert auch
nur, wenn man gefragt wird oder überhaupt eine Chance bekommt, solche
Dinge zu diskutieren. Das steht eigentlich so nicht mehr. Spätestens
wenn die fraglichen Herrschaften von ihrem Provider ein Smartphone
angeboten bekommen, das wahrnehmen und dort WhatsApp vorinstalliert
ist, ist dieser Zug weitestgehend abgefahren, aus eigenem Erleben.
Früher(TM), bei Laptop-Kauf (wo das Thema war), wurden in der Familie
jene, die sich halbwegs mit der Materie auskannten, gefragt. Bei
Smartphones passiert das gar nicht mehr. Das erschwert die Dinge
zusätzlich. An diesem Punkt *ist* man in der Wahrnehmung schnell der,
der den Menschen Werkzeuge, die sie bedienen können, wegnehmen und
durch kompliziertere, schwerer (nicht) zu beherrschende Tools ersetzen
will. IMHO können wir das nur wirklich lösen durch nutzer- und
menschenzentrierte FLOSS-Anwendungen und -Dienste, die WhatsApp und Co.
mindestens ebenbürtig sind... ;)

Viele Grüße,
Kristian

___
FSFE-de mailing list
FSFE-de@lists.fsfe.org
https://lists.fsfe.org/mailman/listinfo/fsfe-de

Diese Mailingliste wird durch den Verhaltenskodex der FSFE abgedeckt.
Alle Teilnehmer werden gebeten, sich gegenseitig vorbildlich zu
behandeln: https://fsfe.org/about/codeofconduct

Re: FSFE-Matrix-Server (war: zu OT ... - jetzt wieder on topic Kommunikation in FOSS :-))

2019-10-08 Diskussionsfäden Kristian Rink
Hallo Roland;

Am Dienstag, den 08.10.2019, 09:56 +0200 schrieb Roland Hummel:
> 
> Deswegen sollte es so langsam auch nicht mehr "
> oder XMPP" heißen, sondern " oder  die nicht XMPP ist>". Das muss ja nicht unbedingt Matrix sein,
> sondern auch Mattermost oder RocketChat.
> 

Ok, dann haben wir dort Konsens. Ich fand XMPP immer gut, aber dort
fehlt(e) seit jeher der Fokus darauf, ein nutzbares "Produkt" zu
liefern. Das merkt man mindestens den Clients für faktisch alle
Plattformen außer Android und Linux (wenn einem Dino stabil genug ist)
an.

 
> Dass freie Lösungen den proprietären Lösungen in der Akzeptanz
> deswegen hinterherhinken, weil sie auf bestimmte Bedürfnisse
> schlecht, gar nicht oder zu spät eingehen, mag in der Diagnose auf
> den ersten Blick stimmen, berücksichtigt aber nicht das Problem, dass
> unser Wirtschaftssystem nicht *reagiert*, sondern diese bewusst
> *herstellt*. Das meinte ich mit "induzierter Bequemlichkeit": User
> werden bewusst so erzogen, dass sie unfreie Lösungen bevorzugen. 

Obgleich Du ein Stück weit recht hast, lass es mich kurz bewußt hart
formulieren: Genau diesen Punkt nutzen wir, wie mir scheint, auch gern
als Ausrede, um uns mit diesem Thema nicht auseinandersetzen zu müssen,
mutmaßlich wohl auch, weil es die Aufgaben komplizierter werden läßt an
Stellen, an denen sie keinen Spaß mehr machen. Es ist leicht, auf der
grünen Wiese einen neuen Client mit der aktuell gerade als "hip"
einzustufenden Technologie hochzuziehen. Es ist unendlich viel
schwerer, so ein Werkzeug mittelfristig / strategisch zu einem Tool
werden zu lassen, das im Blick auf Usability, Stabilität, Verfügbarkeit
so poliert ist, daß es auch jemand mit wenig bis keiner Computer- oder
Technologie-Erfahrung damit arbeiten kann oder will.

Gegenschluß: Ich habe Leute in der Verwandtschaft (Generation 70+), die
mit Computern nie ihren Frieden hatten, die Dinger allenfalls
dienstlich auf dem Schreibtisch genutzt und dort eher geächtet hatten.
Diese Leute haben jetzt Smartphones zu Hause, auf denen sie
eigenständig komplett ohne die Hilfe der "Wissenden" in der Familie
WhatsApp, Facebook, Instagram installiert und aktiviert bekommen, sich
mit Leuten digital vernetzen, die sie vorher nie und nimmer erreicht
hätten. Das hat nix mit induzierter Bequemlichkeit unfreier Lösungen zu
tun. Das ist eine digitale Selbstständigkeit, die sie mit keiner(!)
freien, dezentralen Lösung jemals zu erreichen imstande wären. Mit XMPP
oder auch Matrix hätten sie (a) immer die Abhängigkeit von einem
Experten, der ihnen das einrichtet und pflegt - was nervig ist, wenn
der Client im Urlaub "kaputtgeht" und der Neffe, der das heilen kann,
500km weit weg ist, und (b) dann immer einen deutlich eingeschränkten
Kontaktkreis, weil aus ihrer Freundes- und Kontaktliste diese Dienste
niemand nutzt. So lang nicht mindestens letzteres Problem befriedigend
gelöst ist, ist hier eine extrem breite Zielgruppe, für die Anwendungen
außerhalb der Walled Gardens praktisch nutzlos sind.


> Ich habe das an mir selbst beobachten
> können, weil ich in der Prä-Snowden-Ära (also bis Mitte 2013) selbst
> alles genutzt habe, was der Markt an proprietären Lösungen hergab.
> Der Wechsel kam einer Selbst-Amputation meiner digitalen Gliedmaßen
> gleich, nur um dann festzustellen, dass ich diese eigentlich nie
> gebraucht habe[...]

Das ist eine (leider) sehr individuelle Beobachtung, die ich mir hier
manchmal wünschen würde, aber nie habe. So eklig es ist: Die
überwiegende Mehrzahl der Menschen in meinem Umfeld nutzt WhatsApp.
Punkt, Ende. Ein paar Enthusiasten verwenden Signal, einige Threema,
einige Wire. Ansonsten hat WhatsApp hier SMS ersetzt. E-Mail war in
meinem Umfeld ohnehin nie ein relevantes Medium und eher mit Brief
gleichgesetzt. Deswegen hb ich hier leider eine andere Sicht.


> 
> Okay, aber so können wir das Kapitel "Rest-Föderalismus im digitalen
> Raum" völlig begraben. Die Lösung für die großen digitalen Fragen
> heißt meiner Meinung nach nicht "*weniger* Föderalismus durch freie
> Software", sondern "*mehr* Förderalismus durch freie Software" (ja:
> die auf den funktionalen Bedarf, sei er gerechtfertigt oder nicht,
> adäquater reagiert). 
>

Ich sehe das Problem nicht, ehrlich gesagt. "Software" und "verfügbarer
Service" sind zwei paar Schuhe, und der robuste 24x7-Betrieb eines
Stücks Software ist eine gänzlich andere Herausforderung als das
"Ausprogrammieren" von Code. Warum sollte man das nicht getrennt
betrachten? Ich *will* FLOSS und offene Standards. Ich *will* auch
Förderation, weil ich eigentlich keine "walled gardens" möchte. Aber
ich *will* auch eine Möglichkeit, mir so eine Lösung einkaufen zu
können, ohne das Wissen, die Prozesse, die Ressourcen (Leute, Hardware,
...) im Haus vorhalten zu müssen. Aus meiner Sicht ist es ein
Kardinalfehler, daß wir als Alternative zu Cloud-Diensten nur
"selbstbetriebene Freie Software" sehen, uns scheinbar aber die
Fantasie zu "ethisch und professionell gehosteter Freier Software"
fehlt. 

Viele 

Re: FSFE-Matrix-Server (war: zu OT ... - jetzt wieder on topic Kommunikation in FOSS :-))

2019-10-08 Diskussionsfäden Kristian Rink
Hallo Roland,
hallo Liste;

danke für die Kommentare. Einige Anmerkung neben viel Zustimmung und
viel Skepsis:



Am Montag, den 07.10.2019, 20:55 +0200 schrieb Roland Hummel:

> 
> Allerdings denke ich nicht, dass der Umstieg von Mail auf Chat
> irgendetwas am gegenseitigen Umgang ändert (und fände es
> arbeitsorganisatorisch fatal, Mail durch Instant Messenger zu
> ersetzen).
>

Das teile ich prinzipiell. Ich war und bin seit jeher Fan von E-Mail
und nutze das bevorzugt, wo immer möglich. Indes:



> ...denke ich auch nicht, dass unterschiedliche
> Mailinglisten-Antwort-Philosophien Grund dafür sind, dass Menschen
> weg von E-Mail hin zu Chat-Walled Gardens ziehen. Dahinter steckt
> pure (wenn auch mit entsprechender Werbemacht induzierte)
> Bequemlichkeit seitens der User und seitens IT-Administrationen eine
> (leider nachvollziehbare) Unlust, noch irgendetwas selbst zu hosten,
> denn das macht bei Problemen nur schlaflose Nächte, deswegen wird
> ausgelagert, was nur geht und wenn die halbe Belegschaft eh schon
> ihre "Schatten-IT" via Slack-Webapp betreibt, hat man 'ne Menge Ärger
> vom Tisch, wenn man solche Services zum offiziellen Standard erhebt. 

Wir haben auch Slack (dienstlich) in der Organisation, wo es langsam,
aber sicher E-Mail ablöst. Ich stimme Dir teilweise zu in dem
administrativen Herangehen und der Art und Weise, wie das System in die
Firma gekommen ist ("Schatten-IT" trifft es recht gut). 

Andererseits: Wir haben immer intern E-Mail gehostet. Wir (im
Wesentlichen ich) haben über fast eine Dekade intern XMPP gehostet. Die
"Schatten-IT" mit Slack ist, mit Blick auf unsere Nutzer, nur deswegen
entstanden, weil Slack an vielen Stellen aus Nutzersicht in den 2010ern
Anforderungen löst, die mit Mail und XMPP schlecht bis nicht zu
erfüllen waren. E-Mail ist *immer* formaler, und wir haben *immer*
Diskussionen wie "vernünftiges Zitieren/Antworten". Bei Slack haben
selbst die technisch unwilligsten Kollegen innerhalb weniger Tage
begriffen, wie Threads funktionieren. Dto XMPP: Für unseren Support-
Fall haben wir keine(!) Client-Konstellation gefunden, die es mit XMPP
über Plattform-Grenzen etwa erlaubt hätte, eingebettete Bilder oder
Code-Snippets an einer bestimmten Stelle im Kommunikationsverlauf zu
lassen und sicherzustellen, daß die auch in zwei Jahren noch dort und
noch auffindbar sind. Insofern: Einerseits hast Du mit "Bequemlichkeit"
sicher recht. Andererseits definieren die "großen" Dienste den Status
Quo dessen, was im Blick auf Nutzerfreundlichkeit, Bedienbarkeit,
Zugänglichkeit machbar ist. Je größer die Lücke zu "freien" Lösungen
wird, desto geringer wird die Akzeptanz für letztere, desto schwerer
wird es auch für Nutzer, diesen Preis für Freiheit zu akzeptieren. Das
ist wie in den späten 1990ern mit Windows vs. Linux: Für Idealisten,
Studenten, Hobbyisten war das eine schöne Sache, aber für viele
professionelle Anwender, die die Notwendigkeit hatten, mit dem Computer
bestimmte Aufgaben zu erfüllen, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen,
war eine Entscheidung gegen proprietäre Software schlicht nicht
möglich, weil es entweder keine freien Alternativen gab oder diese
nicht gut genug waren (ich arbeite im Bereich der Bau-Informatik, wo
schwere und teure CAD-/Modellierungs-Lösungen nach wie vor den Markt
dominieren). Bei Messengern habe ich das mit XMPP ebenso gemerkt:
Irgendwann *wollen* die Leute nicht den wackeligen XMPP-Client als
zusätzliches Tool haben, das alles ein wenig schlechter kann als all
die anderen Werkzeuge, die sie privat nutzen.



Insofern:

> Ein Datenschutz, der dem Recht gerecht
> wird, aber unterm Strich nicht den Menschen, ist dann der Sargnagel
> für jede digitale Autonomie, denn mit einem vernünftigen
> Datenschutzanspruch wären freie, föderale Alternativen wie Mail und
> Matrix, betrieben in eigener Infrastruktur, alternativlos.

Ich denke, je früher wir von der Idee "selbstbetriebener" Infrastruktur
als Standardfall wegkommen, desto besser für uns und für "Freie
digitale Infrastruktur". Dieses Modell halte ich schlicht nicht für
zukunftsfähig bzw. langfristig sinnvoll. Es skaliert nicht - wir
brauchen nicht Tausende Leute, die im Klein-Klein solchen Kram
betreiben, sondern lieber viele Leute, die sich gezielt und strategisch
hinter Lösungen scharen mit dem Ziel, "Freie" Alternativen zu schaffen,
die nicht nur "Frei", sondern auch von Funktionalität, Bedienbarkeit,
Administrierbarkeit, ... auf Augenhöhe mit Slack und Co. sind. Ferner:
Eigenbetrieb gibt der momentane Arbeitsmarkt eigener Erfahrung nach
nicht her (es fehlen Fachleute, die das auch für KMUs leisten könnten).
Dafür ist die Nummer mit der Infrastruktur, die man heute auch in
mittleren Unternehmen schon hat, viel zu groß, wenn man Themen wie
DSGVO, Compliance, ... anhängt und "richtig" machen will. Dafür ist
auch das Risiko für alle anderen zu groß, wenn man an DDoS-Angriffe
durch gekaperte, schlecht gepatchte Systeme denkt, die von
"irgendjemandem" installiert und mehr oder weniger 

Re: zu eigentlich völlig OT: Mailprogramm einstellen, aber man kann das ja mal diskutieren

2019-10-07 Diskussionsfäden Kristian Rink
Hallo alle;

auch wenn vollends off-topic:

Am Sonntag, den 06.10.2019, 18:09 +0200 schrieb Ilu:
> 
> wenn die Toleranz auf dieser Liste für alternative Verfahren nicht 
> ausreicht, kann ich auch auf Beiträge verzichten. Es gibt nichts,
> was ich unbedingt mitteilen müßte. Mein ursprünglicher Beitrag zu DHL
> war hilfreich gemeint.
> 

Meta-Diskussionen wie diese sind es, die in meinem Umfeld Menschen
immer mehr "weg" von Werkzeugen wie E-Mail und hin zu proprietären
Kanälen und Messengern wie Slack, Discord, ... treiben - oder dazu
bringen, sich schlicht nicht (mehr) einzubringen. Schade drum. 

Viele Grüße,
Kristian

___
FSFE-de mailing list
FSFE-de@lists.fsfe.org
https://lists.fsfe.org/mailman/listinfo/fsfe-de

Diese Mailingliste wird durch den Verhaltenskodex der FSFE abgedeckt.
Alle Teilnehmer werden gebeten, sich gegenseitig vorbildlich zu
behandeln: https://fsfe.org/about/codeofconduct

Re: Motive fürs Belästigen von Leuten welche über FS diskutieren möchten (Re: [wichtig] Wie ihr euch von der Liste fsfellowship.eu austragt)

2019-05-09 Diskussionsfäden Kristian Rink
Hallo Bernhard, *;

danke für die Position dazu. Ich habe viel von der Kommunikation der
letzten Tage gelesen, auch von der "anderen" Mailingliste, und bin mir
immer noch im Unklaren, was die Aktion eigentlich soll. Insofern eine
kurze andere Frage dazu:


Am Montag, den 06.05.2019, 13:18 +0200 schrieb Bernhard E. Reiter:
> 
> Mir selbst liegen nur Hinweise vor, dass der vermutliche Verursacher
> der Mailinglistenbelästigung fair behandelt worden ist. Kein Unrecht 
> erkennbar. Insofern habe ich keine Hinweise auf ein Motiv und mag
> auch nicht spekulieren. Deshalb bitte ich Dich, das auch nicht zu
> tun.
> 

Mit dem, was Daniel derzeit tut - "alternative" Mailingliste, auf der
er doch noch eine größere Handvoll Leuten hat (die auch mit
kommunizieren), irgendwelche alternativen "Vertreterwahlen", die
anberaumt werden in diesem Dunskreis, ... - erzeugt er auf jeden Fall
aber irgendwie eine parallele Öffentlichkeit, die einen Diskurs von 
diskutabler Legitimation führt und zumindest Aufmerksamkeit auf sich
zieht und möglicherweise eine ohnehin insgesamt kleine Gruppe von
Leuten, die sich hinter einem sehr wichtigen Themenkomplex gesammelt
haben, zu spalten versucht.

-> Sollte es seitens der FSFE irgendeinen "offiziellen" Umgang damit
geben? Ich habe keine Idee, was sein Problem ist und wie man sinnvoll
darauf reagiert, aber zumindest schiene mir hier irgendeine Art von
Schadensminimierung angezeigt, ganz gleich, ob er in irgendwelchen
Punkten Recht hat oder nicht. Etwa die Idee, ihm mit der DSGVO auf die
Finger zu hauen, weil er Nutzer in eine andere Mailingliste kopiert
hat, scheint zwar inhaltlich durchaus gerechtfertigt, aber vermutlich
das exakte Gegenteil von Deeskalation zu bewirken... ;)

Viele Grüße,
Kristian

___
FSFE-de mailing list
FSFE-de@lists.fsfe.org
https://lists.fsfe.org/mailman/listinfo/fsfe-de

Diese Mailingliste wird durch den Verhaltenskodex der FSFE abgedeckt.
Alle Teilnehmer werden gebeten, sich gegenseitig vorbildlich zu
behandeln: https://fsfe.org/about/codeofconduct

Re: [wichtig] Wie ihr euch von der Liste fsfellowship.eu austragt

2019-05-03 Diskussionsfäden Kristian Rink
Hallo Michael, Bernhard, Reinhard, *;

danke für Eure Kommentare. In der Tat, das hilft, ein zumindest etwas
klareres Bild zu bekommen. 

Viele Grüße,
Kristian

___
FSFE-de mailing list
FSFE-de@lists.fsfe.org
https://lists.fsfe.org/mailman/listinfo/fsfe-de

Diese Mailingliste wird durch den Verhaltenskodex der FSFE abgedeckt.
Alle Teilnehmer werden gebeten, sich gegenseitig vorbildlich zu
behandeln: https://fsfe.org/about/codeofconduct

Re: "Digitalisierung" mit FLOSS?

2019-04-18 Diskussionsfäden Kristian Rink

Hallo alle;

Am 10.04.19 um 13:32 schrieb Christian Imhorst:


Denn auf der anderen Seite ist das vorhandene Internet durch Digitale 
Rechte Minderung, bereits vorhandenen Uploadfiltern, 
Überwachungskapitalismus etc., kaputt. Da finde ich den Ansatz der FSF 
richtig, wenn sie sagt, dass ein neues Internet her muss. Eventuell mit 
P2P oder evtl. auch Zeronet.




Kein Widerspruch. Mir wäre es auch recht und wichtig, ein neues, 
besseres Internet zu bauen. Technologisch glaube ich, daß wir mit 
ZeroNet, IPFS und dergleichen ein paar gute Möglichkeiten auf der Hand 
haben, die auch richtig "gut" werden könnten, würden wir uns darauf 
fokussieren (was ich insbesondere bei sozialen Netzwerken nicht sehe - 
dort fließt zurzeit, glaube ich, die Kraft eher in "verteilte Systeme 
aus kleinen zentralistischen Strukturen" wie Mastodon oder das gesamte 
Fediverse).


Ansonsten: Wir müssen darauf achten, daß viele der Diskussionen, die wir 
in der Hand haben, mittlerweile(?) nicht mehr technischer, sondern 
gesellschaftlicher Natur sind, weil anno 2019 "das Internet" eine sehr 
viel breitere Nutzerschaft hat, die sehr viel heterogener ist als früher 
und sehr viel diversere Anforderungen hat. Ja, das Internet ist kaputt, 
aber nicht erst durch Uploadfilter oder DRM, sondern schon vorher 
gewesen. Einige willkürliche Beispiele:




- Uploadfilter. Ich finde die Idee extrem problematisch, sehe im 
Gegenzug aber auch, daß beispielsweise Flickr jetzt genau mit so etwas 
beginnen, aus einem klaren Problem heraus: Das Verteilen von Bildern, an 
denen man keine Rechte hat, ist auf der Plattform leider seit Jahren 
schon ein Problem, und offensichtlich stört sich niemand in der Breite 
daran. Gleiches gilt für Hatespeech und "fragwürdige" Inhalte: Ich bin 
mit einem Internet großgeworden, in dem es teilweise noch 
selbstverständlich war, daß es Newsgroups oder Mailinglisten mit 
Moderatoren gab, die illegalen, bösartigen oder schlicht per der 
dortigen Regeln unerwünschten Content geblockt oder Nutzer gesperrt 
haben. Das ist zurzeit deutlich schwieriger, weil die Nutzermenge sehr 
viel größer ist, aber es gibt klar Leute, denen diese Gegebenheiten 
schaden. Ich will keine Uploadfilter, aus verschiedenen Gründen, aber 
ich sehe, daß sie ins Feld geführt werden als (theoretisch) durchaus 
valide Lösung für Probleme, die wir bislang nicht besser gelöst haben.


=> Wir brauchen eine Idee, wir wir in einem globalen, sehr großen Netz 
mit Rechten an "Inhalten" umgehen. Wenn ich GPL-Software oder Bilder 
unter CC-BY-SA ins Netz werfe, habe ich *natürlich* die 
Erwartungshaltung, daß sich jene, die damit etwas tun, an diese meine 
rechtlichen Ideen zulässiger Nutzung halten. Wie kann jemand, der etwa 
Musik als "all rights reserved" oder auch nur CC-NC-ND auf seiner 
Website zum Download oder eben auf CD zum Kauf anbietet, sicherstellen, 
daß diese Rechtsvorgabe respektiert wird? Auch Dreck wie DRM ist an 
vielen Stellen letztlich nur die Folge des Umstands, daß wir hierfür 
keine andere/bessere Lösung haben.





- Überwachungskapitalismus: Auch nervig und potentiell extrem 
gefährlich. Gleichermaßen aber hat sich die überwiegende Mehrheit der 
Internet-Nutzer offensichtlich still darauf geeinigt, daß digitale 
Inhalte nichts kosten dürfen (Paywalls sind auch eher böse als 
akzeptiert) und Werbefinanzierung eigentlich der einzige Weg ist, der 
derzeit noch bleibt. Im Umkehrschluss werden mit Werbung und Trackern 
vollgestopfte Pages mit Adblockern genutzt - und es wird sich noch über 
die "dreisten" Anbieter beklagt, die ihren Content nicht ohne Werbung 
online, ggfs. gegen Spenden, "verschenken" wollen, sondern die 
Notwendigkeit haben, davon Journalisten/Autoren, Fotografen, 
Infrastruktur, Server, Bandbreite, ... planbar zu bezahlen. Dasselbe 
gilt für Apps in den großen App-Stores: Viele Nutzer schimpfen über 
Tracking etwa in Android-Apps aus Google Play, lassen aber teilweise 
unter den Tisch fallen, daß es in einer nicht unbeträchtlichen Zahl der 
Fälle "kostenlose" Varianten (mit Werbung/Tracking) und bezahlte 
Varianten (ohne Werbung/Tracking) gibt. Letzteres scheint aber eine 
Option zu sein, die gar nicht erst nicht in Betracht gezogen wird. 
Gleichermaßen werden "alternative" App-Stores wie F-Droid in letzter 
Zeit wieder und wieder durch die Medien gescheucht als Alternativen zu 
Google und Go., die tracking- und werbefrei und natürlich kostenlos sind.


=> Wir brauchen eine Finanzierungsidee für Dienste, Inhalte, ... im 
digitalen Zeitalter, in der es auch für Zeitungen, Verlage, Autoren, 
Musiker, ... Möglichkeiten gibt, irgendwie von ihrer Arbeit leben zu 
können. Momentan dürfen wir sicher sein, viele von denen als "Gegner" zu 
haben, weil wir für sie funktionierende Strukturen - an vielen Stellen 
leider *durchaus* zugunsten einer vorrangig auf "kostenlos" ausgelegten 
Herangehensweise - zerschlagen und keine Alternativen offerieren. Das 
ist weder fair noch nachhaltig und wird am Ende, wie wir sehen, zu 

Re: "Digitalisierung" mit FLOSS?

2019-04-10 Diskussionsfäden Kristian Rink

Hallo Max;

danke für die Info.

Am 09.04.19 um 19:38 schrieb Max Mehl:
>

Ich weiß leider nicht ganz genau, nach was Du suchst, aber vielleicht
ist Folgendes für Dich interessant: Die FSFE arbeitet mit 5 anderen
Organisationen an "FOSS4SMEs", einem ERASMUS+-Projekt. Ziel ist es,
einen Online-Lernkurs zu Freier Software (hier FOSS) zu erstellen, der
sich gezielt an normale und leitende Angestellte von KMU richtet:

   https://fsfe.org/activities/foss4smes/

   http://foss4smes.eu

[...]

Die offizielle Veröffentlichung wird in den kommenden Monaten sein,
allerdings gibt es mindestens eine Testphase. Wer daran Interesse hat,
um Fehler zu finden und Feedback zu geben, darf sich sehr gerne bei mir
melden. Würde mich freuen!


Das ist auf jeden Fall sehr interessant, weil es in eine Richtung geht, 
in der ich (sichtbare) Aktivitäten bislang vermisst habe. Ich schau mir 
das gern an, sobald es Dinge zu sehen gibt. Was muss ich tun? :)


Viele Grüße,
Kristian
___
FSFE-de mailing list
FSFE-de@lists.fsfe.org
https://lists.fsfe.org/mailman/listinfo/fsfe-de

Diese Mailingliste wird durch den Verhaltenskodex der FSFE abgedeckt.
Alle Teilnehmer werden gebeten, sich gegenseitig vorbildlich zu
behandeln: https://fsfe.org/about/codeofconduct

Re: "Digitalisierung" mit FLOSS?

2019-04-10 Diskussionsfäden Kristian Rink

Hallo Björn, alle;

danke für die Anregungen dazu.

Am 09.04.19 um 00:13 schrieb Bjoern Schiessle:


Ich frage mich ob das wirklich ein guter Weg ist? Also P2P und
Verschlüsselung sind sicher gut. Aber keine Dienste mehr verwenden? Im
Umkehrschluss bedeutet das, dass wir von den Leuten verlangen alles
selber zu hosten. Von der kleinen Webseite, über den Email Server, den
eigene Chat Server, ihr "Social Network" usw. oder all das nicht zu > verwenden.


Richtig. Genau den Punkt sehe ich auch. Das wird so nicht funktionieren, 
aus mannigfaltigen Gründen - und ich weiß auch nicht wirklich, ob man 
das fordern sollte. Wir haben in allen Teilen der Gesellschaft 
Spezialisierung, in der Mehrzahl der Fälle ist das auch gar nicht 
schlecht (ich lasse mich lieber von einem auf sein Gebiet 
spezialisierten Arzt behandeln als von jemandem, der 
"Medizin-Quereinsteiger" ist), es braucht aber eben eine gewisse 
Regulierung und einen Rahmen.





Ich hatte dazu auch vor einiger Zeit mal gebloggt, leider in Englisch:
https://www.schiessle.org/articles/2017/11/14/software-freedom-in-the-cloud/



Danke für den Link. Nach Querlesen fand ich den Artikel größtenteils 
recht gut (und auch ziemlich nah bei dem, was mir unter dem Schlagwort 
[1]LibreSaaS durch den Kopf geistert). Im Wesentlichen habe ich 
eigentlich die drei Punkte, die Du unter "Conclusions" subsummiert hast, 
in einer anderen gedanklichen Reihenfolge priorisiert (2 - 3 - 1) und 
noch ein paar Anforderungen dazu habe für die Möglichkeit, daß Software 
"durch Dritte" betrieben wird (klare und transparente Finanzierung, 
idealerweise Verschlüsselung, die mir tatsächlich *verläßlich* erlaubt 
zu kontrollieren, wer Zugriff auf meine Daten hat - also nicht 
Freigabemodus "privat und alle Administratoren").


Wie man das umsetzt, ist freilich noch eine andere Frage. Und dort 
stolpere ich derzeit. ;)


Viele Grüße,
Kristian



[1]https://dm.zimmer428.net/2018/11/libresaas-revisited/
___
FSFE-de mailing list
FSFE-de@lists.fsfe.org
https://lists.fsfe.org/mailman/listinfo/fsfe-de

Diese Mailingliste wird durch den Verhaltenskodex der FSFE abgedeckt.
Alle Teilnehmer werden gebeten, sich gegenseitig vorbildlich zu
behandeln: https://fsfe.org/about/codeofconduct

Re: "Digitalisierung" mit FLOSS?

2019-04-09 Diskussionsfäden Kristian Rink

Hi;

danke für die Gedanken.

Am 06.04.19 um 10:30 schrieb Christian Imhorst:


Ist denn das, was dich umtreibt, dann SaaSS?



Jein. Die Antwort ist zweigeteilt. Einerseits: Klares "Ja", SaaS gehört 
auf diese Liste. Und SaaS ist ein "Problem", in mancherlei Hinsicht, 
aber SaaS ist beherrschbar. Weil: Zumindest in meinem Dunstkreis sind 
Leute, die SaaS nutzen, immer noch solche, die sich im Klaren sind über 
die Frage, was "Software" und "Software-Hosting" ist, und für die 
SaaS-Optionen interessant sind, weil sie entweder helfen, Hosting und 
Betrieb von Software wirtschaftlich beherrschbar zu bekommen oder, 
solches überhaupt erst zu ermöglichen.


Wir nutzen professionell auch an einigen Punkten SaaS. Warum? Weil wir, 
im Raum Dresden, seit mindestens einem Jahr eine weitere Stelle für 
Operations/Systems Engineering besetzen müssten, der Markt derzeit 
faktisch leer und Selbstbetrieb spätestens mit den 
Dokumentations-Anforderungen der DSGVO zumindest für Kleinunternehmen 
und kleine Mittelständler durchaus ein Stück aufwendiger geworden ist, 
sprich mehr qualifizierte Ressourcen als vorher braucht.


Dann ist es gut, Software wie NextCloud oder Redmine zu haben, die 
prinzipiell FLOSS oder zumindest Open Source ist, aber der "offene 
Quelltext" ist hier nicht entscheidend. Entscheidend ist im 
Zweifelsfall: Die Anwendungen sind komplex, fallen im Zweifelsfall 
entweder dann um, wenn die eine Person im Unternehmen, die sie 
beherrscht, Urlaub hat oder krank ist, oder fallen in einer Art und 
Weise um, in der Reparatur schwer bis nicht möglich ist. Meine Historie 
an Own/NextCloud-Updates, die aus unerklärlichen, nicht recherchierbaren 
Gründen "schiefgegangen" sind und in einer Neuinstallation (und 
mehrstündigen Downtime) endeten, ist leider länger, als ich mir das 
wünschen würde.


Auf meine Idee, dieses Problemes Herr zu werden, hab ich für mich das 
Etikett "LibreSaaS"[1] geklebt, und das ist der Weg, den wir zurzeit 
versuchen, mit unserem lokalen RZ-Dienstleister umzusetzen, zunächst für 
uns und idealerweise mittelfristig auch für andere Kunden. Ich sehe 
durchaus, daß SaaS in der gegenwärtigen Arbeitsmarkt-Lage und auch vor 
dem Hintergrund von Aspekten wie Spezialisierung in allen Gebieten (die 
es auch außerhalb der IT gibt) ein langfristig valides Modell ist. SaaS 
hat halt den Vorteil, daß ich etwa personelle Ressourcen für 
Infrastrukturbetrieb anteilig bezahle, also nicht zwei Administratoren 
vor-, qualifiziert und bei Laune halten zu müssen, die sich den Großteil 
der Zeit bei mir langweilen und irgendwann abhanden kommen, weil es 
anderenorts interessantere Aufgaben gib. Erwartungshaltung wäre, daß ich 
es nurmehr "ethisch" vernünftig ordne und mit den richtigen 
Anforderungen herangehe: Muss ich auf biologisch und nachhaltig 
angebaute Zutaten verzichten, wenn ich nicht selbst koche, sondern mir 
im Restaurant Nahrung von einem Experten zubereiten lassen muss? ;)



Das ist für mich aber der einfachere Fall. Der problematischere sind 
Services wie beispielsweise AutoDesk BIM360[2]. Dort sieht die Sache 
anders aus: Diese werden überhaupt nicht als "Software" wahrgenommen. 
Dort ist *klar*, daß das nichts ist, was man lokal installiert und 
selbst betreibt. Dort ist Software nur Mittel zum Zweck, aber im Kern 
eher irrelevant. Solche Dienste werden bei einer guten Zahl der 
beteiligten Kunden auch nicht von einer herkömmlichen IT-Abteilung (= 
Leuten, die Workstations und Infrastruktur bereitstellen und pflegen), 
sondern von einer eher fachlich gelagerten Abteilung, auf die man 
derzeit gern Label wie "Digitalisierungsabteilungen" klebt und die die 
Aufgabe haben, den Markt zu beobachten, Lösungen zu beurteilen und zu 
werten und eine gute mittel- bis langfristige Strategie zu entwerfen, 
wie die Dinge, die man am Markt vorgefunden hat, zusammenpassen können. 
Dort ist Selbstbetrieb von Software nur in Ausnahmefällen überhaupt auf 
dem Schirm. Dort haben wir alle Arten von Lock-In-Effekten von halbwegs 
geschlossenen Kommunikationsplattformen bis hin zu Bindung der Daten an 
bestimmte Werkzeuge für Anzeige und Bearbeitung - oder eben schlicht den 
Umstand, daß alles auf zentralen Servern (im Falle von AutoDesk BIM360 
denen von Amazon) läuft. Diese Wahrnehmung (Service = "Funktion", nicht 
Software) geht weiter bei Dingen wie Trello oder Github.


Vielleicht ist das ein domänenspezifisches Problem - aber auch dann 
fehlen mir wirklich Ideen, dem zu begegnen. Der einzige denkbare Ansatz, 
den ich dort hätte, wäre: $Jemand, der in diesen Dingen sensibilisiert 
ist, versucht, solch einen Dienst (der dann sicherlich auch Geld kosten 
wird) aufzubauen in einer Art und Weise, die mit FLOSS-Ansätzen 
irgendwie verträglich ist. Aber das sehe ich zurzeit überhaupt nicht. 
Ich sehe eben nur, daß das langfristig für FLOSS durchaus zu einem 
echten Problem werden kann...


Viele Grüße,
Kristian

[1]https://dm.zimmer428.net/2018/11/libresaas-revisited/
[2]https://www.autodesk.com/bim-360/

Re: "Digitalisierung" mit FLOSS?

2019-04-05 Diskussionsfäden Kristian Rink

Hallo alle;

danke für die recht interessanten Kommentare. Ich steige mal hier wieder 
ein:


Am 03.04.19 um 11:11 schrieb Christian Imhorst:


Ich habe es leider auch noch nicht erlebt, dass KMUs sich auch Angebote 
von Consulting Partnern und IT Systemhäusern einholen, die ein Open 
Source-Portfolio haben. 



Richtig. Das ist auch meine Erkenntnis, und Hinterfragen / Blick auf die 
Dinge zeigt für mich, daß Systemhäuser meist überhaupt nicht als 
Alternativen zu den Plattformen wahrgenommen werden, mit denen 
(zumindest in meiner Domäne) die Nutzer sonst konfrontiert sind. 
Beispiele: Autodesk BIM360 in der Cloud liefert komplexe Planungs- und 
Koordinationslösungen. Microsoft Office 365 liefert in der Cloud eine 
funktionsfähige Office-Lösung. Google Apps for Enterprises liefern Mail, 
Kalender, Dokumentenablage, Kontaktverwaltung "im Browser" und quer über 
alle mobilen Geräte.


Systemhäuser werden demgegenüber wahrgenommen als Leute, die dem Kunden 
helfen, solche Infrastruktur selbst aufzubauen und "zu verantworten". 
Und genau das wollen die Kunden nicht (mehr). Die wollen nicht "Server 
mit Software für Office". Die wollen, analog etwa zu Google, das Produkt 
"mal Arbeitsumgebung Kalender, Mail, Dokumentenablage für meine 
Nutzer" einkaufen. Ich sehe sehr wenige (keine?) Systemhäuser, die das 
so anbieten können. So gesehen passt das in der Tat nicht in eine 
Excel-Tabelle, weil es ein Äpfel/Birnen-Vergleich ist.


Dazu kommt in meiner Wahrnehmung konkret im Bau noch ein anderes Thema: 
Die großen Beteiligten sind sehr gut aufgestellt. Die kleinen nicht. 
Dort steigen viele jetzt in Digitalisierung ein und überspringen damit 
mehrere Schritte, die andere Branchen genommen haben. Dort geht es nicht 
mal drum, die zwei Admin-Stellen zu streichen, Dort geht es darum, daß 
es teilweise diese Stellen nie gab - auch nicht die Kompetenz oder 
Einsicht in die Notwendigkeit, selbst in größerem Stil Infrastruktur zu 
betreiben. An dem Punkt ist es dann doch kein Äpfel/Birnen-Vergleich 
mehr und passt für Betriebswirtschaftler auch gut in ein Excel: Was 
kostet es mich insgesamt (einschließlich ggfs. Personal, eigener Server, 
Hosting, Internet-Anbindung, ...), um einem Nutzer beispielsweise 
Kalender- und Mail-Dienste bereitzustellen. Mit Google oder Office 365 
ist das sowohl in der Rechnung als auch in der Umsetzung relativ simpel, 
wenn auch nicht unbedingt "billiger". Mit einem Systemhaus wird das in 
der Rechnung und Bereitstellung deutlich interessanter - erst recht, 
wenn man mit eigenem Personal, Räumlichkeiten, ... plant.


Was mich dort umtreibt, deswegen die Diskussion hier: Ich habe dann und 
wann das Gefühl, daß "SoftwareLibre" in gewissen Domains potentiell 
mittelfristig irrelevant werden könnte - nicht, weil "Libre" irrelevant 
wird, sondern weil "Software" als solche zunehmend weniger eine Rolle 
spielt, wenn die Kunden nicht mehr Software einkaufen und am Markt 
nachfragen, sondern Dienste, für deren Bereitstellung irgendwo Software 
eine Rolle spielt, aber nichts ist, was man selbst betreiben will? 
Müssen wir uns hiermit überhaupt beschäftigen? Oder ist das ein anderes 
Thema?


Viele Grüße,
Kristian

___
FSFE-de mailing list
FSFE-de@lists.fsfe.org
https://lists.fsfe.org/mailman/listinfo/fsfe-de

Diese Mailingliste wird durch den Verhaltenskodex der FSFE abgedeckt.
Alle Teilnehmer werden gebeten, sich gegenseitig vorbildlich zu
behandeln: https://fsfe.org/about/codeofconduct

"Digitalisierung" mit FLOSS?

2019-04-02 Diskussionsfäden Kristian Rink

Folks;

wieder einmal möglicherweise eine Meta-Diskussion, in der ich sehr akut 
gerade sitze: Sicher nicht nur in meiner Branche (Bau-Industrie) ist 
gerade "Digitalisierung von Kunden und Prozessen" ein großes Thema. Das 
wird in allen nur denkbaren Facetten durch und in den Markt getrieben, 
dazu gehören Prozesse, Modelle, Anwendungen und dergleichen. All das ist 
im Wesentlichen getrieben nicht von Software-Entwicklern, sondern eher 
von fachlichen Anwendern mit Affinität für/zu Technologie. Aus diesem 
Umstand heraus sind die Implementationen in der überwiegenden Menge 
hochproprietär und/oder geschlossen. Punktuell gibt es Open-Source - 
Komponenten, die Teilaspekte davon abbilden; eine richtige "freie" 
Community, ein freies Ökosystem dazu sehe ich nicht.


Im Umkehrschluss fällt mir auf, daß viele der Themen, mit denen sich die 
FLOSS-Community traditionell beschäftigt - offene Betriebssysteme, 
offene Büro-Anwendungen, offene soziale Netzwerke, ... - vergleichsweise 
"low level" sind und aus der Betrachtung schon deswegen herausfallen, 
weil bestimmte Herangehensweisen und Anforderungen völlig abweichen. 
Wenn $Nutzer davon ausgeht, daß "Google" oder "Microsoft 365" das 
Problem "Desktop-Office" und "Kollaboration an Dokumenten" erschöpfend 
löst, ist ein LibreOffice nicht nur keine Option mehr, sondern 
potentiell gänzlich irrelevant.


Unscharfe Frage daher: Gibt es innerhalb FSF(E) "jemanden" oder eine 
Gruppe von Leuten, die sich mit solchen Themen beschäftigen, wahlweise 
abstrakt oder für konkrete Domains? Seht Ihr hier ein Risiko, daß wir 
zwar in einzelnen Teilaspekten valide Punkte machen können, im "großen 
Ganzen" aber entlang des Hype-Themas "Digitalisierung" eher unter die 
Räder kommen?


Comments welcome.
Viele Grüße,
Kristian

___
FSFE-de mailing list
FSFE-de@lists.fsfe.org
https://lists.fsfe.org/mailman/listinfo/fsfe-de

Diese Mailingliste wird durch den Verhaltenskodex der FSFE abgedeckt.
Alle Teilnehmer werden gebeten, sich gegenseitig vorbildlich zu
behandeln: https://fsfe.org/about/codeofconduct

Re: Umgang mit Spenden

2019-04-01 Diskussionsfäden Kristian Rink

Hallo zurück,

um Mißverständnisse zu vermeiden, noch mal ganz explizit:

Am 01.04.19 um 09:21 schrieb Matthias Kirschner:


Ich möchte hierzu nur nochmal anmerken: Es tut mir und anderen in
der FSFE weh, wenn uns vorgeworfen wird, dass wir bestimmte Dinge nur
wegen bestimmter Spender machen.


Ja, das sehe ich exakt genau so. Deswegen die Diskussion dazu. Solche 
Vorwürfe kommen gelegentlich sowohl von Leuten, die unsere Ideen 
prinzipiell teilen, aber mit anderem Fokus unterwegs sind (siehe Aral 
Balkan, womit der Thread ja losging), aber auch von Leuten, die uns im 
Wesentlichen beschädigen wollen. Deswegen braucht es Klarheit dazu.



> Wir mussten erst in den letzten Wochen wieder eine Spende

ablehnen, weil dabei sonst unsere Neutralität beeinflusst worden
wäre und wir werden das auch weiterhin tun. 


Ist das etwas, was man öffentlich dokumentieren kann und darf? Wäre ja 
hierfür durchaus ein gutes Beispiel...


Viele Grüße,
Kristian

___
FSFE-de mailing list
FSFE-de@lists.fsfe.org
https://lists.fsfe.org/mailman/listinfo/fsfe-de

Diese Mailingliste wird durch den Verhaltenskodex der FSFE abgedeckt.
Alle Teilnehmer werden gebeten, sich gegenseitig vorbildlich zu
behandeln: https://fsfe.org/about/codeofconduct

Re: Fwd: [FSFE PR][DE] Urheberrechtsreform – EU schützt Freie Software im letzten Moment

2019-03-28 Diskussionsfäden Kristian Rink

Hallo Christian;


Am 28.03.19 um 15:26 schrieb christian.imho...@posteo.de:


Entweder ist man für Zensur, oder dagegen, für Überwachung, oder 
dagegen, für Kriegswaffen, oder dagegen. Ein Marschflugkörper wird nicht 
dadurch besser, dass die SQLite-Datenbank für die Zielsteuerung eine 
Open-Source-Lizenz hat, die Überwachung wird nicht besser, weil die 
Cloud-Server von Facebook, Google und Co. mit Gnu/Linux laufen.




Kein Widerspruch.

Meine Frage ist eher: Was tun wir, wenn wir Zensur und Uploadfilter 
nicht verhindern können, bzw. - siehe eben ContentID - solche 
Infrastruktur teilweise schon am Start haben und die nicht wegbekommen? 
Für mich ging es hier eher um Schadensbegrenzung bzw. Plan B.


Viele Grüße,
Kristian
___
FSFE-de mailing list
FSFE-de@lists.fsfe.org
https://lists.fsfe.org/mailman/listinfo/fsfe-de

Diese Mailingliste wird durch den Verhaltenskodex der FSFE abgedeckt.
Alle Teilnehmer werden gebeten, sich gegenseitig vorbildlich zu
behandeln: https://fsfe.org/about/codeofconduct

Re: "Überwachungskapitalismus", Google und die FSF(E)

2019-03-27 Diskussionsfäden Kristian Rink

Hallo alle;

nur ein kurzer Einwurf hierzu noch, weil mir das bei der Recherche zu 
edri auch aufgefallen ist:



Am 27.03.19 um 08:21 schrieb Tobias Diekershoff:


Casparys Verdacht: „Nun wird offensichtlich versucht, auch mit
gekauften Demonstranten die Verabschiedung des Urheberrechts zu
verhindern. Bis zu 450 Euro werden von einer sogenannten NGO für die
Demoteilnahme geboten. Das Geld scheint zumindest teilweise von
großen amerikanischen Internetkonzernen zu stammen. Wenn
amerikanische Konzerne mit massivem Einsatz von Desinformationen und
gekauften Demonstranten versuchen, Gesetze zu verhindern, ist unsere
Demokratie bedroht.“


N-TV [2] (bzw EDRi [3]) hat das relativ rasch aufgeklärt



Ich habe die Transparenzberichte von edri überflogen und bin dort dann 
relativ schnell bei Mozilla gelandet. Bei Mozilla wissen wir durchaus, 
daß dort in substantiellem Umfang Abhängigkeit von Einnahmen aus Werbung 
von Google und Konsorten stammt, und Mozilla hatte im Firefox leider 
auch schon (siehe die Debatte um Google Analytics auf der Addons-Seite) 
Themen, die dort zumindest vorsichtige Diskussionen über "fehlende 
Abgrenzungen" nahelegen.



In diese Richtung, mit etwas anderem Fokus, geht auch dies hier, das in 
ähnlicher Art und Weise die EFF zu demontieren versucht.


"[...] One likely explanation, Glaser reasoned, was that most of these 
groups depended on funding from the very same corporations that they 
should be criticizing. Over the past years, EFF has taken millions in 
funds from Google and Facebook via straight donations and controversial 
court payouts that many see as under-the-radar contributions. Hell, 
Google co-founder Sergey Brin’s foundation gave EFF at least $1.2 
million. [...]"


https://thebaffler.com/salvos/all-effd-up-levine


Auch das ist so ein Dokument, das in den letzten Tagen häufiger in 
meinen Kanälen aufgetaucht ist, und IMHO ist das durchaus problematisch. 
Nimm eine Handvoll von NGOs und Bürgerrechts-Organisationen, nimm 
Organisationen, die FLOSS unterstützen - no matter who: Mindestens 
Google und Microsoft werden sich relativ schnell auf einer 
Sponsoren-Seite finden, schlimmstenfalls auch relativ weit oben.


Minimale Erwartungshaltung wäre: Es gibt dort eine *sehr klare* 
Abgrenzung zwischen denen, die Geld in den Hut werfen, und denen, die 
das Geld für Projekte ausgeben. Aber selbst dann werden solche 
Organisationen immer "angreifbar" bleiben, nicht zuletzt in einem 
Umfeld, in dem (auf der "anderen" Seite) Spenden mit dem Ziel direkter 
Einflußnahme vermutlich nicht die Ausnahme, sondern gänzlich 
erwartungskonform sind.


Wir brauchen bessere Finanzierung. ;)

Viele Grüße,
Kristian


___
FSFE-de mailing list
FSFE-de@lists.fsfe.org
https://lists.fsfe.org/mailman/listinfo/fsfe-de

Diese Mailingliste wird durch den Verhaltenskodex der FSFE abgedeckt.
Alle Teilnehmer werden gebeten, sich gegenseitig vorbildlich zu
behandeln: https://fsfe.org/about/codeofconduct

Re: GLS Bank über die Möglichkeit eine freien Banking-App über F-Droid anzubieten

2019-02-23 Diskussionsfäden Kristian Rink

Hallo alle;

kurze Zwischenfrage hierzu:

Am 23.02.19 um 11:19 schrieb Ilu:


Code-Offenlegung wird es mit Promon nicht geben und die VR werden auf 
Promon nicht verzichten. Es geht dabei meiner Einschätzung nach vor 
allem um Haftungs-/Versicherungsfragen. Dagegen ist jede Argumentation 
zwecklos.


Die Anforderung, Haftungs- und Versicherungsfragen notfalls auch 
vertraglich geregelt zu bekommen, verstehe ich durchaus und kann 
insofern auch ein Stück weit verstehen, daß ein technisch "wackeliger" 
Partner wie Promon (der genau diese Anforderung erfüllen kann) im 
Zweifelsfall immer noch in solchen Umgebungen akzeptiert und gefragt ist.


=> Beschäftigt sich jemand mit der Frage, wie man dieser Anforderung mit 
SoftwareLibre begegnen kann? Gibt es dazu Ideen oder Ansätze?


Viele Grüße,
Kristian

--
Kristian Rink
https://dm.zimmer428.net/
https://www.flickr.com/photos/z428
https://twitter.com/kr428
https://www.instagram.com/z428/

"Withering under words you told me:
 Comfort in the great machine."
___
FSFE-de mailing list
FSFE-de@lists.fsfe.org
https://lists.fsfe.org/mailman/listinfo/fsfe-de

Diese Mailingliste wird durch den Verhaltenskodex der FSFE abgedeckt.
Alle Teilnehmer werden gebeten, sich gegenseitig vorbildlich zu
behandeln: https://fsfe.org/about/codeofconduct

Re: "Überwachungskapitalismus", Google und die FSF(E)

2019-01-14 Diskussionsfäden Kristian Rink

Hi *;



1. Parallel existierende Phänomene müssen in keinem Zusammenhang
stehen. Ich vermisse auch nur iirgendeinen Beweis, dass eine
Korrelation besteht.


Möglicherweise ist das auch in diesem Thread off-topic, weil es ein
anderer Problembereich ist. Daher auch nur kurz:


[...]
schlimmsten Fall "Open Source" - Communities, die als kostenlose, 
verlängerte Werkbank für proprietäre Entwicklung dienen

(möglicherweise etwas überspitzt gesprochen).


2. Das ist kein Grund gegen die Abgrenzung, sondern dafür.


Dort bin ich noch dabei.




Was bringt es mir, die "Sources für Facebook" zu haben und nutzen
zu können, wenn ich keine Nutzer darüber erreiche?


3. Sie müssen es nicht tun, es geht darum, dass sie es tun können.
Und deshalb ist es wichtig, dieses weiter zu betreiben.


Mag sein. Das ist per se auch nicht schlecht, wenn man nur über
"Software Libre" nachdenkt - löst aber das Problem Facebook nicht: Für
Nutzer ist es im Zweifelsfall schön, eine eigene Instanz von Facebook
oder was-auch-immer zu betreiben. Wenn darüber die Kontakte, mit denen
kommuniziert werden soll oder muss, nicht erreichbar sind (weil Facebook
nicht federated und facebook.com ein "walled garden" ist), dann ändert
eine eigene Instanz daran nichts. Das Problem, das Facebook für diese 
Nutzer löst, ist nicht die Entwicklung und der Betrieb von Software.





Was hilft es, Sources der Software zu bekommen, die ändern und auch
geändert weitergeben und betreiben zu dürfen, wenn die an konkrete
Hardware gebunden ist und an keiner Stelle gesagt ist,
SoftwareLibre nur auf Hardware betrieben werden darf, auf der ich
ohne Probleme auch modifizierte Varianten derselben Software fahren
kann?


4. Dieses Antifeature ist ja nicht naturbedingt Bestandteil der 
genannten Vorteile. Es ließe sich im Falle der Offenlegung durchaus 
heraus patchen. Oder andersherum: Die Software kann auch auf anderen 
Systemen lauffähig gemacht werden.



Sicher ebenfalls richtig, nur: Welche Systeme mögen das sein? Schön, daß 
es geht, aber ich sehe etwa derzeit beispielsweise keine 
Smartphone-Plattform, mit der ich mir ein Gerät auf Stand gängiger 
Android-Devices ausschließlich mit Freier Software bauen könnte. Und die 
Geräte, die am Markt zu kaufen können, erlauben das Einspielen 
geänderter Software eben bestenfalls über krude Hacks. Auch das ist 
nicht die *Schuld* Freier Software, aber es ist ein reales Problem in 
einer Situation, in der die Freiheit der Software schön ist, aber leider 
nicht viel zu verbessern vermag.



Vielleicht bin ich dort in der Tat auf dem falschen Dampfer und das sind 
Themen, die Software Libre per se gar nicht lösen kann oder soll. Auf 
jeden Fall sehe ich dort Punkte, an denen die Freiheit des Codes in der 
sehr realen Praxis wenig Möglichkeiten mit sich bringt, tatsächlich mehr 
Freie Software nutzen zu können.


Viele Grüße,
Kristian

--
Kristian Rink
https://dm.zimmer428.net/
https://www.flickr.com/photos/z428
https://twitter.com/kr428
https://social.tchncs.de/@z428
___
FSFE-de mailing list
FSFE-de@lists.fsfe.org
https://lists.fsfe.org/mailman/listinfo/fsfe-de

Diese Mailingliste wird durch den Verhaltenskodex der FSFE abgedeckt.
Alle Teilnehmer werden gebeten, sich gegenseitig vorbildlich zu
behandeln: https://fsfe.org/about/codeofconduct

Re: "Überwachungskapitalismus", Google und die FSF(E)

2019-01-14 Diskussionsfäden Kristian Rink

Hallo auch,

Am 14.01.19 um 10:41 schrieb Christian Imhorst:


Das ist jetzt eine nicht weiter durchdachte These von mir, die ich zur 
Diskussion stellen möchte: Der Siegeszug und die Verbreitung eines 
freien Betriebssystems hat zu mehr Unfreiheit geführt bzw. führt immer 
noch dazu.




Ja, das sehe ich ähnlich, in mehreren Punkten:

- Die Abgrenzung zwischen "Software Libre" und "Open Source" ist 
problematisch. An vielen Stellen haben wir mehr denn je "Open 
Source"-Code, der aber nicht zwingend "Software Libre" ist und sehr viel 
leichter in potentiell proprietären Produkten und Services untergebracht 
werden kann. Damit habe ich auf einer Seite Nutzer, die "Software Libre" 
aus idealistischen Gründen bauen, und auf der anderen Seite im 
schlimmsten Fall "Open Source" - Communities, die als kostenlose, 
verlängerte Werkbank für proprietäre Entwicklung dienen (möglicherweise 
etwas überspitzt gesprochen).


- An vielen Stellen ist "Software Libre" zwar nützlich, aber geht an der 
Lebensrealität der Mehrzahl der Menschen völlig vorbei. Wenn ich mir 
anschaue, wie viele Leute mit WhatsApp, Facebook, Google, ... überhaupt 
erst einmal in die Lage versetzt wurden, digitale Technologie zu nutzen, 
dann sehe ich eine extrem große Zielgruppe, für die die Freiheiten der 
GPL nahezu irrelevant sind: Das sind Leute, die *nie* in Software 
hineinschauen, geschweige denn diese verändern werden. Das sind auch 
Leute, die nie selbst einen Server von irgendetwas betreiben oder sich 
darüber Gedanken machen wollen, ob es einen solchen braucht. Das sind 
Leute, die nutzen WhatsApp oder Facebook als einen Dienst, der "einfach 
nur" funktioniert und sie Kontakt mit Menschen halten läßt, die ihnen 
wichtig sind. Das bekomme ich mit Argumenten der Privatsphäre schlecht 
und mit Argumenten der Software-Freiheit überhaupt nicht gegriffen. Bei 
Facebook oder WhatsApp ist es gleich, ob die Infrastruktur auf 
Open-Source-Software oder Software Libre aufsetzt - für die Nutzer 
ändert sich nix. Was bringt es mir, die "Sources für Facebook" zu haben 
und nutzen zu können, wenn ich keine Nutzer darüber erreiche?


- Ähnlich: Die ganze Thematik mobiler Geräte. In dem Umfeld gab es von 
vornherein nie die Möglichkeiten, die es immer gab bei PCs und Servern, 
die ja letztlich aus einer Umgebung und Welt kommen, in der die Nutzer 
über lange Zeit selbstverständlich gewohnt waren, ihre Hardware selbst 
zusammenzustecken und mit Software zu versehen. Mit Mobilgeräten ging 
das eher in Richtung Appliance, "verrammelt" und mit darauf 
zugeschnittener, herstellerkontrollierter Software versehen. Dort hat 
die SoftwareLibre- wie auch die OS-Community geholfen, weil die Software 
verfügbar war, darauf aufgesetzt werden konnte und das, was die GPL bei 
Einbettung in proprietäre Software verhindert, wie auch bei 
Cloud-Services (s.o.) bei Hardware total irrelevant ist: Was hilft es, 
Sources der Software zu bekommen, die ändern und auch geändert 
weitergeben und betreiben zu dürfen, wenn die an konkrete Hardware 
gebunden ist und an keiner Stelle gesagt ist, SoftwareLibre nur auf 
Hardware betrieben werden darf, auf der ich ohne Probleme auch 
modifizierte Varianten derselben Software fahren kann?



Ich hab viele Fragezeichen und keine wirklichen Ideen. :/

Viele Grüße,
Kristian


--
Kristian Rink
https://dm.zimmer428.net/
https://www.flickr.com/photos/z428
https://twitter.com/kr428
https://social.tchncs.de/@z428
___
FSFE-de mailing list
FSFE-de@lists.fsfe.org
https://lists.fsfe.org/mailman/listinfo/fsfe-de

Diese Mailingliste wird durch den Verhaltenskodex der FSFE abgedeckt.
Alle Teilnehmer werden gebeten, sich gegenseitig vorbildlich zu
behandeln: https://fsfe.org/about/codeofconduct

Re: "Überwachungskapitalismus", Google und die FSF(E)

2019-01-13 Diskussionsfäden Kristian Rink

Hallo alle;

und danke für die verschiedenen Sichten hierauf. Ich will es kurz halten 
in zwei Themen:


Am 12.01.19 um 23:05 schrieb GregorM64:


Es ist ein Zielkonflikt zwischen Finanzierung und Vermeidung von 
"Free-Washing", z. B. "Wenn die FSF nur wegen der paar Euros, die über 
das Amazons Smile-Programm generiert werden (die dann übrigens einer 
anderen Organisation fehlen, weil immer nur eine ausgewählt werden 
kann), keine Probleme damit hat, deren Marke und das Marketing-Programm 
weiter bekannt zu machen, wie schlimm kann dann Amazon eigentlich sein?"

>

Ja, den Punkt Zielkonflikt sehe ich auch. Ich habe, wie gesagt, zu Aral 
keine Meinung und vermag nicht zu beurteilen, wie sehr ihm an der 
"Sache" gelegen ist und wie wichtig ihm eine sehr deutliche, 
kompromisslose mediale Selbstdarstellung ist - zumindest läßt sich mit 
ihm in elektronischen Kanälen sehr schlecht diskutieren, wenn man auch 
nur ansatzweise kritische Fragen stellt. Das halte ich insgesamt für 
extrem schlecht, von wegen "divide-and-conquer": Die Herausforderungen 
der gegenwärtigen digitalen Welt sind nicht unbeträchtlich, und die 
(vergleichsweise) "paar Aktivisten", die es gibt, sind noch damit 
beschäftigt, sich selbst nach Kräften an den Karren zu fahren, weil sie 
es nicht schaffen, sich halbwegs hinter gemeinsame Ziele oder zumindest 
Zielpriorisierung zu finden. Kann man machen. Macht aber die Dinge eher 
schwerer.




Ich habe das Gefühl, dass Transparenz hier ein guter Weg sein kann: 
aufzeigen, dass ein Zielkonflikt besteht, worin genau er besteht, welche 
Optionen es gibt und wie aktuell damit umgegangen wird. An jedem 
kritischen Firmen-Logo könnte ein Sternchen mit Link zu einem gut 
formulierten Text stehen, den man als Durchschnittsaktivist zur 
fundierten Erwiderung von berechtigter Kritik verwenden kann. 

>

Klares "Ja" hierzu. Transparenz halte ich auch für extrem wesentlich; 
das war auch einer der Hintergründe, diese Diskussion überhaupt zu 
beginnen. Die FSFE könnte das ja vielleicht nutzen, klar darzulegen, 
warum Sponsoren wie Google im Boot sind, wie viel Geld sie über den Zaun 
werfen und was damit getan wird, gern auch in Replik auf Arals Artikel? 
Bei GNOME bin ich mir dort noch im Unklaren; die durch Aral zitierte 
Arbeitsweise des Advisory Boards (von wegen "board-interne 
nicht-öffentliche Abstimmung") vermochte ich bislang noch nicht zu 
verifizieren. Wär's so, wäre es arg unschön, andererseits wären dann 
Google auch immer noch nicht *allein* auf diesem Board, wäre GNOME nach 
wie vor SoftwareLibre.


Aber für mich bleibt nach wie vor die kritische Frage nach der 
Finanzierung von SoftwareLibre. Eine sehr hässliche Diskussion dazu, die 
ich in den letzten Tagen auch immer wieder hatte, war:


"Google macht den Markt für unabhängige Software-Hersteller kaputt, weil 
sie ihre Produkte verschenken können, und finanziert darüber hinaus noch 
Organisationen wie die FSFE, die zwar SoftwareLibre wollen, wovon aber 
im Endeffekt für die Mehrzahl der Nutzer als wichtigster und 
offensichtlichster Vorteil auch nur bleibt, daß die Software gratis ist. 
Damit verlieren all jene, die es sich nicht leisten können, ihre 
Software zu verschenken, oder die kein Geschäftsmodell haben können, in 
dessen Rahmen sich Software frei entwickeln läßt."


Das ist grenzwertig und ein anderes Thema, befeuert aber konkret in dem 
Sponsorship-Punkt die Diskussion und ist der Kommunikation pro 
SoftwareLibre keinesfalls zuträglich.


Viele Grüße,
Kristian

--
Kristian Rink
https://dm.zimmer428.net/
https://www.flickr.com/photos/z428
https://twitter.com/kr428
https://social.tchncs.de/@z428
___
FSFE-de mailing list
FSFE-de@lists.fsfe.org
https://lists.fsfe.org/mailman/listinfo/fsfe-de

Diese Mailingliste wird durch den Verhaltenskodex der FSFE abgedeckt.
Alle Teilnehmer werden gebeten, sich gegenseitig vorbildlich zu
behandeln: https://fsfe.org/about/codeofconduct

Re: "Überwachungskapitalismus", Google und die FSF(E)

2019-01-12 Diskussionsfäden Kristian Rink

Hallo *;

Satire ist das schon, aber leider nur teilweise. Wie Björn schon schrieb: 
Spätestens seit der letzten Woche ist Aral in den sozialen Netzen, allen 
voran Mastodon, ganz massiv zugange, Organisationen wie die FSF, die GNOME 
Foundation oder Mozilla (die schon bedeutend länger) im Kern als 
Whitewashing von "Überwachungskapitalisten" wie Google oder Microsoft und 
damit ablehnenswert zu bezeichnen.


In einigen Aspekten mag er ja sogar valide Punkte haben, aber zum einen 
bleibt er leider bessere Vorschläge für Finanzierung der Arbeit solcher 
Organisationen gänzlich schuldig, zum anderen halte ich die Art und Weise, 
wie er dies in der Öffentlichkeit tut, für ausnehmend kontraproduktiv 
sowohl für "seine" als auch für "unsere" Ziele, die ja durchaus nah 
beieinander liegen.


Insofern die Frage: Sollten die adressierten Organisationen, also auch die 
FSF(E), darauf irgendwie reagieren? Ich meine, offen gestanden sind die 
Herausforderung für Aktivisten derzeit groß genug, auch ohne dass sie sich 
gegenseitig zusätzlich das Leben schwer machen. So, wie die Diskussion 
derzeit läuft, könnte es destruktiver kaum sein...


Viele Grüße,
Kristian


--
Kristian Rink
https://dm.zimmer428.net/
https://www.flickr.com/photos/z428
https://social.tchncs.de/@z428







___
FSFE-de mailing list
FSFE-de@lists.fsfe.org
https://lists.fsfe.org/mailman/listinfo/fsfe-de

Diese Mailingliste wird durch den Verhaltenskodex der FSFE abgedeckt.
Alle Teilnehmer werden gebeten, sich gegenseitig vorbildlich zu
behandeln: https://fsfe.org/about/codeofconduct

Re: Finanzierungsmodelle für Freie Software und Apps

2019-01-04 Diskussionsfäden Kristian Rink

Hallo alle;

danke für Eure Kommentare und Gedanken dazu. Damit hab ich erstmal ein 
paar Dinge, durch die ich mich lesen kann. Mal schauen, ob ich dort 
weiterkomme, ansonsten nerve ich sicher nochmal. By the way:



Am 22.12.18 um 14:31 schrieb Carsten Knoll:


https://fsfw-dresden.de/2018/08/funding-floss.html



FSFW Dresden? Nice. Wußte gar nicht, daß es sowas gibt...

Viele Grüße,
Kristian



--
Kristian Rink
https://dm.zimmer428.net/
https://www.flickr.com/photos/z428
https://social.tchncs.de/@z428
___
FSFE-de mailing list
FSFE-de@lists.fsfe.org
https://lists.fsfe.org/mailman/listinfo/fsfe-de

Diese Mailingliste wird durch den Verhaltenskodex der FSFE abgedeckt.
Alle Teilnehmer werden gebeten, sich gegenseitig vorbildlich zu
behandeln: https://fsfe.org/about/codeofconduct

Re: Finanzierungsmodelle für Freie Software und Apps

2018-12-21 Diskussionsfäden Kristian Rink
Das sind beides Ansätze, über die ich auch nachgedacht habe. Meine 
Beispiele in der Diskussion hier waren eine Mindmap-Anwendung 
(standalone, explizit ohne Synchronisationsfunktion) bzw. ein Spiel für 
Android.


Bei Anwendungen sehe ich am ehesten noch das Modell, Dienstleistungen 
damit zu verkaufen, wobei das u.U. auch schwierig ist: Wenn die App 
einen einfach erklärbaren Use Case bedient und so umgesetzt ist, daß 
Nutzer sie gern verwenden (klassische Endnutzer-Software), dann ist 
Dienstleistung damit mAn äußerst schwer darzustellen.


Bei Spielen etwa habe ich überhaupt keine Idee, auch auf dem Desktop 
nicht. Das geht gedanklich vermutlich eher in die Richtung, in der auch 
Musik, Filme, ... unter Freien Lizenzen sich bewegen. Momentan ist 
dieser Bereich (mein Eindruck) entweder ausnahmslos proprietär oder 
ausnahmslos von Hobbyisten besetzt... Dort würden mich andere Ideen 
interessieren.


Viele Grüße,
Kristian


--
Kristian Rink
wort: https://dm.zimmer428.net/
bild: https://www.flickr.com/photos/z428
netz: https://twitter.com/kr428
___
FSFE-de mailing list
FSFE-de@lists.fsfe.org
https://lists.fsfe.org/mailman/listinfo/fsfe-de

Diese Mailingliste wird durch den Verhaltenskodex der FSFE abgedeckt.
Alle Teilnehmer werden gebeten, sich gegenseitig vorbildlich zu
behandeln: https://fsfe.org/about/codeofconduct